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Über den Dingen

Von der Werbung ins Theater - für den Schweizer Martin Suter ist das offenbar kein unmöglicher Wandel. Jahrzehnte lang hat er als Werbetexter gearbeitet, Anfang der 90er Jahre kehrte er der Branche den Rücken und wechselte ins Fach der Kolumnisten und wurde zum Bestsellerautor. Meist handeln seine Romane von Menschen, denen das Leben entgleitet. durch Krankheit, Drogen oder einen Überfall. Für das Züricher Neumarkt-Theater hat Martin Suter nun sein erstes Theaterstück verfasst, die existenzielle Komödie: "Über den Dingen".

Von Christian Gampert | 09.03.2005
    Es gibt Menschen, die jeden Morgen ihr Auto streicheln (obwohl sie das lieber mit ihrer Frau tun sollten), die ihren Computer anschreien und gegen die Waschmaschine treten, wenn sie nicht funktioniert. Ja, es gibt diese Menschen. Der Schriftsteller Martin Suter gehört nur sehr peripher zu dieser Spezies. Manchmal, so gab er vor der Uraufführung zu, spreche er mit seinem Laptop, leise und geduldig natürlich, und sehr langsam, er ist Schweizer, und nur, wenn er zuviel gearbeitet habe.

    " Wenn ich allein bin, spreche ich mit den Dingen. Vielleicht kennen Sie das: wenn Sie eine ganze Nacht lang arbeiten müssen, dann bekommen auch die Geräusche etwas ganz Bedrohliches. Und ich habe mich dann gefragt: was wäre eigentlich, wenn die Dinge antworten würden."

    Suter ist normalerweise für subtile Berichte aus der "Business Class" zuständig, also für Menschen, die viel Geld verdienen und etwas gaga sind. Er hat auch schön konstruierte Romane geschrieben, deren Hauptfiguren meistens unter neurologischen Problemen leiden: Alzheimer, Drogenrausch, Unfall, und die dann immer auf der Suche nach sich selbst sind. Jetzt aber will Martin Suter sich partout mit "den Dingen" beschäftigen, mal was anderes, nicht immer nur Homo non sapiens. Denn die Dinge sprechen zu uns, sie bellen zurück, und was sie uns zu sagen haben, ist nicht sehr angenehm.

    Soweit die Grundidee. Martin Suter wollte oder musste sein erstes Theaterstück schreiben - und wollte alles anders machen. Das Problem ist, dass man auf der Bühne dann doch irgendwie Menschen braucht, will man nicht eine Sound-Installation salbadernder Haushaltsgegenstände abliefern. Das heißt: Schauspieler müssen die Rolle der Gegenstände übernehmen, zumindest als Sprecher, während die Dinge selbst elektronisch gesteuert durch die Gegend rasen (wie zum Beispiel ein schildkrötenartiger Staubsauger namens Samsa) oder zwecks Reaktionstest öfter mal getreten werden, wie der so genannte Pouf, ein schaumstoffgefülltes Sitzkissen aus Arabien.

    Ein Stück, in dem räsonierende Pizzas und knurrende Topfhandschuhe vorkommen, klingt schwer nach Kindervorstellung oder zumindest nach romantischem Kunstmärchen. Und wahrscheinlich soll es auch surreal und furchtbar lustig sein. Ist es aber nicht, weder beim Lesen noch auf der Bühne, in Georg Staudachers braver Inszenierung. Reto, ein Schweizer Mittdreißiger, kommt nach Hause in seine Wohnwabe, und die Dinge reden zu ihm. Wir ahnen: der Mann ist einsam. Die Frau seines Herzens hat ihn verlassen. Da hält man sich an das Erstbeste, was einem über den Weg läuft - auch wenn man erst suchen muss, wer da gerade redet:

    - "Warm, wärmer...huch, i ben's, dei Hugo Boss, Stuttgart.." - "Ah, der Anzug, ja..." - "Noi, nur dr Kittel, Hosa könna net schwätza..." - "Natürlich, natürlich..."

    Das schwäbisch quäkende Boss-Jackett aus Stuttgart kann den Mann nicht trösten, und auch der therapeutisch vorgebildete alte Ledersessel, in dem früher ein Psychiater fläzte, hilft dem frustrierten Single nicht weiter. Zumal ein Sofakissen, welches wie eine Sonnenblume geformt ist, nun pikante Details erzählt über die Seitensprünge der ehemaligen Lebensgefährtin, wobei es, das Sonnenblumenkissen, als Unterlage diente.

    Nun erhebt sich die Frage: hat sie, oder hat sie nicht? Hier lehrt die Lebenserfahrung: Eifersucht führt in den Wahn. Der Mann spricht ja mit Dingen, er ist Psychiatrie-reif! Also geschieht es bei Martin Suter... Immerhin ist das Stück für die formidablen Schauspieler Meret Hottinger und Christoph Rath eine Gelegenheit zu zeigen, was sie als ständig den Tonfall, weil den Gegenstand wechselnde Stimmenimitatoren so draufhaben. Das sind wirklich zwei skurrile, blinde Beckett-Clowns, aber es nützt nicht viel. Adrian Furrer gibt sich alle Mühe, den einsamen Reto mit einer Psyche auszustatten, aber die Figur ist ein wenig leer.

    Wenn man Martin Suter fragt, warum er jetzt ein Theaterstück geschrieben habe, dann sagt er: weil das Neumarkt-Theater mir den Auftrag gab. Als Berufsschreiber müsse man auch das können. So, ach ja, ja dann. Der Mann war früher in der Werbung, er kann einfach alles. Vielleicht sollten auch wir, als Berufsschreiber, langsam an unser erstes Theaterstück denken. Nicht immer nur öde Rezensionen schreiben. Nein, Dramen sollen es sein. Dann müssen endlich die anderen leiden.