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Über den Sinn von Mittelinitialien

Man kann auch Mittelinitialien sammeln, zum Beispiel die von Johannes B. Kerner oder Theodor W. Adorno. Wo das hinführt, ist offen, aber es hat mit einem besonderen Blick auf die deutsche Sprache und mit großer Liebe fürs Feuilleton zu tun, so wie sie die "Umblätterer" empfinden.

Frank Fischer im Gespräch mit Burkhard Müller-Ullrich | 05.06.2011
    Burkhard Müller-Ullrich: Was haben Johannes B. Kerner, Heinz G. Konsalik, Fritz J. Raddatz, Henryk M. Broder und Theodor W. Adorno und meinethalben auch noch Ernst A. Grandits gemein? Natürlich die Mittelinitiale sowie die Tatsache, dass sie auf einer langen Mittelinitialen-Trägerliste stehen, die "Der Umblätterer" erarbeitet hat. "Der Umblätterer" ist eine Web-Seite, also bitte Umblaetterer.de, ist eine Web-Seite, die von ein paar illuminierten Köpfen in Leipzig, Hamburg, London, Berlin und Konstanz betrieben und gestaltet wird. Sprachliche Feinarbeit, Intelligenz und Esprit, alles für lau im Internet. – Am Telefon ist der Umblätterer Frank Fischer. Sagen Sie mal, Herr Fischer, Mittelinitialen sammeln, haben Sie sonst nichts zu tun?

    Frank Fischer: Ja diese Sammlung der Mittelinitialen ist einfach eine Materialsammlung, wie wir das öfters mal machen. Es gibt nicht nur diese Sammlung mit den Mittelinitialen, sondern auch zum Beispiel eine Sammlung von Doppel- und Dreifachrufen durch die Kulturgeschichte, aber vor allen Dingen auch eine Sammlung mit Floskeln aus Regionalzeitungen, und wir stellen das erst mal so rein und es kommen dann Leute und ergänzen die, und uns treibt auch die Frage um, was das Wesen ist zum Beispiel von Mittelinitialen.

    Müller-Ullrich: Weil Sie gerade von Doppel- und Dreifachrufen sprechen. Können Sie mal ein paar nennen?

    Fischer: Was mir spontan einfällt: "Reiten, reiten, reiten" oder "Shanti, Shanti, Shanti", "Fakten, Fakten, Fakten".

    Müller-Ullrich: Also "Reiten" ist von Rilke und "Fakten " ist von Markwort, nicht wahr?

    Fischer: Genau. Ganz genau! – Und wenn man das einmal untereinanderstellt und die mal aufreiht – bei den Dreifachrufen haben wir 60 gefunden und dann kamen doppelt so viele noch mal dazu -, dann ist das der Anfang für irgendwas. Was, wissen wir oft nicht, aber wir versuchen halt, diesen Wesen irgendwie auf die Spur zu kommen.

    Müller-Ullrich: Lachen Sie gern? Ich meine, sind Sie eine Frohnatur?

    Fischer: Ja.

    Müller-Ullrich: Ist das ein Ausdruck dessen?

    Fischer: Ja das hat natürlich was Spielerisches, diese Sammlungen, aber wer weiß, wo das hinführt. Wahrscheinlich zu nichts, aber vielleicht ja doch.

    Müller-Ullrich: Sie machen das ja nicht alleine. Wie sind Sie mit den anderen zusammengekommen?

    Fischer: Es gibt da dieses Konsortium, das wir gegründet haben, in Leipzig damals noch, und zu Jahresbeginn, also nach abgeschlossener Feuilleton-Saison, vergeben wir den Goldenen Maulwurf. Das ist so ein Feuilleton-Preis, benannt nach unserem Wappentier. Und das sind dann die zehn besten Feuilleton-Texte des letzten Jahres, von denen wir behaupten, dass sie das sind. Ein Kriterium dafür ist die Kaffeehaus-Fähigkeit eines Artikels. Dazu gehört dann noch ein Kriterium, welche Texte sind einem über das Jahr überhaupt im Kopf geblieben. Und da ist es dann oft so, dass man über Texte redet, die einem überhaupt nicht gefallen haben, die einen provoziert haben, mit ihrer Unrichtigkeit und so weiter. Und dann wird es genau interessant, mal zu schauen, wie diese Texte funktionieren, und dabei kommt dann raus, oft meistens, dass das doch super Texte sind, weil sie funktionieren wie sie sollen und uns Leser zur Weißglut treiben können. Das, also auch das, ist Feuilleton.

    Müller-Ullrich: Wenn Sie von Feuilleton sprechen, meinen Sie aber gedrucktes Feuilleton, nicht? Eigentlich müssten wir ein bisschen beleidigt sein, weil wir uns ja wahnsinnige Mühe auch im Radio geben mit guten Texten.

    Fischer: Nein, nein, nein, überhaupt nicht. Also feuilletonistische Schreib- und Sprechweisen sind vor allen Dingen in den letzten zehn Jahren in alle möglichen Ressorts und auch Medien diffundiert und man kann sich davor eigentlich gar nicht mehr retten. Feuilletonistische Schreibweisen haben wirklich einen Siegeszug angetreten, den kann man jetzt täglich einfach auch natürlich in der Sendung hier begutachten.

    Müller-Ullrich: Weil Sie von der Sendung sprechen, ist Ihnen was aufgefallen, war irgendwas falsch?

    Fischer: Ja, genau. Tristan und die Säule, das gefällt mir sehr gut. Das ist wie so eine Art "SZ"-Überschrift. Ich frage mich auch immer, warum die Süddeutsche Zeitung immer so die besten Überschriften macht, und würde gerne wissen, warum, aber weiß es einfach nicht, obwohl ich mich da schon sehr, sehr lange damit beschäftige. Bei mir ist es so: mir fallen auch ständig "SZ"-Überschriften ein, zum Beispiel gerade eben "China-Ersatzverkehr". Allerdings: Sie können das Wort ja mal googeln, es gibt es noch nicht, weil es den Fall noch nicht gibt, wo man China-Ersatzverkehr als passende Überschrift drübersetzen könnte, aber man müsste so was dann eben konstruieren. Aber so funktioniert der Feuilleton nicht, dass der Journalist irgendwas macht, damit er einen Text drüberschreiben kann, obwohl mir das manchmal doch ganz gut gefiele, so eine Art magischer Realismus.

    Müller-Ullrich: Es gibt ja in diesem Bereich der Meta-Meta-Kritik, die zum Beispiel vom "Perlentaucher" geleistet wird, eine Leerstelle, die Sie ausfüllen. Ich würde sagen, Sie sind der Perlendreher, Sie beobachten nicht nur, Sie machen selbst was.

    Fischer: Der Perlendreher, das klingt erst mal nicht so gut wie Perlentaucher, aber vielleicht ist da was dran. Wenn man etwas über Zeitungen macht, über Medien, … - Wie bitte?

    Müller-Ullrich: Das hat so was Medizinisches wie Pillendreher.

    Fischer: Genau, da musste ich auch gerade dran denken. Ich weiß nicht, wir sind jetzt nicht so die Mediziner, aber wenn man etwas über Zeitungen und über Medien macht, im Netz oder wo auch immer, dann ist das ja immer Medienkritik und das ist ja auch gut und wichtig und super. Aber was wir machen möchten, ist Medien-Affirmation, weil die Arbeitshypothese, von der wir ausgehen, ist die, dass das deutschsprachige Feuilleton das beste der Welt ist im Moment, und das kann man auch wirklich täglich feststellen, und das ist dann auch angekoppelt an das Abenteuer Zeitungskauf. Das heißt also, wenn man eine Zeitung kauft – das passiert uns immer wieder -, wird man auf jeden Fall was erleben. Man hat also so ein kleines soziales Abenteuer. Das beginnt dann immer damit, dass man einen inspirierenden Platz finden muss, was heutzutage ja gar nicht mehr so einfach ist, und dabei wird dann irgendwas geschehen, eben ein kleines Abenteuer irgendwie. In guten Kaffeehäusern oder guten Parks passieren ja immer kleine Romanszenen, wenn man genau hinschaut. Und dann liest man im Idealfall gleich die Besprechung dazu im Feuilleton, und das ist dann eben genau diese Art von magischem Realismus, den ich eben meinte.

    Müller-Ullrich: Was machen Sie und Ihre Mitstreiter eigentlich sonst? Wollen Sie vielleicht selber ins Feuilleton?

    Fischer: Also manchmal werden uns Leute weggekauft ins Feuilleton. Das war nicht so geplant, aber da haben einige auch nichts dagegen. Manchmal schreiben wir auch für das Feuilleton. Aber wir haben gemerkt, dass das kein Ersatz ist für diese Ebene, auf der wir den Umblätterer betreiben, und es geht eben auch beides.

    Müller-Ullrich: Warum haben Sie eigentlich keinen Doppelnamen? So was braucht man doch in dem Bereich. Fehlt es an der Frau?

    Fischer: Ja ich weiß nicht. Wie sind Sie zu Ihrem Doppelnamen gekommen?

    Müller-Ullrich: Durch Heirat natürlich.

    Fischer: Gut. Das müsste ich dann halt machen noch.

    Müller-Ullrich: Danke, danke! Auch ein Doppelruf der Kulturgeschichte.

    Fischer: Bitte, bitte!

    Müller-Ullrich: Frank Fischer, der Umblätterer, über Sinn und Wesen des Feuilletons in fünfeinhalb Minuten.

    www.umblaetterer.de