An Weihnachten wird die Schere zwischen Arm und Reich besonders deutlich sichtbar: In den Städten lockt ein Überangebot an Waren, und auf die Tische kommt mehr als man essen kann - jedenfalls dann, wenn man sich das alles leisten kann. Kurz vor den Feiertagen meldete das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft, die Ungleichheit der Vermögen in Deutschland sei gesunken.
Tatsache ist aber auch, dass die reichsten zehn Prozent in Deutschland 56 Prozent des gesamten Vermögens besitzen, so das Ergebnis einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Die ärmere Hälfte besitzt nur einen Anteil von 1,3 Prozent. Gerade in den letzten Jahren kam aus verschiedenen Wissenschaftssparten immer wieder die Forderung, die Superreichen hätten die Pflicht, ihr Vermögen zu teilen oder wenigstens mehr Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen.
Der "Matthäus-Effekt"
"Was wir sehen, ist, dass in den letzten Jahrzehnten in vielen westlichen Gesellschaften ein immer größerer Teil dieser öffentlichen Daseinsfürsorge stärker privatisiert wurde. Und dass das oft einherging damit, dass dann diejenigen, die über mehr Kaufkraft verfügen, die besseren Services bekommen. Sei es, dass dann die Kinder in manchen Ländern fast schon automatisch auf Privatschulen geschickt werden, wenn man sich das eben leisten kann.
Sei es, dass im Gesundheitswesen unterschiedliche Standards herrschen. Und die Gefahr, die da natürlich entsteht, ist, dass über die Zeit hinweg - nicht von heute auf morgen, aber über die Jahrzehnte - sich immer mehr Mechanismen entwickeln, bei denen diejenigen profitieren, die schon bessergestellt sind und diejenigen benachteiligt werden, die sowieso schon am eher unteren Ende stehen. Das heißt in der Wissenschaft der "Matthäus-Effekt", wer hat, dem wird gegeben und wer nicht hat, dem wird noch genommen."
In einer Demokratie müsse jeder in gleichem Maße an der Gesellschaft teilhaben können. Diese Teilhabe sei stark in Gefahr, denn aus empirischen Studien wisse man, dass diejenigen, die gut bezahlte Jobs hätten, sich mehr gesellschaftlich und politisch engagieren würden.
Der Rest habe dafür schlicht oft gar keine Zeit, zum Beispiel, wenn man zwei Jobs gleichzeitig machen müsse, um überhaupt über die Runden zu kommen. "Ich glaub, es hat viel damit zu tun, ob man das Gefühl hat, dass man selber fair behandelt wird und dann auch bereit ist, entsprechend auch etwas zurückzugeben und aber auch damit, ob man überhaupt die Möglichkeit hat, das zu tun. Jemand, der sehr, sehr viel arbeitet und daneben vielleicht noch eine Familie versorgen muss, dem fehlt einfach die Zeit, das zu tun. "
Demokratisierung der Wirtschaft
Lisa Herzog plädiert für eine Demokratisierung der Wirtschaft in allen Bereichen, denn die sei im Moment gar nicht gegeben. So sagte sie, dass es in der Politik bestimmte Kontrollmechanismen gibt, die demokratische Prozesse garantieren würden, in der Wirtschaft fehlten diese aber. Ein Modell wäre das der zwei Kammern in Unternehmen.
"Das würde dem entsprechen, was derzeit die Herrschaftsform ist, nämlich die Aktienbesitzer. Die zweite Kammer wären aber die Angestellten. Für bestimmte Unternehmensformen, zum Beispiel solche Plattformen wie Facebook oder sowas, könnte man sich auch die Frage stellen, ob es nicht auch eine Kammer für die Nutzer geben müsste."
So könne man Teilhabe und eine gerechte Verteilung von Interessen viel besser sichern. Insgesamt müsse sich eine demokratische Gesellschaft, wie die deutsche, in der die obersten zehn Prozent mehr als die Hälfte des gesamten Vermögens besitzen, fragen:
"Wie stark wollen wir zulassen, dass sich Reichtum, Einkommen und Vermögen in den Händen zusammenballen? Und in welchem Maß wollen wir in der Gesellschaft gleichmäßiger verteilen?"
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.