Die finanzielle Not vieler Studierender ist in der Coronakrise groß, aber beim Antrag auf die Überbrückungshilfe der Bundesregierung fällt ein beachtlicher Teil von ihnen durch. 44 Prozent der im Juni gestellten Anträge seien abgelehnt worden, teilte das Bundesbildungsministerium auf Anfrage mit. Rund die Hälfte der gut 82.000 im Juni gestellten Anträge sei nach aktuellem Stand bewilligt worden. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Jens Brandenburg, der sich zuvor bereits mithilfe einer kleinen Anfrage nach Ablehnungen und Zusagen erkundigt hatte, macht Bürokratie und überzogene sowie undurchsichtige Kriterien dafür verantwortlich.
Jens Brandenburg (FDP): "Jetzt kommt es auf eine sehr schnelle Bearbeitung an"
"Es ist wichtig, dass mit diesem Instrument sehr kurzfristig Nothilfen zur Verfügung gestellt werden. Sie kommen ohnehin viele Monate zu spät. Die Krise ist ja seit März bereits auf dem Höhepunkt. Jetzt kommt es auf eine sehr schnelle Bearbeitung an und da sollte man sich nicht in Kleinigkeiten verstricken, sondern prüfen, besteht ein Bedarf, und wenn er besteht, sollte man die Hilfen auch zahlen."
Studierende können bis einschließlich August je nach Kontostand bis zu 500 Euro im Monat erhalten, wenn sie durch die Folgen der Corona-Pandemie in Not geraten sind. 100 Millionen Euro stehen dafür zur Verfügung. Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) sagte, sie wolle mit den Studierendenwerken klären, woran die Ablehnungszahlen liegen. Jens Brandenburg kritisiert auch, dass die Entscheidung je nach Bundesland anders ausfalle.
"Im Saarland beispielsweise werden zwei Drittel der Anträge abgelehnt, in Bremen nur sechs Prozent. Es darf keine Standortfrage sein, ob jemand einen Zuschuss bekommt oder nicht, da muss die Bundesregierung dringend nachbessern."
"Im Saarland beispielsweise werden zwei Drittel der Anträge abgelehnt, in Bremen nur sechs Prozent. Es darf keine Standortfrage sein, ob jemand einen Zuschuss bekommt oder nicht, da muss die Bundesregierung dringend nachbessern."
Finanzielle Not vieler Studierender sei nicht durch Corona verursacht
Studierendenvertretungen bemängeln schon länger, dass Anträge teils ohne erkennbare Gründe abgelehnt würden und sehen sich in ihren Warnungen bestätigt. Sie hatten Ministerin Karliczek zu Beginn der Krise aufgefordert, notleidenden Studierenden mithilfe des bereits bestehenden Bafög-Systems zu helfen, anstatt ein neues zu schaffen. Das hatte jene aber abgelehnt. Einen Grund für die Ablehnung von Nothilfe nannte Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks, das die Vergabe der sogenannten Überbrückungshilfe koordiniert: Die finanzielle Misere der Antragsteller sei häufig nicht erst durch Corona entstanden, sagt er.
"50 Prozent der Anträge, die abgelehnt werden, werden deshalb abgelehnt, weil die pandemiebedingte Notlage, die Fördervoraussetzung ist, nicht eingetreten ist. Das heißt, die Studierenden können nicht nachweisen, dass sie Einnahmeverluste durch Jobverlust haben oder durch den Wegfall der elterlichen Unterstützung oder durch Auftragswegfall aus Selbständigkeit. Sie haben tatsächlich wenig auf dem Konto, das ist erkennbar, aber damit ist die Fördervoraussetzung nicht erfüllt."
"50 Prozent der Anträge, die abgelehnt werden, werden deshalb abgelehnt, weil die pandemiebedingte Notlage, die Fördervoraussetzung ist, nicht eingetreten ist. Das heißt, die Studierenden können nicht nachweisen, dass sie Einnahmeverluste durch Jobverlust haben oder durch den Wegfall der elterlichen Unterstützung oder durch Auftragswegfall aus Selbständigkeit. Sie haben tatsächlich wenig auf dem Konto, das ist erkennbar, aber damit ist die Fördervoraussetzung nicht erfüllt."
Juso-Hochschulgruppe: Studierende aus Arbeiterfamilien seien benachteiligt
Kurz gesagt: den Betroffenen ging es schon vor Corona schlecht und das gilt nicht als Förderungsgrund. Die Überbrückungshilfe könne und solle, so hieß es aus dem Bildungsministerium, "nicht alle Probleme lösen, die Studierende möglicherweise im Rahmen ihrer Studienfinanzierung haben". Stattdessen sollten sie Bafög und vorübergehend zinslose KfW-Studienkredite nutzen. Achim Meyer auf der Heyde plädiert dafür, Bafög für mehr Studierende zugänglich zu machen. Die Juso-Hochschulgruppen erhoben in einer aktuellen Studie, dass 35 Prozent der von ihnen befragten Studierenden durch die Coronakrise ihren Job verloren hätten. Das beträfe in höherem Maße Studierende aus Arbeiterfamilien, sagt Charlotte Sonneborn aus dem Bundesvorstand der Juso-Hochschulgruppen.
"Das führt zu der fatalen Entwicklung, dass gerade vor allem Studierende aus weniger privilegierten Elternhäusern vor der Frage stehen, wie sie eigentlich ihr Studium noch weiterführen können oder ob sie sich verschulden müssen oder ob sie sich sogar exmatrikulieren müssen."
Sonneborn fordert, die Überbrückungshilfe aufzustocken und das Antragsverfahren zu vereinfachen.
"Das führt zu der fatalen Entwicklung, dass gerade vor allem Studierende aus weniger privilegierten Elternhäusern vor der Frage stehen, wie sie eigentlich ihr Studium noch weiterführen können oder ob sie sich verschulden müssen oder ob sie sich sogar exmatrikulieren müssen."
Sonneborn fordert, die Überbrückungshilfe aufzustocken und das Antragsverfahren zu vereinfachen.