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Überflieger im Einsatz

Mehrere Bundesländer verfügen mittlerweile über Polizeidrohnen. In Sachsen sollen sie ohne rechtliche Grundlage bei Demonstrationen und Fußballspielen eingesetzt worden sein. Das ruft Datenschützer auf den Plan. Sie kritisieren die umfassende Videoüberwachung.

Von Jennifer Stange und Peer Vorderwülbecke |
    Clara Bünger: "Am 19. Februar war ich in der Nähe vom Hauptbahnhof in Dresden demonstrieren, weil die Nazis sich am Hauptbahnhof versammelt haben und wir uns gegen Nachmittag auch zu einer Kundgebung dort versammelt haben. Während der Versammlung hat mich eine Person angetippt und gefragt: 'Ey was ist denn dort oben in der Luft?' Dann hab ich nach oben geguckt, wie viele andere auch zu dem Zeitpunkt und hab dort oben was fliegen sehen und hab mich gefragt, was das denn sei."

    Jürgen Scherf: "Der Sensocopter ist ein unbemanntes Luftfahrzeug. Es hat einen Durchmesser von circa einem Meter, es besitzt vier Rotoren aus Kohlefaser, die durch Motoren über Elektro angetrieben werden und natürlich – es fliegt."

    Clara Bünger: "Im ersten Moment habe ich gedacht, schießt das Ding oder filmt es?"

    Jürgen Scherf: "Wir haben einen Sensocopter der keine Waffe ist, der nicht im Kampfeinsatz ist"

    , erklärt Polizeisprecher Jürgen Scherf. Der Vorteil des Sensocopters liegt aus Sicht der Polizei Sachsen darin, dass er die "Lücke" zwischen den mobilen und stationären Kameras am Boden und den Foto- und Videoaufnahmen aus einem Polizeihubschrauber schließen kann. Eine Drohne kann und darf nämlich erheblich niedriger fliegen als ein Hubschrauber, für den über bewohntem Gebiet Mindesthöhen vorgeschrieben sind. Die Aufmerksamkeit, die ihr am 19. Februar 2011 durch die Behörden zuteilwurde, war der Leipziger Jurastudentin Clara Bünger eindeutig zu viel. Sie wollte an jenem Tag lediglich gegen einen der größten europäischen Naziaufmärsche in Dresden Gesicht zeigen:

    Clara Bünger: "Ich hab mich natürlich total bedroht gefühlt, von vorne die Polizisten mit den Helmen und der ganzen Montur, von der Seite die Polizisten von oben auch noch die Drohne, von vorne auch noch die Handkameras der Polizisten, die uns auch gefilmt haben. Dann hab ich im Nachhinein erfahren, dass auch noch mein Handy registriert wurde und das hat mich natürlich auch total geschockt, weil ich hab mich in der Situation eher wie ein Verbrecher gefühlt oder vielleicht sogar eher, wie der Nazi dann sich eigentlich fühlen sollte."

    Im Umfeld der Demonstration hatte die sächsische Polizei über eine Million Handyverkehrsdaten, 320.000 Rufnummern und die Bestandsdaten gespeichert, also Name, Adresse und Geburtstag von 55.000 Demonstranten und von Personen, die sich zufällig in der Nähe des Geschehens aufgehalten haben. Ebenso wie diese sogenannte Funkzellenabfrage kritisiert der sächsische Datenschutzbeauftragte Andreas Schurig auch die umfassende Videoüberwachung:

    "Ich denke, dass die abschreckende Wirkung von Videoaufnahmen kalkuliert ist."

    Dies ist grundsätzlich problematisch meint Schurig:

    "Denn es hindert möglicherweise den Bürger, der sein demokratisches Grundrecht auf Versammlungsbetätigung wahrnehmen will, daran sich politisch zu betätigen."

    Laut sächsischem Innenministerium wird die Drohne zur Einsatzführung unter anderem bei Veranstaltungen genutzt. Sie soll dokumentieren, überwachen und bei der Aufklärung helfen. Umstritten ist der Einsatz der Drohne vor allem dann, wenn Menschenmengen ins Visier geraten. Dazu meint der Polizeisprecher Scherf:

    "Der Sensocopter darf ohnehin nicht über Menschen fliegen. Das ist eine Voraussetzung bei uns, das ist sogar direkt eine Auflage, wir dürfen mit dem Sensocopter nicht direkt über Menschen fliegen."

    Augenzeugen, der sächsische Datenschutzbeauftragte und Eva Jähnigen, innenpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, bestätigen allerdings das Gegenteil:

    "Wir haben das abgefragt und erfahren, dass die Drohne sehr großzügig und durchaus unter Missachtung der Grundrechte bei Demonstrationen und Fußballspielen eingesetzt wurde."

    Das sächsische Innenministerium beruft sich beim Einsatz von Videoüberwachungsgeräten ganz allgemein auf die Vorschriften der Strafprozessordnung, des sächsischen Polizeigesetzes, des sächsischen Datenschutzgesetzes und des Versammlungsgesetzes. Ob mit oder ohne Drohne:

    "Wir haben ohnehin schon eine sehr umfassende Videoüberwachung von Demonstrationen."

    Deshalb hält Eva Jähnigen den Sensocopter für überflüssig. Polizeisprecher Scherf erwidert:

    "Er ist in erster Linie zur Einsatzführung gedacht. Damit der Einsatzführer sich buchstäblich ein Bild machen kann."

    Für diese sogenannten "Übersichtsaufnahmen" bei Demonstrationen fehlt in Sachsen allerdings die nötige rechtliche Grundlage, meint der sächsische Datenschutzbeauftragte Schurig, da es heute auch bei diesen Aufnahmen möglich sei, Personen einzeln zu erkennen:

    "Eine neue rechtliche Problematik ergibt sich dadurch, dass diese neue Überwachungstechnik immer besser wird und wir dadurch viel leichter personenbezogene Daten erheben können als früher, wo die Kamera eine Übersichtaufnahme dargeboten hat, aber man die Personen nicht erkannt hat. Jetzt ist das mit Zoomtechnik viel leichter und die Technik gibt das her."

    Auch das Bundesverfassungsgericht führt in einem Beschluss von 2009 aus, dass die Anfertigung von Übersichtaufnahmen nach heutigem Stand der Technik für den Aufgezeichneten immer ein Grundrechtseingriff bedeutet. Denn auch bei Übersichtsaufnahmen könnten Einzelpersonen individualisierbar erfasst werden. Aufnahmen von Einzelpersonen sind grundsätzlich ein Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, der nur unter ganz bestimmten rechtlichen Bedingungen erlaubt ist. Soweit die Theorie. In der Praxis ist die Bildüberwachung bei Demonstration durch die Polizei bundesweit allerdings Standard. Eine Drohne wurde aber bisher außer in Sachsen nur bei Demonstrationen in Niedersachsen eingesetzt. Andere Bundesländer, wie Hessen, Nordrhein-Westfalen und Berlin, die ebenfalls über Polizeidrohnen verfügen, schließen den Einsatz bei Menschenansammlungen, wie Demonstrationen und Fußballspielen kategorisch aus.