Es war eine bewegende und feierliche Veranstaltung. Der Französische Dom am Gendarmenmarkt war voll besetzt mit Gästen aus Namibia und aus den afrikanischen Communities in Deutschland, die namibische Kulturministerin und viele traditionelle Chiefs der Ovaherero und Namas waren gekommen, um die Gebeine ihrer Ahnen in Empfang zu nehmen.
Am Vorabend hatte es bereits eine rituelle Totenwache nach altem spirituellem Brauch der betroffenen Volksgruppen gegeben. Heute nun der Gedenkgottesdienst, gemeinsam abgehalten von der Auslandsbischöfin der EKD, Petra Bosse-Huber und dem Oberhaupt der namibischen lutherischen Kirche, Bischof Ernst Gamxamub. Bischöfin Bosse-Huber bekannte sich ausdrücklich auch zur Schuld der Missionare und der Kirche an dem grausamen Unrecht und bat die Nachfahren der Opfer um Vergebung.
"Ihr tiefsetzender Rassismus vergiftete ihr Reden und Handeln"
"Zwar haben nach allem, was wir wissen, Geistliche nicht selbst direkt zur Massentötung aufgerufen. Aber ihr tiefsetzender Rassismus vergiftete ihr Reden und ihr Handeln. Er war gespeist aus einem kulturellen Überlegenheitsgefühl, und eine tiefgegründeten Angst um die eigene möglicherweise gefährdete Identität verfälschte ihr theologisches Urteilsvermögen, ihr Denken und ihr praktisches Tun."
Der Gottesdienst war lange vorbereitet worden im Rahmen der Verhandlungen zur Aufarbeitung des Völkermords, die beide Regierung seit nunmehr drei Jahren führen. Und im Gegensatz zu früheren Rückgaben von Gebeinen, die in der nüchternen Atmosphäre der Charité stattfanden, war diese Zeremonie ein Meilenstein im Prozess der Aufarbeitung deutscher kolonialer Schuld. Zwei Schädel waren vor dem Altar aufgebahrt, die restlichen von der namibischen Fahne bedeckt, die US-amerikanische Jazz-Sängerin Jocelyn B. Smith sang stimmungsvolle Spirituals.
Vier traditionelle Oberhäupter der Ovaherero und Namas ergriffen das Wort, meist in vollem Ornat und mit farbenfrohem Gefolge, sprachen von Gräueltaten und Erhoffnung auf Versöhnung. Nach dem Ende des Gottesdienstes wurden die Schädel von der Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Michelle Müntefering, feierlich an die namibische Kulturministerin übergeben. Und ja, sie fielen, die für viele Nachfahren der Opfer so entscheidenden Worte aus dem Munde einer deutschen Politikerin:
"Ich verbeuge mich in tiefer Trauer. Das schreckliche Unrecht, dass unsere Vorfahren begangen haben, kann ich nicht rückgängig machen. Doch ich bitte Sie, aus tiefstem Herzen um Verzeihung."
Ein aufrichtiges Bekenntnis, aber vielen wird das nicht reichen. Denn es ist noch nicht die Entschuldigung eines hochrangigen Repräsentanten Deutschlands. Dass diese kommen wird, darüber gibt es Einvernehmen zwischen beiden Regierungen. Doch die namibische Seite will eine Paketlösung:
Keine Entschuldigung ohne Anerkennung des Völkermords und vor allem nicht ohne angemessene Reparationen für das Leid und vor allem für das Land, das die Deutschen den Herero und Nama abnahmen, und das bis heute im Besitz deutschstämmiger Farmer ist. Darüber wird seit drei Jahren zwischen beiden Regierungen verhandelt.
Bundesregierung habe die Verantwortung für die Übergabe abgegeben
Unter den traditionellen Führern bekam als erster Vekuii Rukoro das Wort, der Paramount-Chief der Herero und einer der schärfsten Kritiker der Regierungsverhandlungen.
"Völkermord! So nennen wir das zu Hause!" rief der in roter Uniform erschienene Rukoro und kritisierte, die Bundesregierung habe der Kirche mit der Organisation der Zeremonie die Verantwortung für die Übergabe zugeschoben. "Als gäbe es kein anderes würdiges Gebäude in ganz Berlin, das 450 Menschen aufnehmen kann. Warum die Verantwortung an den Komplizen abschieben?"
Dennoch werden die Zeremonie und die Worte von Michelle Müntefering in Namibia ihre Wirkung nicht verfehlen. Gemeinsam mit Ruprecht Polenz, dem deutschen Verhandlungsführer mit Namibia, wird die SPD-Politikerin die Gebeine nach Namibia begleiten und dort an einem Staatsakt zu ihrem Empfang teilnehmen.
Auch das hat es bislang bei keiner Übergabe von Gebeinen der Opfer gegeben. Und es wird nicht die Letzte gewesen sein: Noch immer lagern Tausende von Schädeln aus Afrika in deutschen Museen und Sammlungen.