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Übergangsphase Brexit
Das Kanada-Modell und das Königreich

Das CETA-Abkommen mit Kanada könnte bei einem künftigen Handelspakt zwischen der EU und Großbritannien Pate stehen. Doch das hätte für das Königreich eine ganze Reihe von Nachteilen. Brexit Minister David Davis will daher lieber ein Handelsabkommen nach Maß - ein sogenanntes "Kanada Plus Plus Plus".

Von Friedbert Meurer |
    Die Chefunterhändler der EU und Großbritanniens für den Brexit, Michel Barnier (rechts) und David Davis, in Brüssel
    Die Chefunterhändler der EU und Großbritanniens für den Brexit, Michel Barnier (rechts) und David Davis, in Brüssel (AFP / Emmanuel Dunand)
    Die Verschnaufpause währte nur kurz. Schon jetzt im Januar wird zwischen London und Brüssel weiter verhandelt. An den Austritt aus der EU - formal am 30. März 2019 - soll eine zwei Jahre lange Übergangsperiode folgen. Damit wird Zeit gewonnen und es kommt nicht zu einem abrupten Wechsel. Selbst Brexiteers wie Nadine Dorries von den Tories, die eigentlich lieber heute als morgen aus der EU herauswollen, akzeptieren die Idee einer Übergangsphase.
    "Die meisten vernünftigen Menschen können das akzeptieren. Was wir aber nicht wollen, ist, dass der Brexit ewig vor sich hergeschoben wird und dann eigentlich niemals eintritt."
    Während der Übergangsphase wird wohl vieles beim alten bleiben, als wäre Großbritannien dann doch noch weiter in der EU. Formal will Großbritannien schon von Beginn der Übergangsperiode an nicht mehr im Binnenmarkt und in der Zollunion sein. Die EU besteht aber darauf, dass London sich in dieser Phase an alle Regeln der EU halten muss. Faktisch läuft es damit darauf hinaus, dass London wie früher Beiträge zahlen wird, aber nicht mehr mitreden darf.
    Wenn die Details der Übergangszeit geklärt sind, soll ab März 2018 endlich über das künftige grundsätzliche Verhältnis des Vereinigten Königreichs zur EU verhandelt werden.
    "Wir wollen mit der EU einen Freihandelsvertrag abschließen", erklärte Theresa May im Unterhaus. "Wir wollen aber auch Freihandelsverträge mit Drittländern auf der ganzen Welt abschließen. Freihandel bedeutet Wachstum und Arbeitsplätze und eine sichere Zukunft für uns."
    Kanada oder Norwegen Modell?
    Die EU bietet London zwei Modelle an: Norwegen, das zwar nicht der EU angehört, aber am Binnenmarkt teilnimmt, Beiträge dafür bezahlt und die Freizügigkeit von Arbeitnehmern akzeptiert. Das lehnt London klar ab. Bleibt also nur die zweite Alternative, das Modell Kanada, der Freihandelsvertrag CETA mit der EU. Das Modell hat aber einen gravierenden Haken, wendet Anand Menon vom Think Tank "UK in a Changing Europe" ein.
    "Das Probleme eines Kanada-Deals ist: Wir haben einen großen Handelsüberschuss mit der EU bei Dienstleistungen, und ein Minus bei Gütern. CETA schließt Dienstleistungen aber weit überwiegend nicht ein. Das stellt uns vor eine schwierige Entscheidung".
    EU-Unterhändler Michel Barnier pocht auch darauf, das Modell Kanada umfasse nun einmal nicht Dienstleistungen. Das ist für London mit seiner finanzstarken City natürlich inakzeptabel. Man will "Kanada Plus Plus Plus", so Brexit-Minister David Davis wörtlich. Also werden beide Seiten jahrelange Verhandlungen führen müssen - mit hoher Sicherheit über 2019 hinaus -, wie denn ein Modell "Kanada Plus Plus Plus" zugeschnitten auf Großbritannien aussehen kann.
    "Ich akzeptiere jetzt, dass wir die EU verlassen", bekundete zuletzt Ken Clarke, einer der Anführer der Pro-EU-Rebellen bei den Tories. "Ich will aber nicht, dass wir Zölle zwischen uns und der EU einführen, dass vor den Grenzübergängen neue LKW-Parkflächen gebaut werden müssen. Ich will auch keine zwei Standards, wie laut ein Staubsauger sein darf. Das war mit dem Brexit-Referendum nicht gemeint."
    Es gibt viele Stolpersteine auf dem Weg zu einem Freihandelsabkommen. Dass der Brexit aber bis zum 30. März 2019 noch verhindert werden kann, diese Hoffnung hat nicht nur ein Urgestein wie Kenneth Clarke aufgegeben.