Steigende Energiekosten
Mit Übergewinnsteuer durch die Energiekrise?

Die Energiepreise steigen - deshalb mehren sich die Stimmen, die eine Übergewinnsteuer für Mineralölkonzerne und andere Unternehmen fordern, die überproportional von der Krise profitieren. Kritiker warnen vor unvorhersehbaren Folgen. Ein Überblick.

15.08.2022
    Sonnenaufgang in Moers - Stahlwerk von Thyssen-Krupp in Duisburg auf und ein Schiff fährt über den Rhein.
    Auf Unternehmen und Bürger dürften ab Herbst starke Preissprünge bei den Energiekosten zukommen (picture alliance/dpa / Jonas Güttler)
    Wer in und von der Energiekrise profitiert, soll auch mehr Steuern zahlen. Das fordern immer mehr Politikerinnen und Politiker – insbesondere im Hinblick auf die Mineralölkonzerne. Die Diskussion war bereits Anfang Juni entbrannt, als der Eindruck entstand, dass viele Unternehmen den sogenannten Tankrabatt nicht an die Kunden weitergaben. 
    Angesichts der prognostizierten massiv steigenden Preise für Gas im Herbst fordern nun weitere Stimmen, eine "Gewinnsteuer" zur Entlastung von Menschen zu nutzen, die besonders von der Energiekrise betroffen sind. Einige Unternehmen haben in der aktuellen Kriegs- und Krisensituation ihre Umsätze und Gewinne massiv steigern können. Doch ob sie deshalb auch stärker an den Kosten der Krise beteiligt werden sollen und dürfen, ist umstritten.

    Um was geht es bei der Debatte um eine Übergewinnsteuer?

    Seit Monaten kennen die Energiepreise fast nur eine Richtung: nach oben. Das wird für Verbraucher zunehmend zum Problem – vor allem für Menschen und Familien mit niedrigen Einkünften. Mit verschiedenen Maßnahmen versucht die Regierung die Bürger zu entlasten, zuerst mit dem seit 1. Juni geltenden sogenannten Tankrabatt, einer Steuersenkung auf Benzin- und Dieselkraftstoff. Um den gestiegenen Gaspreisen entgegenzuwirken, zahlt die Bundesregierung nun im Herbst eine Energiepauschale in Höhe von 300 Euro an alle einkommensteuerpflichtigen Erwerbstätigen. Zusätzlich kommt auch ein Heizkostenzuschuss, für einkommensschwache Haushalte. Auch an anderer Stelle musste der Staat bereits in die Kasse greifen - wie zum Beispiel bei der Rettung des strauchelnden Energieversorgers Uniper. 
    Während also die Staatsausgaben steigen, profitieren Mineralölkonzerne mit am stärksten von der durch die Corona-Pandemie und den Krieg in der Ukraine befeuerten Energiekrise. So steigerte etwa das Unternehmen Saudi Aramco seinen Nettogewinn im ersten Quartal dieses Jahres um 82 Prozent. 
    Mehrere Politiker aus Reihen der SPD und Grünen wollen die Krisengewinnler deshalb stärker an den Krisenkosten beteiligen. In einigen europäischen Ländern gibt es dazu schon konkrete Pläne.
    In Spanien gilt bereits seit Oktober 2021 eine Sonderabgabe für Energieunternehmen. Italien hatte eine solche Sondersteuer im März eingeführt. Hier fällt eine Abgabe für Unternehmen des Energiesektors an: Die "außerordentliche Solidaritätsabgabe" wird - Stand jetzt - einmalig in diesem Jahr erhoben. Der Umfang soll sich auf zehn Prozent der zusätzlich eingefahrene Gewinne belaufen. In Großbritannien will Finanzminister Rishi Sunak mit einer Ende Mai vorgestellten „Windfall Tax“ rund fünf Milliarden Pfund (rund 5,9 Milliarden Euro) in die Kassen spülen und auch in Ungarn soll es in diesem und im nächsten Jahr eine Sondersteuer auf Zusatzgewinne durch vom Krieg in der Ukraine verursachte Preiserhöhungen geben.

    Was genau sind Übergewinne?

    Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages definiert damit Gewinne, die über einen "Normalgewinn" hinausgehen. Was als "Normal"- und was als "Über"-Gewinn gelten soll, kann dabei verschieden berechnet werden, wie der wissenschaftliche Dienst im März 2021 anlässlich der Auswirkungen der Corona-Pandemie erklärte. Meist werden Vergleichszeiträume aus Vorkrisen- oder Friedenszeiten herangezogen und dann Renditen definiert, die in diesen Zeiten üblich waren.
    SPD-Vorstandsmitglied und Ökonom Gustav Horn nannte im Deutschlandfunk zwei Kriterien, die Übergewinne kennzeichnen: Demnach müsse es sich um Spekulationsgewinne handeln, die nicht auf einer konkreten Leistung beruhten. Sonst müssten zum Beispiel auch die Gewinne des Pharmaunternehmens Biontech extra besteuert werden, obwohl die Firma mit der Erfindung ihres Corona-Impfstoffs "Comirnaty" zu einer deutlichen Abmilderung von Erkrankungen in der Corona-Pandemie geführt hat. Ein weiteres Merkmal von Übergewinnen sei, dass sie durch das Ausnutzen von Umbruch- oder Krisenphasen entstehen.
    Historische Beispiele für eine Übergewinnsteuer gibt es einige: Beispielsweise wurde während der beiden Weltkriege in den USA eine solche Steuer erhoben, aber auch in Großbritannien und Frankreich. Verfolgt wurde damit meist das Ziel, den außergewöhnlich hohen Finanzbedarf des Staates zu decken - aber auch, Gewinne bestimmter Branchen abzuschöpfen, "die entweder aufgrund oder während der Kriege erwirtschaftet wurden und daher als ungerecht empfunden wurden", wie es beim wissenschaftlichen Dienst der Bundesregierung heißt.

    Welche politischen Positionen gibt es?

    Nach der Links-Partei haben auch Vertreter von SPD und Grünen die Einführung einer Übergewinnsteuer gefordert. Schon im Juni forderte SPD-Chef Lars Klingbeil „Krisen- und Kriegsgewinner“ stärker besteuern. Es könne nicht sein, dass sich die Mineralölkonzerne „in der Krise die Taschen noch voller machen“, so Klingbeil. 
    Auch Grünen-Chefin Ricarda Lang sprach sich im „Tagessspiegel“ für eine Übergewinnsteuer aus: "Einige wenige profitieren, während ganz viele mittelständische Unternehmen unter den hohen Energiepreisen leiden und sich fragen, wie sie durch das nächste Jahr kommen sollen. Die Übergewinnsteuer wäre da ein logischer Schritt." Nach Ansicht der Grünen-Haushaltspolitikerin Paula Piechotta könne eine Übergewinnsteuer "ausgleichend wirken, wenn wenige auf Kosten aller immense Gewinne einstreichen, ohne dass sie einen Mehrwert geschaffen haben."
    Aber auch in der Union gibt es Stimmen, die sich für seine solche Abgabe ausgesprechen, etwa Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU).
    Das Bundesland Bremen plante bereits eine entsprechende Gesetzesinitiative. Allerdings ist Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) mit dem gemeinsamen Antrag von Bremen, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen im Bundesrat im Juli gescheitert. 
    Der Antrag sah vor, Übergewinne von Konzernen in Krisen- und Kriegszeiten mit einer einmaligen Sonderabgabe zu belegen. Angesichts der Gasumlage hat Bovenschulte im Dlf seine Forderung nach einer Übergewinnsteuer erneuert. Mit der nun anstehenden Gasumlage kommen massive Belastungen auf die Bürger zu, sagt er. Der Staat stehe nun in der Pflicht, mittleren und ärmere Einkommen zu entlasten. Dafür sei es nötig, "Zufallsgewinne" von Energiekonzernen "abzuschöpfen". 
    Nach den Vorstellungen von Bovenschulte soll erst Ende des Jahres festgelegt werden, welche Firmen genau die Zusatzsteuer bezahlen sollen. Dann erst sei klar, wer profitiert habe.
    In der Regierungskoalition wird eine Übergewinnsteuer aber mehr als schwierig. Vor allem die FDP hat schon früh klargemacht, dass sie gegen eine solche Abgabe ist. Der FDP-Vorsitzende und Finanzminister Christian Lindner warnte davor, dass eine solche zusätzliche Steuerbelastung von den Unternehmen eingepreist würde und damit letztlich das Gegenteil des Gewünschten erreicht werde – nämlich eine „unkontrollierte Inflationsspirale“.
    Er könne im Übrigen auch „nicht bestätigen“, dass es „Übergewinne überhaupt gibt“. Es lägen keine Zahlen zur Gewinnsituation in der Mineralölindustrie vor. Es gebe „Vermutungen“ – aber die gebe es auch in der Impfstoffproduktion und im Bereich der Erneuerbaren, sagte der FDP-Chef. Zudem machte er rechtliche Bedenken gegen eine „willkürliche Steuererhöhung für eine einzelne Branche“ geltend. Auch FDP-Politiker Lukas Köhler sprach sich im Deutschlandfunk gegen eine Übergewinnsteuer für Mineralölkonzerne aus. Dies sei ein zu deutlicher Eingriff in den Markt und beschränke den Investitionsspielraum für zukünftige Projekte, die die Firmen im Zuge der Energiewende brauchen.
    Rückendeckung bekommt die FDP aus der Wirtschaft. So nannte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Bundesverband der Deutschen Industrie, Holger Lösch, eine Übergewinnsteuer "populistisch und pauschal". Wenn man damit anfange jeden Gewinn zu prüfen, dann bringe das das Konzept der Marktwirtschaft aus den Fugen. 

    Was sagen Wirtschaftsexperten?

    Der Ökonom Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) plädiert wie Politiker von SPD und Grünen für eine Übergewinnsteuer. "Diese könnte auf die zusätzlichen Umsätze im Vergleich zu 2021 erhoben werden und eine 50-prozentige Steuer auf zusätzliche Gewinne beinhalten", sagte der DIW-Präsident der Deutschen Presse-Agentur. So würden Mineralölkonzerne immer noch ordentliche Gewinne machen, aber auch der Staat und damit die Steuerzahler an diesen leistungslosen Gewinnen beteiligt werden, argumentierte Fratzscher.
    Andere Ökonomen warnten dagegen vor einer Übergewinnsteuer. Der frühere Chef der Wirtschaftsweisen, Lars Feld, nannte die Diskussion "populistisch". "Sie dürfte kaum verfassungsgemäß sein. Ökonomisch wird man zudem fragen müssen, ob der Staat dann zukünftig übermäßige Verluste ausgleichen muss", sagte der Wirtschaftsberater von Bundesfinanzminister Lindner der "Rheinischen Post".
    Auch die Wirtschaftsweise Veronika Grimm kritisierte die Debatte: "Die Übergewinnsteuer dürfte letztendlich mehr schaden als nützen", sagte sie der "Rheinischen Post". Sie führte unter anderem an, dass es keine klare Definition gäbe, was ein Übergewinn genau ist. Zudem sei die Gefahr groß, dass man auch Unternehmen besteuere, die mit ihren Aktivitäten zur Bewältigung der Krisen beigetragen hätten, so das Mitglied im Wirtschafts-Sachverständigenrat der Bundesregierung.

    Wie groß sind die Chancen, dass eine Übergewinnsteuer kommt?

    Die EU-Kommission hat grundsätzliches grünes Licht für eine Übergewinnbesteuerung erteilt, wenn dadurch Marktverzerrungen vermieden werden können. Es gibt in Deutschland aber verfassungsrechtliche Hürden, die zunächst überwunden werden müssten. Die größten Hürden liegen aber wohl bei der Regierungskoalition, die mit ihren Positionen sehr weit voneinander entfernt ist.
    Quellen: Gudula Geuther, dpa, Reuters, AFP, al, nm