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Übergriffe in Köln
Drei Verdächtige, hundert Anzeigen und viele Fragen

Nach den Übergriffen in der Kölner Silvesternacht hat die Polizei drei Verdächtige ermittelt. Gleichzeitig zeigt sich, dass viel mehr Frauen sexuell belästigt wurden als bisher angenommen. Doch ansonsten bleibt weiter vieles im Dunkeln. Der Druck auf den Kölner Polizeipräsidenten und NRW-Innenminister Ralf Jäger wächst.

Von Moritz Küpper |
    Blick auf das Gebäude des Kölner Hauptbahnhofs.
    Nach den Übergriffen am Kölner Hauptbahnhof gibt es weiter wenige Erkenntnisse. (dpa / picture alliance / Maja Hitij)
    Auch knapp eine Woche nach den massiven Übergriffen auf Frauen in der Kölner Silvesternacht, ist die Lage noch recht unklar. Trotz einer ersten Meldung, die Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger verkünden konnte: "Wir haben drei Tatverdächtige ermittelt. Näheres kann ich zu diesen Tatverdächtigen noch nicht sagen, weil es noch keine Festnahmen gegeben hat."
    Drei Viertel der Opfer berichten von sexuellen Übergriffen
    Die Zahl der Anzeigen, die bei der Kölner Polizei vor allem wegen Diebstahl und Raub eingegangen sind, hat mittlerweile die Zahl von einhundert überschritten. Tendenz weiter steigend. In den Vernehmungen der gebildeten Sonderkommission stellte sich zudem heraus, so eine Polizei-Sprecherin, dass der Anteil an sexuellen Übergriffen deutlich höher sei als ursprünglich angegeben: Inzwischen berichten drei Viertel der Opfer von solchen Vorfällen.
    Bis zum Ende der Woche erwartet NRW-Innenminister Jäger nun einen Bericht: "Die Polizei in Köln muss jetzt alles, was an Informationen, Hinweisen und Videomaterial zur Verfügung steht, konsequent auswerten. Manchmal braucht der Rechtsstaat Zeit. Diese Zeit muss man ihm geben, damit hieb- und stichfeste Beweise vor Gericht vorgelegt werden können, und ich erwarte, dass diese Arbeit in Köln nun akribisch durchgeführt wird." Dafür solle, so ein Bericht der "Rheinischen Post", die Ermittlungsgruppe der Polizei auf 80 Mitarbeiter aufgestockt werden.
    NRW-CDU fordert Rücktritt des Polizeipräsidenten
    Doch ungeachtet dieser Aktivitäten ist die Diskussion um die Arbeit der Kölner Polizisten bereits im vollen Gange. "Es darf keine rechtsfreien Räume, keine No-Go-Areas geben", forderte beispielsweise Armin Laschet, CDU-Oppositionsführer im Düsseldorfer Landtag. Laschet erinnerte an die Vorfälle aus dem Herbst 2014, bei denen – ebenfalls am Kölner Hauptbahnhof – eine Demonstration von 5000 Menschen unter dem Namen "Hooligans gegen Salafisten" eskalierte. Und obwohl Kölns Polizeipräsident Wolfgang Albers selbst einen Rücktritt nach den Vorfällen aus der Silvesternacht ausschloss, ist für Laschet eine Neubesetzung der Polizeiführung in Domstadt längst überfällig:
    "Mein Vertrauen in den Polizeipräsidenten ist schon nach der Hooligan-Demonstration, die man ebenfalls unterschätzt hat, erschüttert gewesen. Herr Jäger hat heute gesagt, er vertraut ihm, so dass es ab heute ein Problem von Herrn Jäger ist, wenn weitere Vorfälle passieren."
    Für den kommenden Montag hat die CDU-Landtagsfraktion in NRW, gemeinsam mit der FDP, daher auch eine Sondersitzung des Innenausschusses beantragt. Zuvor hatte Laschets Parteikollege, Bundesinnenminister Thomas de Maiziere, die Arbeit der Kölner Polizisten bereits harsch kritisiert. In den ARD-Tagesthemen sagte er: "Es kann ja nicht sein, dass folgendes passiert: Hier wird der Vorplatz geräumt. Und später finden diese Ereignisse statt und man wartet auf Anzeigen. So kann Polizei nicht arbeiten."
    NRWs Innenminister Jäger wies diese Kritik allerdings zurück: "Öffentlich Polizei-Einsätze zu kritisieren, wo sie zum Teil in der eigenen Zuständigkeit stattgefunden haben bei Herrn de Maizière, ist ein schlechter Stil. Das habe ich ihm auch schon persönlich gesagt." Und auch Bundesjustizminister Heiko Maas nahm die Polizisten in Schutz und warnte in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vor "vorschnellen Schuldzuweisungen".
    Rekers "Armlängen"-Tipp sorgt für Empörung
    Schwerer Kritik sah sich – neben der Kölner Polizei – auch Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker ausgesetzt – vor allem in den sozialen Netzwerken. "Es ist immer eine Möglichkeit, eine gewisse Distanz zu halten, die weiter als eine Armlänge betrifft", hatte sie im Laufe ihrer Pressekonferenz auf die Frage geantwortet, wie man sich als Frau besser schützen könne.
    Sie verdrehe Täter und Opfer, hieß es unter anderem.
    Reker stellte nun per Pressemitteilung klar, dies sei nur ein Aspekt der Prävention. Wenn das missverständlich übergekommen sei, so bedauere sie das.