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Übergriffe in Köln
"Jäger ist eine Gefahr für die innere Sicherheit"

Nach den Übergriffen in der Kölner Silvesternacht hält der Oppositionsführer im nordrhein-westfälischen Landtag, Armin Laschet (CDU), Innenminister Ralf Jäger (SPD) für nicht mehr tragbar. "Jäger ist eine Gefahr für die innere Sicherheit", sagte der CDU-Landesvorsitzende im DLF. Jäger hatte gestern im Innenausschuss die Arbeit der Polizei scharf kritisiert, eine eigene Verantwortung für die Eskalation der Lage aber zurückgewiesen.

Armin Laschet im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Der nordrhein-westfälische CDU-Fraktionsvorsitzende Armin Laschet im Landtag
    Der nordrhein-westfälische CDU-Fraktionsvorsitzende Armin Laschet (picture alliance/dpa/Roland Weihrauch)
    "Jäger zeigt ein erschreckendes Amtsverständnis", sagte Laschet im Deutschlandfunk. Als Innenminister sei der SPD-Politiker oberster Dienstherr aller Polizisten; also müsse er seine Polizei so organisieren, dass es nicht zu solchen Missständen komme.
    Auch was die Kommunikationsarbeit angeht, hat der Innenminister Laschet zufolge schwere Fehler gemacht. Jäger sei direkt nach Silvester von der Polizei über die Probleme rund um den Hauptbahnhof informiert worden. Er habe aber weder die Ministerpräsidentin noch die Öffentlichkeit darüber informiert.
    Mit Blick auf die innere Sicherheit warf der CDU-Fraktionsvorsitzende der gesamten rot-grünen Regierung Versäumnisse vor. Nordrhein-Westfalen habe sich zu einer "Wohlfühlzone" für Salafisten entwickelt. Als weitere Beispiele nannte Laschet Einbruchserien und die Hooligan-Demonstration in Köln vor einem Jahr.

    Das Interview in voller Länge
    Dirk-Oliver Heckmann: Was folgt aus den massenhaften Übergriffen in der Silvesternacht in Köln, die nach Angaben von NRW-Innenminister Jäger fast ausschließlich von männlichen Migranten verübt worden sind? Die Koalitionspartner in Berlin, CDU, CSU und SPD, betonen zwar, nicht in einen Überbietungswettbewerb eintreten zu wollen. An Vorschlägen und Vorstößen allerdings ist auch kein Mangel.
    Alle Augen, die richteten sich ja gestern Richtung Düsseldorf. Vor dem Innenausschuss des Landtages von NRW, da stattete Innenminister Jäger einen Bericht ab über die Vorgänge in der Silvesternacht. Ergebnis: Die Kölner Polizei unter dem bereits geschassten Polizeipräsidenten Albers habe ein nicht akzeptables Bild abgegeben. Angebotene Verstärkung sei nicht abgerufen worden. Auch die Informationspolitik kritisierte Jäger scharf. Politische Verantwortung bei sich selbst sieht er allerdings nicht, wie er im ZDF "Heute Journal" gestern Abend noch einmal betonte:
    "Es gibt natürlich immer eine politische Verantwortung. Die ist immer im Ministerium, die ist beim Minister selbst. Aber die operativen Fehler eines Polizeiführers müssen benannt werden und die müssen zukünftig abgestellt werden."
    Soweit Ralf Jäger, NRW-Innenminister. - Am Telefon begrüße ich dazu Armin Laschet von der CDU, Oppositionsführer in Düsseldorf. Schönen guten Morgen, Herr Laschet.
    Armin Laschet: Guten Morgen.
    Heckmann: Herr Laschet, Sie halten Ralf Jäger für eine Gefahr für die innere Sicherheit. Das haben Sie gestern der "Bild"-Zeitung gesagt. Direkt gefragt: Kann eine Gefahr für die innere Sicherheit Innenminister bleiben?
    Laschet: Er hat zunächst mal ein inakzeptables Bild gestern abgegeben, um mal in seiner Sprache zu sprechen, denn er hat einen Vergleich gezogen und gesagt, der Gesundheitsminister ist ja auch nicht verantwortlich, wenn irgendwo eine Blinddarmoperation misslingt. Und das zeigt für mich erschreckend ein Amtsverständnis, dass er gar nicht weiß, was Innenminister bedeutet. Der Innenminister ist der Dienstherr aller Polizeibeamten, der oberste Dienstherr. Das ist nicht wie ein Gesundheitsminister im Verhältnis zu einem Arzt, und insofern muss er seine Polizei so organisieren, dass es zu solchen Missständen, die er ja drastisch beschrieben hat, nicht kommt. Deshalb verwundert mich das sehr. Wir werden heute in den Fraktionen darüber beraten, wie wir weiter vorgehen.
    Denn ein Innenminister, der sagt, für die Polizei vor Ort, für alles, was schiefläuft, bin ich nie verantwortlich, denn die sind immer selbst nur operativ tätig, der ist in der Tat eine Gefahr für die innere Sicherheit, und da muss sich die Ministerpräsidentin Kraft überlegen, kann sie mit dem die innere Sicherheit gewährleisten. Wir haben schon lange daran unsere Zweifel.
    Heckmann: Die Ministerpräsidentin Kraft muss sich das überlegen. Sie haben Ihre Zweifel. Was ist denn Ihre Meinung? Schließen Sie sich denn der Rücktrittsforderung von Generalsekretär Tauber von der CDU an oder nicht?
    Laschet: Herr Tauber hat nicht den Rücktritt gefordert. Ich habe die "Rheinische Post" gelesen, die das immer gerne etwas zuspitzt.
    Heckmann: Er hat ihn nahegelegt.
    Laschet: Sie hat daran erinnert, wie der Innenminister Jäger als Oppositionspolitiker agiert hat. Er hat mindestens sechs-, siebenmal den Rücktritt der damaligen Justizministerin gefordert. Wenn irgendwo in einem Gefängnis jemand ausgebrochen war, hat er gesagt, jetzt muss die Ministerin zurücktreten. Wenn in irgendeiner etwas schiefgelaufen war - wir hatten mehrere solcher Fälle -, hat er immer gleich gerufen, die Ministerin muss zurücktreten. Und man fragt sich ja auch: Hat eigentlich ein Mensch, auch ein Politiker Ansprüche an sich selbst? Gilt das, was man von anderen verlangt, auch für einen selbst? Und da hat Peter Tauber gesagt, wenn er da konsequent wäre, dann könnte er nicht mehr im Amt bleiben. Ich halte nicht so viel davon, wenn Politiker dauernd Rücktritte fordern.
    "Wir haben eine Wohlfühlzone für Salafisten"
    Heckmann: Aber Sie sagen doch, er ist eine Gefahr für die innere Sicherheit. Wie soll er denn dann im Amt bleiben?
    Laschet: Aber Entschuldigung! Die ganze Regierung ist eine Gefahr für die innere Sicherheit. Diesen Vorgang erleben wir seit langer Zeit. Wir haben die höchsten Einbruchsdiebstähle in ganz Deutschland. Wir haben eine Wohlfühlzone für Salafisten. Wir haben jetzt diesen Fall in Recklinghausen, wo ein potenzieller IS-Sympathisant einfach abtaucht und dann in Paris Gewalttaten ausübt. Wir hatten die rechte Hooligan-Demonstration in Köln vor einem Jahr, wo alles schiefgelaufen ist. Das sind Anlässe genug, dass man sagt, ihr müsst den Kurs ändern, und zu einer Kursänderung wird auch ein neuer Innenminister gehören. Aber wir sind Opposition! Wenn Frau Kraft das alles so toll findet und Herrn Jäger so toll findet, dann sind die Möglichkeiten der Opposition relativ begrenzt.
    "Versagen liegt beim NRW-Innenminister Jäger"
    Heckmann: Sie sind Opposition. Sie sind Oppositionsführer sogar in Düsseldorf, Herr Laschet. Aber machen Sie sich das nicht doch ein bisschen zu einfach, zu sagen, die Regierung, die hat da alles falsch gemacht? Denn es scheint doch klar zu sein, die Fehler, die lagen in wirklich erster Linie bei der Kölner Polizei. Unter anderem hat sie es versäumt, Verstärkung anzufordern, obwohl diese Verstärkung angeboten worden sein soll.
    Laschet: Zunächst hat die Kölner Polizei mehr Einsatzkräfte eingefordert, als sie vom Düsseldorfer Innenministerium bekommen hat. Das war vor dem Silvestertag. Die Kölner Polizei hatte ein Lagebild und hat gesagt, wir brauchen mehr Einsatzkräfte. Man hat ihr weniger bewilligt. Dann ist in der Nacht - den Vorgang müssen wir noch aufklären - möglicherweise gesagt worden, da wollen wir auch Polizeiführer aus Köln noch im Ausschuss zu hören, wir brauchen nicht mehr Kräfte. Ja, das war dann ein Fehler. Aber der Fehler ging ja dann noch weiter! Die Polizei hat aus Köln dem Innenminister noch in der Silvesternacht die gesamten Ereignisse geschildert und was da abgelaufen ist in Köln. Dann hat sie der Presse am Neujahrsmorgen gesagt, es war alles friedlich und wunderbar, und weder am Neujahrstag, noch am 2. Januar, noch am 3. Januar hat Herr Jäger, der mehr wusste, hat auch nicht die Ministerpräsidentin die Öffentlichkeit unterrichtet, und erst Medien haben ja dann aufgedeckt, was in Köln wirklich passiert ist. Die Frauen haben sich selbst zu Wort gemeldet. In diesen Tagen liegt das Versagen nicht bei der Kölner Polizei, sondern bei einem Innenminister, der alles wusste und die Dinge hat laufen lassen.
    Heckmann: Jäger hat ja gestern ganz eindeutig gesagt, es gibt keine Anweisung aus meinem Haus, die Nationalität der Tatverdächtigen zu verschweigen. Im Gegenteil: Er habe sogar darauf gedrängt, dass diese Information auch an die Presse gegeben wird. Glauben Sie ihm diese Versicherung?
    Laschet: Da müssen Sie einmal mit Polizeibeamten sprechen, mit der Gewerkschaft der Polizei sprechen, die genau weiß, was ist der politische Wille. Das wird nicht in eine Direktive geschrieben. Das hat übrigens Herr Prantl gestern Abend auch in der ARD deutlich gemacht. Die haben ein Gespür, ich soll manches nicht aufschreiben, und dieses Klima hat auch der Innenminister Jäger systematisch erzeugt. Es gibt jetzt noch einen Streit über Fragebögen, wo man ankreuzen soll, welcher Herkunft der Täter ist. Auch das ist noch eine Frage, die wir aufklären müssen.
    Heckmann: Das weist er aber strikt zurück, dass er ein solches Klima geschaffen habe.
    Laschet: Na ja, gut. Aber dann steht Aussage gegen Aussage. Wenn jeder Polizeibeamte im Land das so wahrnimmt, wenn in jedem Polizeipräsidium diese Sensibilität da ist, wenn ein Einsatzleiter sagt, oh, das ist politisch heikel, dann fragt man sich doch, wie kommt der auf die Idee, dass das politisch heikel ist. Polizeibeamte gehören in der Regel nicht zu denen, die Dinge schönreden, sondern die eher härter an die Realität herangehen. Es wird ja weitere Sitzungen des Innenausschusses geben. Da ist noch Aufklärungsbedarf, insbesondere zu den Fragebögen, die die Taten erfassen. Die sind nämlich verändert worden und die wollen wir uns noch mal genauer anschauen.
    Heckmann: Alles spricht im Moment ja über die Verantwortung der Kölner Polizei und auch von Innenminister Jäger in Nordrhein-Westfalen. Was ist eigentlich mit der Bundespolizei? Es gab ja Übergriffe auch innerhalb des Bahnhofes. Ist also auch Thomas de Maizière, Ihr Parteifreund, eine Gefahr für die innere Sicherheit?
    Laschet: Der Bundesinnenminister, wie Sie wissen, ist nicht für die Lage rund um den Hauptbahnhof zuständig, sondern für die Lage im Bahnhof. Die Bundespolizei hat genau die Kräfte gehabt, die sie selbst brauchte. Aber ein Großteil dieser Straftaten - und innere Sicherheit ist ja im Kern nicht im Bahnhof, sondern in dem gesamten Umfeld durch die Einsatzleitung, durch das Räumen des Platzes und alles, was dazugehört, gefragt -, damit wird sich der Innenausschuss beschäftigen. Aber nach meinem Eindruck, auch nach den Beschreibungen der Bundespolizei war Bundespolizei ausreichend im Hauptbahnhof vertreten.
    Heckmann: Sie sind Oppositionsführer. Wir haben es schon mehrfach gesagt, dass Sie jetzt auch dem Innenminister in Nordrhein-Westfalen den Rücktritt nahelegen beziehungsweise der Ministerpräsidentin, sich zu überlegen, ihn im Amt zu behalten. Ist das nicht ein sehr durchschaubares Wahlkampfmanöver und auch ein bisschen kontraproduktiv für die Demokratie, denn die meisten, die uns jetzt zuhören, die werden wahrscheinlich sagen, die Politiker, die schieben sich hier die Verantwortung hin und her, und die CDU, die ist auch nicht besser als die SPD?
    Laschet: Ja, das wäre so, wenn ich jetzt hier billige Rücktritte fordern würde. Ich will aber über die Themen sprechen. Ich habe Ihnen eben eine Reihe an Themen genannt, wo etwas schiefläuft, und man fragt sich ja, warum braucht man im Parlament eine Opposition, wenn sie nicht doch auf Missstände hinweist und das immer und immer wieder tut. Und wenn der Kurs der Regierung nicht geändert wird, wenn der Minister so weitermacht wie bisher, wenn er lieber Blitzermarathons veranstaltet, als sich um die innere Sicherheit zu kümmern, die Polizeibeamte sinnvoll einsetzt, dann ist das eine Aufgabe der Opposition, die auch die Bürger erwarten.
    Heckmann: Der CDU-Oppositionsführer in Düsseldorf war das live hier im Deutschlandfunk. Herr Laschet, ich danke Ihnen für das Gespräch um 6:59 Uhr.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.