Die Veränderung ist zwar nur klein: gerade mal ein Prozent in zehn Jahren. So stark - oder besser: so schwach - wächst die Packeis-Fläche rund um die Antarktis im Moment. Doch dieser Trend passt auf jeden Fall nicht so recht zur anhaltenden globalen Klimaerwärmung. Müsste das antarktische Meereis bei steigenden Temperaturen nicht eher zusammenschrumpfen?
Gelöst ist das Rätsel bisher nicht. Aber es gibt eine Theorie, die Klimaforscher favorisieren. Zu ihnen zählt der Glaziologe Eric Rignot, Professor für Erdsystemwissenschaften an der Universität von Kalifornien in Irvine:
"Der Rest der Welt erwärmt sich schneller als die Antarktis. In der Folge erhöht sich der Druckunterschied zwischen dem Äquator und dem Südkontinent. Und der Wind, der entlang der Breitengrade weht, wird kräftiger. Auf der Südhalbkugel führt das dazu, dass das Oberflächenwasser des Ozeans stärker nach Norden gedrückt wird. Dadurch neigt das Meereis dazu, sich auszudehnen."
Klimaforscher des niederländischen Wetterdienstes KNMI präsentieren jetzt eine andere Theorie. Demnach besteht eine bisher verborgen gebliebene Verbindung zwischen dem Schelfeis-Gürtel im direkten Kontakt mit der Antarktis und dem Packeis weiter draußen im Ozean. Das Schelfeis taut verstärkt; sein Schmelzwasser läuft ins Meer ab, gefriert wieder und vermehrt das Packeis – so die Idee der Forscher. Geert Jan van Oldenborgh, Physiker und einer der Autoren der neuen Studie, die soeben im Fachblatt "Nature Geoscience" erschienen ist:
"Es gab eine wichtige Veröffentlichung über Temperaturtrends rund um die Antarktis. Darin wurde gezeigt, dass der Südozean zwar an seiner Oberfläche abkühlt, bis in etwa 100 Meter Tiefe. Darunter aber erwärmt sich das Wasser verhältnismäßig stark. Nun ist es so, dass das Schelfeis am Rand der Antarktis bis zu 1000 Meter dick ist. Es spürt also vor allem das erwärmte Tiefenwasser und schmilzt deswegen verstärkt ab."
Das Schelfeis der Antarktis speist sich aus Niederschlag. Es ist also Süßwasser. Schmilzt es, dann bildet es nach der Vorstellung der niederländischen Forscher eine Schicht, die sich über das schwerere Salzwasser des Südozeans schiebt. Und die wirkt dann wie ein Dämmstoff: Im Winter sorgt die Süßwasserlinse dafür, dass sich nur der obere Ozean abkühlt, und das sehr stark - nicht aber das Tiefenwasser darunter. Diese Kälte an der Meeresoberfläche sorgt dann dafür, dass das Packeis rund um die Antarktis zunimmt.
Van Oldenborgh und seine Kollegen testeten ihre Theorie in einem Klimamodell. Und sind deswegen von ihr überzeugt:
"Wir wollten zusätzliche Sicherheit und simulierten das Ganze in einem Standard-Klimamodell. Wir addierten zusätzliche Schmelzwasserflüsse vom Land in den Südozean, die in dem Modell normalerweise nicht berücksichtigt werden. Auch wenn solche Simulationen durchaus ihre Schwächen haben, bestätigt das Ergebnis doch unsere Überlegungen: Im Modell entstand ebenfalls eine isolierende Schicht aus leichterem Süßwasser, die dazu führt, dass die Meeresoberfläche abkühlt und mehr Packeis entsteht."
Wenn diese Theorie stimmt, hätten wir es sogar mit einer negativen Rückkopplung im Klimasystem zu tun, also mit einem Prozess, der die Erwärmung abpuffert. Ihretwegen schmilzt zwar mehr Schelfeis am Rand der Antarktis; der obere Ozean jedoch wird kälter, und das Packeis wächst sogar.
Ob diese Rückkopplung aber auch in der Realität existiert, wäre noch zu zeigen. Die niederländischen Forscher glauben, dass es nicht allein der Wind sein kann, der zur Meereisvermehrung führt. Eric Rignot andererseits meldet Zweifel am Alternativkonzept seiner europäischen Kollegen an:
"Die Regionen mit den stärksten Schmelzwasserverlusten in der Antarktis sind die Bellinghausen- und die Amundsen-See. Dort nimmt die Ausdehnung des Packeises aber nicht zu, sondern ab. Das steht im Widerspruch zur Theorie in dieser neuen Veröffentlichung."
Man darf jedenfalls gespannt sein, welche Theorie sich am Ende durchsetzen wird. Und ob es nicht vielleicht beide braucht, um das Meereis-Wachstum im Südozean zu erklären.
Gelöst ist das Rätsel bisher nicht. Aber es gibt eine Theorie, die Klimaforscher favorisieren. Zu ihnen zählt der Glaziologe Eric Rignot, Professor für Erdsystemwissenschaften an der Universität von Kalifornien in Irvine:
"Der Rest der Welt erwärmt sich schneller als die Antarktis. In der Folge erhöht sich der Druckunterschied zwischen dem Äquator und dem Südkontinent. Und der Wind, der entlang der Breitengrade weht, wird kräftiger. Auf der Südhalbkugel führt das dazu, dass das Oberflächenwasser des Ozeans stärker nach Norden gedrückt wird. Dadurch neigt das Meereis dazu, sich auszudehnen."
Klimaforscher des niederländischen Wetterdienstes KNMI präsentieren jetzt eine andere Theorie. Demnach besteht eine bisher verborgen gebliebene Verbindung zwischen dem Schelfeis-Gürtel im direkten Kontakt mit der Antarktis und dem Packeis weiter draußen im Ozean. Das Schelfeis taut verstärkt; sein Schmelzwasser läuft ins Meer ab, gefriert wieder und vermehrt das Packeis – so die Idee der Forscher. Geert Jan van Oldenborgh, Physiker und einer der Autoren der neuen Studie, die soeben im Fachblatt "Nature Geoscience" erschienen ist:
"Es gab eine wichtige Veröffentlichung über Temperaturtrends rund um die Antarktis. Darin wurde gezeigt, dass der Südozean zwar an seiner Oberfläche abkühlt, bis in etwa 100 Meter Tiefe. Darunter aber erwärmt sich das Wasser verhältnismäßig stark. Nun ist es so, dass das Schelfeis am Rand der Antarktis bis zu 1000 Meter dick ist. Es spürt also vor allem das erwärmte Tiefenwasser und schmilzt deswegen verstärkt ab."
Das Schelfeis der Antarktis speist sich aus Niederschlag. Es ist also Süßwasser. Schmilzt es, dann bildet es nach der Vorstellung der niederländischen Forscher eine Schicht, die sich über das schwerere Salzwasser des Südozeans schiebt. Und die wirkt dann wie ein Dämmstoff: Im Winter sorgt die Süßwasserlinse dafür, dass sich nur der obere Ozean abkühlt, und das sehr stark - nicht aber das Tiefenwasser darunter. Diese Kälte an der Meeresoberfläche sorgt dann dafür, dass das Packeis rund um die Antarktis zunimmt.
Van Oldenborgh und seine Kollegen testeten ihre Theorie in einem Klimamodell. Und sind deswegen von ihr überzeugt:
"Wir wollten zusätzliche Sicherheit und simulierten das Ganze in einem Standard-Klimamodell. Wir addierten zusätzliche Schmelzwasserflüsse vom Land in den Südozean, die in dem Modell normalerweise nicht berücksichtigt werden. Auch wenn solche Simulationen durchaus ihre Schwächen haben, bestätigt das Ergebnis doch unsere Überlegungen: Im Modell entstand ebenfalls eine isolierende Schicht aus leichterem Süßwasser, die dazu führt, dass die Meeresoberfläche abkühlt und mehr Packeis entsteht."
Wenn diese Theorie stimmt, hätten wir es sogar mit einer negativen Rückkopplung im Klimasystem zu tun, also mit einem Prozess, der die Erwärmung abpuffert. Ihretwegen schmilzt zwar mehr Schelfeis am Rand der Antarktis; der obere Ozean jedoch wird kälter, und das Packeis wächst sogar.
Ob diese Rückkopplung aber auch in der Realität existiert, wäre noch zu zeigen. Die niederländischen Forscher glauben, dass es nicht allein der Wind sein kann, der zur Meereisvermehrung führt. Eric Rignot andererseits meldet Zweifel am Alternativkonzept seiner europäischen Kollegen an:
"Die Regionen mit den stärksten Schmelzwasserverlusten in der Antarktis sind die Bellinghausen- und die Amundsen-See. Dort nimmt die Ausdehnung des Packeises aber nicht zu, sondern ab. Das steht im Widerspruch zur Theorie in dieser neuen Veröffentlichung."
Man darf jedenfalls gespannt sein, welche Theorie sich am Ende durchsetzen wird. Und ob es nicht vielleicht beide braucht, um das Meereis-Wachstum im Südozean zu erklären.