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Überraschung aus dem All

Astronomie. - Eigentlich hätte es der Meteorit, der im Jahr 2007 nahe dem peruanischen Carancas einschlug, gar nicht am Stück bis zum Boden schaffen dürfen. Bei seiner Größe hätte die Erdatmosphäre ihn in kleine Stücke zerbrechen müssen. Wie er die Schutzhülle der Erde dennoch überlisten konnte, hat ein deutscher Forscher untersucht.

Von André Hatting |
    Zwei bis drei Tonnen wog er im All. Nur 700 Kilogramm blieben davon übrig, als der Himmelskörper in der Nähe des Ortes Carancas in Peru einschlug. Der 15 Meter große Krater stellte den Meteoriten-Experten Dr. Thomas Kenkmann vom Berliner Museum für Naturkunde zunächst vor ein Rätsel:

    "Es hätte eigentlich ihn gar nicht geben dürfen. Normalerweise ist man davon ausgegangen bislang, dass alle Asteroiden oder Meteoriten bis fünfzig Meter Größe in der Atmosphäre, beim Durchlauf durch die Atmosphäre vollständig zerbrechen - in kleinste Fragmente, die dann als kleine Meteoriten zu Boden fallen, aber keinesfalls Schaden anrichten und einen richtigen Krater reißen."

    Kenkmann und sein Kollege berechneten am Computer verschiedene Einschlag-Szenarien. Dabei berücksichtigten sie die Entfernungen des aus dem Krater heraus geschleuderten Materials, die Härte des Bodens und die Erschütterungsspuren in unmittelbarer Umgebung des Kraters. Anschließend probierten sie unterschiedliche Einschlagswinkel. Die Antwort auf die Frage, wie ein so kleiner Meteorit die Atmosphäre unbeschadet passieren konnte, hat die Wissenschaftler verblüfft:

    "Er muss offensichtlich in einem ganz spitzen Winkel in die Atmosphäre eingedrungen sein mit einer relativ geringen kosmischen Geschwindigkeit von nur - in Anführungsstrichen - 14 Kilometer pro Sekunde, das sind also in etwa 50.000 Stundenkilometer. Und er wurde dann durch dieses streifschussartige Eindringen langsam aber stetig abgebremst, bevor er dann in die tiefere und dichtere Atmosphäre eindringen konnte. Er wurde stetig abgebremst, so dass er am Ende mit einer Geschwindigkeit von nur noch etwa 700 Stundenkilometer auf die Erde einschlug."

    Dass der kleine Meteorit durch einen Aufprallwinkel von maximal 15 Grad die Zerstörungskraft der äußeren Atmosphäre gleichsam überlistet hat, ist nicht nur eine neue theoretische Erkenntnis. Sie hat auch praktische Folgen: Die bislang angenommenen Bedrohungsszenarien durch Steinschlag aus dem All müssen überarbeitet werden.

    "Es gibt eine Task Force, die größere Objekte am Himmel kartiert. Vor allen Dingen Objekte, die ein Kilometer und größer sind, die also, wenn sie die Erde treffen würden, wirklich ein schreckliches Szenario auslösen würden. Die sind inzwischen alle kartiert worden auch die kleineren Objekte bis 500 Meter. Aber darunter entdeckt man sie häufig erst, wenn sie schon an der Erde vorbei geflogen sind. Oder man entdeckt sie gar nicht. Deshalb ist dieses hier völlig unkalkulierbar."

    Der Krater von 15 Metern Durchmesser lässt auf eine Zerstörungskraft schließen, die etwa einer Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg gleichkommt. Da ist es nur wenig tröstlich zu wissen, dass Meteoriten dieser Größe nur einmal im Jahr in die Nähe der Erde kommen. Statistisch gesehen. So ungewöhnlich und darum faszinierend der Krater, so gewöhnlich ist die Beschaffenheit der Sternschnuppe, die ihn verursachte. Es ist ein Steinmeteorit - der häufigste Besuch aus dem Weltall. Steinmeteoriten bestehen überwiegend aus Mineralen, die auch auf der Erde vorkommen. Nur die Eisenerze Taenit und Kamacit stammen nicht von dieser Welt. Sammler zahlen für das Gramm zwischen 70 und 100 Euro. Zum Vergleich: Das Gramm Gold kostet zurzeit etwa 21 Euro. Für die Bevölkerung in der armen Gegend um Carancas sind die Meteoriten-Splitter ein Geschenk des Himmels. Auch Thomas Kenkmann hat sich ein kleines Bruchstück gesichert. Aber nicht, um den grauen unscheinbaren Brocken in klingende Münze zu verwandeln. Ihn interessiert seine Geschichte:

    "Dieser Steinmeteorit hat ein Alter von etwa 4,5 Milliarden Jahren. Und er erzählt uns gewissermaßen die Geburtsstunde unseres Sonnensystems. Dieses Gestein besteht zum Beispiel aus kleinen Kügelchen, so genannten Chondren. Das sind die ersten Kondensate aus diesem frühen Solarnebel, sind also kleine Schmelzkügelchen, die dann zusammen gebacken sind und aus denen sich schließlich und letztendlich auch Planeten gebildet haben."

    Anfang März wird Thomas Kenkmann seine Forschungsergebnisse auf der Jahreskonferenz der Planetologen in Houston, Texas vorstellen. Der kleine Meteorit in Peru wird dann der große Star sein. Ihm allein werden acht Beiträge gewidmet.