Städte sind ständig im Umbruch. Neue Gebäude entstehen, alte werden abgerissen. Aber es gibt auch Brach- und Bauschuttflächen, auf denen nichts geschieht, Manche bleiben Jahre oder gar Jahrzehnte sich selbst überlassen. Diese Areale sind nicht bloß hässliche Flecken in Siedlungen und Gewerbegebieten; sie haben auch eine sehr nützliche Funktion. Sie deponieren große Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid im Boden, wie britische Ökologen und Geotechniker herausgefunden haben. Der Stadtökologe Mark Goddard von der Universität Newcastle:
"Ein Hektar einer solchen Brachfläche nimmt jedes Jahr 85 Tonnen CO2 aus der Atmosphäre auf. Das sind bemerkenswerte Ergebnisse!"
In Newcastle entsteht im Moment Science Central. Das ist ein neuer, zehn Hektar großer, städtischer Gebäudekomplex. Vorher war es eine Brachfläche, auf der jede Menge Bauschutt verwitterte. Dort untersuchten die Forscher, welche chemischen Reaktionen zwischen Boden und Atmosphäre ablaufen. Mark Goddard schilderte das kürzlich in Liverpool, auf der Jahrestagung der britischen Ökologen:
"Das sind die ersten Arbeiten, die zeigen: Böden in der Stadt tragen dazu bei, Kohlendioxid einzufangen. So etwas geschieht dort, wo Bauschutt lagert, der viel Kalzium enthält: Beton, Gips oder Zement."
Das Ganze geschieht in zwei Schritten. Zunächst verwittert der herumliegende, beton- oder zementhaltige Bauschutt, was ziemlich schnell geht. Dabei wird Kalzium freigesetzt, und das reagiert dann mit atmosphärischem CO2, das in den porösen Boden eindringt - es entsteht Kalziumkarbonat oder Kalk. Den Prozess nennt man auch Carbonatisierung.
Möglichst hohe CO2-Aufnahme erreichen
Auf der Untersuchungsfläche in Newcastle hat sich der Karbonat-Gehalt in der oberen Bodenschicht innerhalb von 18 Monaten verdoppelt. Die Forscher können aber nicht sagen, wie groß die Kapazität für Kohlendioxid am Ende ist, wie lange bauschutthaltige Böden das Treibhausgas also aus der Luft saugen. Sie gehen aber davon aus, dass einmal eingelagertes CO2 fest in den Boden-Mineralen gebunden bleibt und nicht wieder entweicht.
"Es geht hier nicht darum, unsere Dörfer und Städte niederzureißen und zusätzliche Bauschuttflächen zu schaffen. Sie kommen eh fast überall vor. In einer Stadt wie Leipzig zum Beispiel gibt es sehr viele davon. Es geht darum, die Zeitpläne für die Bebauung der Brachen vielleicht so anzulegen, dass ihre CO2-Aufnahme möglichst groß ist."
Neue Versuchsflächen eingerichtet
Eine Idee könnte auch sein, größere Bauschutt-Teile auf den Brachflächen zu zertrümmern. Denn je kleiner die Bruchstücke, desto schneller verwittern sie. Und umso mehr Kalzium stünde zur Verfügung, um mit dem Kohlendioxid aus der Luft zu reagieren und es im Boden zu bunkern. Mark Goddard und seine Kollegen haben aber auch noch andere Pläne:
"Wir sind im Moment noch nicht so weit, aber wir denken an die Möglichkeit, ein Bodensubstrat zu entwickeln, das man zum Beispiel in Gärten einsetzen könnte und das dann nebenbei Kohlendioxid aufnimmt. Wir haben schon 'mal abgeschätzt: Wenn nur ein Prozent aller Gartenbesitzer in Großbritannien ein solches Substrat einsetzte, könnten wir rund 300.000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr aus der Atmosphäre holen. Das Potenzial ist also groß!"
Inzwischen hat der Ökologe neue Versuchsflächen eingerichtet. Dort testet er 25 verschiedene Pflanzenarten auf kalziumreichen Böden. Es sind tiefwurzelnde Bäume, Kräuter und Gräser. Goddard testet, ob mit ihrer Hilfe CO2 vielleicht noch tiefer im Boden eingelagert werden kann. Denn über ihre Wurzeln geben Pflanzen unter anderem Stoffe ab, die den Prozess der Carbonatisierung begünstigen sollten. Mit der richtigen Bepflanzung könnten städtische Brachflächen dann sogar noch mehr atmosphärisches Kohlendioxid binden. Doch ob das auch funktioniert, steht noch nicht fest. Die Freilandversuche laufen erst mit Beginn der Vegetationsperiode wieder voll an.