Jan Tengeler: Die Vogelgrippe greift weiter um sich. Nach Schleswig-Holstein wurde jetzt auch ein Fall in Niedersachsen bekannt bei einem Wildvogel. Wissenschaftler arbeiten unter Hochdruck daran, die genauen Ursachen und Übertragungswege des Virus mit dem Namen H5N8 nachzuvollziehen, allen voran am Friedrich-Loeffler-Institut in Greifswald, das sich mit molekularer Virologie und Zellbiologie befasst. Ich spreche jetzt mit dem Präsidenten des Instituts, Professor Thomas Mettenleiter. Guten Tag, Herr Mettenleiter.
Thomas C. Mettenleiter: Guten Tag, Herr Tengeler.
Tengeler: Um es direkt vorwegzunehmen: Eine Übertragung auf den Menschen von H5N8 ist nicht bekannt. Aber wie ist der gegenwärtige Erkenntnisstand über die empfänglichen Arten?
Mettenleiter: Ja, in der Tat ist weltweit keine Infektion des Menschen mit H5N8 nachgewiesen worden. So ist die H5N8-Epidemie eine Geflügelpest, also eine Vogelepidemie. Insbesondere sehen wir doch eine massive Ausbreitung gerade im Wildvogelbereich. Das heißt, zum einen sind es mehr Individuen, die wir momentan positiv testen, zum zweiten - Sie hatten es erwähnt - auch die geografische Ausbreitung in die Mitte Deutschlands. Schon seit einigen Tagen ja die Befunde aus der Nähe von Leipzig und jetzt auch der Befund aus dem Süden Niedersachsens.
Tengeler: Wenn wir uns auf die Vögel konzentrieren; das tun wir. Sie gehen derzeit davon aus, dass der Virus aus Russland gekommen sein könnte, gekommen ist. Wie genau geht so etwas vonstatten?
Keine Verbindung zu Futtermitteln
Mettenleiter: Das schließen wir aus genetischen Signaturen, die wir finden. Wir sind dabei, die genetische Information dieses Erregers komplett zu entschlüsseln, vergleichen das dann mit in den Datenbanken hinterlegten Sequenzen von früheren Isolaten, und da zeigt es sich einfach so, dass die nächsten Verwandten aus dieser Gruppe der Viren stammen, die im Sommer dieses Jahres in Russland oder an der Grenze zwischen Russland und der Mongolei nachgewiesen wurden.
Tengeler: Andere Experten, die plädieren dafür, die Ursachenforschung ganz breit anzulegen, etwa auch Futtermittel oder Dünger in den Blick zu nehmen als Übertragungsweg. Wie genau kann man sich das vorstellen?
Mettenleiter: Wenn wir zu epidemiologischen Untersuchungen gerade bei Einträgen in Nutzgeflügelbeständen berufen werden, dann sind unsere Untersuchungen immer ergebnisoffen. Das heißt, wir prüfen immer alle Möglichkeiten ab, auch der indirekte Eintrag über Futtermittel oder über Trinkwasser oder über andere, über Personen, über Fahrzeuge. Es gibt natürlich einen weltweiten Vertrieb von Futtermitteln. Wir haben aber bisher in keiner der Untersuchungen, die wir durchgeführt haben, 2014 und 2015 bei H5N8 oder jetzt, irgendeine Verbindung zu Futtermitteln oder Ähnlichem gefunden.
Das Problem ist in vielen Fällen der Personenverkehr. Das heißt, dass Personen in die Bestände gelangen, die möglicherweise nicht vollständig desinfiziert sind, wo dann über infizierten Vogelkot zum Beispiel entsprechendes Material in die Bestände eingetragen werden könnte. Das ist meistens eine Schwachstelle, es ist sicherlich nicht die einzige.
Tengeler: Stallpflicht ist immer noch das Mittel der Wahl. Das ist auch das, was Sie empfehlen?
Mettenleiter: Was wir empfehlen ist, den direkten Kontakt und den indirekten Kontakt zwischen Wildvögeln und Nutzgeflügel soweit es irgendwie geht zu unterbinden. Da ist die Stallpflicht eine Maßnahme aus einem ganzen Maßnahmenbündel, das auch die gerade angesprochenen Biosicherheitsmaßnahmen mit beinhaltet. Das heißt, Stallpflicht ja, eine Maßnahme, aber man darf die anderen Maßnahmen zur Verhinderung des indirekten Eintrags bitte nicht vergessen. Die sind genauso wichtig.
Vorsicht vor kontaminierter Kleidung im Geflügelstall
Tengeler: Das sind alles Maßnahmen, die man ja eigentlich ständig ergreifen muss. Oder wie lange wird es jetzt gerade mit dieser Stallpflicht noch weitergehen?
Mettenleiter: Na ja. Grundsätzliche Biosicherheitsmaßnahmen, dass man zum Beispiel nicht mit den gleichen Schuhen, mit denen man vorher über das Feld oder über die Wiese gegangen ist, dann in den Geflügelbestand geht, das ist natürlich Basiswissen. Was wir jetzt aber auch sagen: Vor der Gefährdungssituation sollte man auch die Kleidung wechseln.
Man sollte auch dort vermeiden, dass potenziell kontaminierte Kleidung zum Beispiel dann im Geflügelstall getragen wird. Da gibt es Einweganzüge, oder man muss einfach dann betriebseigene Kleidung anziehen auch bei Kleinstbeständen, und das ist immer wichtig. Die Geflügelpest-Verordnung schreibt sehr, sehr genau vor, was bei größeren Beständen zu tun ist, aber das gilt natürlich auch für kleine und Kleinstbestände, und wir haben es ja gerade jetzt gesehen, dass insbesondere kleine Bestände besonders gefährdet sind.
Tengeler: Zu möglichen Übertragungswegen der Vogelgrippe war das ein Gespräch mit dem Virologen Thomas Mettenleiter. Vielen herzlichen Dank für die Informationen.
Mettenleiter: Sehr gerne.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.