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Übertragungsstandard
Mit DAB+ in die Radiozukunft?

Das Radio von morgen ist digital, hier sind sich alle Experten einig. Aber wie digital genau? Setzt sich DAB+ in Deutschland so wie in anderen Ländern Europas durch? Oder wird das schnelle Internet 5G Übertragungsstandard? Ein Dossier.

Von Michael Borgers |
Ein digitaler Radioempfänger steht in einem Raum.
Gerade mal ein Drittel der aktuell in Deutschland verkauften Radios unterstützen DAB+. (picture alliance / dpa / Sebastian Gollnow)
Wie sieht es in Deutschland aus?
Grundsätzlich gilt: Es geht voran. Acht Jahre nach der Einführung des digitalen Übertragungsstandards DAB+ ist das Sendernetz gut vorangekommen. Experten wie Jochen Mezger am Institut für Rundfunktechnik in München stellen fest: "Man hat viel investiert und es funktioniert bestens."
Eine Grafik über den DAB+-Netzausbau
DAB+ im Kanal 5C ist auf 99 Prozent aller Autobahnen und für runf 85 Prozent der Bevölkerung zuhause verfügbar. (Digitalradio Büro Deutschland)
Die Debatte, ob DAB+ der richtige Standard für die digitale Zukunft des Radios in Deutschland ist, ist damit allerdings nicht beendet. Trotz der besseren und längst ausgereiften Technik kann sich DAB+ bisher nicht wirklich gegen das analoge UKW durchsetzen. Gerade mal ein Drittel der aktuell in Deutschland verkauften Radios unterstützen DAB+.
Im Juni hatte sich deshalb der niedersächsische Landtag auf Initiative der FDP sogar für die Abschaltung von DAB+ ausgesprochen. Schließlich ließen sich auch per 5G-Mobilfunk problemlos Digitalradio-Signale übertragen, hieß es aus Hannover.
5G folgt auf LTE als schnellstes Netz für Mobilfunk. Das Versprechen der Anbieter: 5G ist 100-mal schneller und Datenübertragung in Echtzeit ermöglicht. Der Ausbau des Netzes ist bereits in vielen Bundesländern gestartet, bis Ende 2020 sollen bereits die 20 größten Städte angebunden sein.
Tatsächlich haben die meisten Menschen mit ihrem Smartphone inzwischen auch ein kleines Digitalradio in der Tasche, erläutert der Fachjournalist Stefan Römermann in seinem Beitrag für @mediasres : Die Tonqualität sei genauso gut wie bei DAB+.
Doch dafür brauche es noch nicht einmal den neuen 5G-Standard, fasst Römermann zusammen. Für den Radio-Empfang reiche die heute üblichen UMTS- und LTE-Netze völlig aus. Das Problem seien aber bereits heute die dadurch entstehenden Kosten, da ein Mobilfunkvertrag mit Internetzugang erforderlich sei:
"Und dann knabbert jede Minute Radioempfang unterwegs am oft genug eher knappen, monatlich bemessenen Datenvolumen. Radio als Internet-Stream zu übertragen, ist allerdings auch vergleichsweise teuer. Denn anders als beim klassischen Rundfunk wird das Signal beim Streaming nicht in einem Rutsch von einem zentralen Sender gleichzeitig an alle Hörer ausgestrahlt. "
Bayern: Wo DAB+ besonders gut funktioniert
In Sachen DAB+-Nutzung liegt Bayern in Deutschland vorne, gefolgt von Sachsen und Baden-Württemberg, berichtet Dlf-Landeskorrespondent Tobias Krone in seinem Beitrag für @mediasres . Fast ein Viertel der bayerischen Haushalte besitzt mindestens ein Empfangsgerät für die digitale Sendetechnik DAB+, Tendenz steigend.
Auch in Bayern waren es vor allem private Sender, die lange Zeit mit der Digitaltechnik haderten. Die Angst: zu hohe Kosten. Doch der bayerische Landtag machte den Privatsendern den Übergang schmackhaft, indem er das Teilen von Infrastruktur zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern vier Jahre lang förderte. Inzwischen ist so gut wie jeder Privatsender digital vertreten.
Grafik zur Anzahl der DAB+-Sender im Kanal 5C.
Auch immer mehr Sender sind über DAB+ zu empfangen. (Digitalradio Büro Deutschland)
"Das Geheimrezept ist letztendlich, dass alle an einem Strang ziehen. Dass die Politik, die Sender und die Verantwortlichen in der Regulierung sagen: Ja wir wollen in die DAB+-Welt", sagt Siegfried Schneider, Chef der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien in München und damit auch Vertreter der privaten Sender.
Vorbild Norwegen?
Norwegen hat als bislang erstes und einziges Land in Europa vor knapp zwei Jahren entschieden, vollständig von UKW auf DAB+ umzusteigen. Auch in Norwegen war die Entscheidung umstritten - und hatte zunächst Folgen: Es werde inzwischen weniger Radio gehört, berichtete ARD-Korrespondent Carsten Schmiester vor einem Jahr. Inzwischen haben die Zahlen jedoch wieder das Niveau von vor der Umstellung erreicht.
Zur Ursache für die Startschwierigkeiten schreibt in einer aktuellen Bestandsaufnahme für den Deutschlandfunk : Viele Norweger hätten zunächst auf den Kauf neuer Empfänger verzichtet – und damit auch auf die Radionutzung im gewohnten Umfang. Denn gehört werde noch immer, allerdings auf anderen Wegen, in Streamingdiensten und Podcasts.
Allerdings gebe es da eine Art Henne-oder-Ei-Problem, schreibt Schmiester: Nutzen die Menschen mehr Online-Dienste, weil UKW zwangsweise beendet worden ist, oder hätten sie das nicht vielleicht auch getan, wenn die alte Technik geblieben wäre? Einfach, weil das Streaming- und Podcast-Angebot auch in Norwegen immer größer und immer beliebter wird? Für eine seriöse Antwort fehlten die Fakten.
Norwegen habe vielleicht ein Ende mit Schrecken erlebt, aber kein Schrecken ohne Ende, also kein teures jahrelanges Nebeneinander verschiedener Systeme, zitiert Schmiester in seiner Bilanz Marius Hoel vom öffentlichen Sender NRK: Jetzt sei das Land wohl mit dem Schlimmsten durch und freue sich über einen Markt - auch für private Anbieter -, der bunter sei als früher, facettenreicher und der sich allmählich wieder stabilisiere.
Oder doch 5G?
Noch einmal zurück nach Deutschland und zu der Frage nach 5G als technische Alternative zu DAB+: Für den 5G-Standard wird an einem "Broadcast"-Modus gearbeitet, bei dem weder eine Mobilfunkverbindung noch SIM-Karte nötig sind.
Doch diese Technik sei erstmal nicht da, erklärt Jochen Mezger vom Institut für Rundfunktechnik. "Das heißt: Ich muss warten, ich muss sie entwickeln. Da hat momentan überhaupt niemand irgendwelche Aktivitäten in die Richtung entwickelt." Bis dieser Rundfunk-Modus einsatzbereit sei, werde es noch Jahre dauern.
In eigener Sache: Deutschlandradio ist mit seinen drei Programmen Deutschlandfunk, Deutschlandfunk Kultur und Deutschlandfunk Nova im Digitalradionetz DAB+ vertreten. Gemeinsam mit den Sendern der ARD, privaten Radioveranstaltern, Geräteherstellern und Netzbetreibern möchte auch das Deutschlandradio in dem Verein Digitalradio Deutschland das Digitalradio DAB+ in Deutschland etablieren. Die in diesem Dossier verwendeten Grafiken wurden von Digitalradio Deutschland erstellt.