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Überwachung
Eigene Kontrollinstanz für Geheimdienste schaffen

Mit den vorhandenen Strukturen sei eine Kontrolle der Geheimdienste kaum möglich, sagte der SPD-Rechtspolitiker Hermann Bachmaier im DLF. Das Parlament müsse über die "nicht ungefährliche" Arbeit der Geheimdienste wachen.

Hermann Bachmaier im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Zentrale des Bundesnachrichtendienstes in Pullach
    Auch der BND braucht laut Bachmaier eine unabhängige Kontrollinstanz (dpa / picture alliance / Stephan Jansen)
    Das könne nur durch eine eigenständige Kontrollinstanz ähnlich dem Wehrbeauftragten geleistet werden. Dafür müssten aber Strukturen geändert werden.

    Jasper Barenberg: "Streuen Sie nur Salz in meine Wunden!" Diese Bemerkung des CDU-Politikers Clemens Binninger war nicht darauf gemünzt, dass er den Vorsitz im NSA-Untersuchungsausschuss im Streit um die Zeugenbefragung von Edward Snowden gleich nach wenigen Tagen schon wieder niedergelegt hat. "Streuen Sie nur Salz in meine Wunden", mit diesen Worten reagierte Binninger vielmehr auf die Frage, wie häufig er denn als Vorsitzender des Kontrollgremiums für die Geheimdienste vor Ort war bei den Geheimdiensten und Akten dieser Dienste gewälzt hat und eingesehen. "Nicht so oft", musste Binninger dann zugeben, wie andere Kontrolleure auch einräumen, wichtige Vorgänge nur aus der Zeitung zu erfahren, nicht aber aus den eigentlichen Sitzungen des Gremiums. Im Klartext: Es geht um hilflose Kontrolleure. Am Telefon ist jetzt Hermann Bachmaier, der frühere ( Anm. d. Red.: stellvertretende) rechtspolitische Sprecher der SPD im Bundestag. Schönen guten Morgen!
    Hermann Bachmaier: Guten Morgen! Ich muss nur eine ganz kleine Korrektur anschließen, ich war nicht rechtspolitischer Sprecher, da ist ein Fehler unterlaufen, sondern ich war Mitglied der PKG und stellvertretender rechtspolitischer Sprecher. Damit ich niemand irgendwo in den hierarchischen Strukturen verletze!
    Barenberg: Ist notiert, Herr Bachmaier! Wir freuen uns trotzdem, dass Sie am Telefon sind! Es soll ja jetzt alles besser werden, im Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass das PKGr, das Parlamentarische Kontrollgremium, aufgewertet werden soll. Erster Schritt: mehr Personal für die Abgeordneten. Ein operativer Stab soll hinzukommen. Sie halten das alles für zu kurz gesprungen. Warum?
    Bachmaier: Ich war, wie gesagt, in den einschlägigen Gremien tätig und habe über Jahre hinweg beobachten können, ob nun Geheimdienstkontrolle funktioniert oder nicht. Und es ist auch sattsam bekannt, dass bei jedem neu auftauchenden Skandal dann immer nach mehr Personal und, sagen wir mal, in den vorhandenen Strukturen nach Verbesserungen gesucht wird. Meine Einschätzung nach langjähriger Kenntnis, auch aus Untersuchungsausschüssen, in denen man sich mit Aktivitäten der Nachrichtendienste befasst hat, ist die: Mit den vorhandenen Strukturen werden wir eine sinnvolle, eine nachvollziehbare Kontrolle der Geheimdienste nicht hinkriegen, wenn man sie denn überhaupt hinkriegt. Es sind Geheimdienste und das darf man nicht vergessen. Die arbeiten mit dem System der Abschottung und, und, und. Also, da ist es schon schwierig, überhaupt Kontrolle auszuüben. Aber mit den vorhandenen Strukturen und noch so viel Personal werden wir da nicht weiterkommen. Abgeordnete haben viele andere Dinge um die Ohren, denen sie sich widmen müssen, deshalb muss hier eine andere Einrichtung als Hilfsorgan des Bundestages kommen. Da bin ich ja nicht allein mit dieser Forderung. Wir haben die zwar ursprünglich mal, sind auf die Idee gekommen schon in den 90er-Jahren - Schily, Struck und ich -, am besten wäre, eine Einrichtung ähnlich dem Wehrbeauftragten mit entsprechendem Unterbau zu schaffen, der dann professionell und unabhängig diese laufende Kontrolle der Geheimdienste übernehmen könnte, denn es handelt sich ja schließlich um Riesenapparate, die eine höchst verantwortliche Aufgabe, sagen wir mal, immer mit einem Grauschleier umgeben, wahrnehmen. Wir haben das ja jüngst gesehen, als es um die neue Zentrale des Bundesnachrichtendienstes in Berlin ging, um welche Größe und um welche Dimension es sich hier handelt.
    Barenberg: Sie haben also damals schon, mit dem damaligen Innenminister Otto Schily und mit Peter Struck, dem SPD-Fraktionsvorsitzenden, da lange drüber diskutiert und einen Vorschlag unterbreitet. Was wäre denn anders, wenn es einen Bundesbeauftragten oder einen Beauftragten des Bundestages gäbe, im Vergleich zu den Kompetenzen, die jetzt schon die Mitglieder im Parlamentarischen Kontrollgremium haben, aber oft eben aus Zeitmangel gar nicht wahrnehmen können?
    Bachmaier: Bisher werden Sie fast immer erlebt haben, dass dann, wenn Geheimdienstskandale ans Tageslicht kommen, dass es in aller Regel die Aufklärungsarbeit von tüchtigen Journalistinnen und Journalisten war.
    Barenberg: Vielen Dank!
    Bachmaier: Ja, das ist so. Das ist aber auch in Ordnung. Okay, Medien haben diese Aufgabe. Aber es ist im Bundestag, bei uns kann es eigentlich keine unkontrollierte Staatstätigkeit geben. Und Geheimdienste üben eine manchmal höchst effiziente, aber auch nicht ungefährliche Tätigkeit aus, und da muss das Parlament darüber wachen, das ist die Aufgabe des Parlamentes, auch die Regierung zu kontrollieren und die ihr nachgeordneten Organe. Und da gibt es eben einfach Grenzen in der klassischen Struktur der Parlamentskontrolle, und deshalb hat man schon damals, als man den Wehrbeauftragten geschaffen hat im Zuge der Schaffung der Bundeswehr gesagt, nein, das kann neben der laufenden Parlamentsarbeit her und mit nachgeordnetem Personal nicht geschehen. Hier muss jemand beauftragt werden, sich laufend um die Dinge zu kümmern, der immer Zugangsrecht zu allen denkbaren Informationen hat, der Besuche bei den Einrichtungen machen kann, der Nachforschungen anstellen kann, der Zeugen vernehmen kann. Also, in dessen Mittelpunkt der Tätigkeit diese Kontrollarbeit steht. Und das müssen dann die Dienste auch wissen, es gibt so jemand, der mit höchster Effizienz und auch entsprechender Erfahrung und auch entsprechender Sensibilität Kontrolle wahrnimmt. Schon das ist dann eine Art Prävention, ein Schutz davor, dass die Geheimdienste nicht aus dem Ruder laufen können.
    Barenberg: Sie haben selber gesagt und erwähnt, davon gesprochen, wie lange darüber schon diskutiert wird, dass Sie Vorschläge gemacht haben schon vor 15, vor 20 Jahren. Passiert ist recht wenig. Ist das ein Indiz aus Ihrer Sicht dafür, dass eine wirkliche Kontrolle gar nicht gewünscht ist, dass es am Willen mangelt?
    Bachmaier: Das weiß ich nicht. Aber es ist immer schwierig für das Parlament, sagen wir mal, zu sagen, jetzt reichen unsere eigenen traditionellen Ressourcen dafür nicht aus, jetzt müssen wir strukturell was verändern. Da tut sich ein Parlament immer schwer. Ob diejenigen, die kontrolliert werden sollen, und diejenigen, die die politische Verantwortung tragen, ein so gesteigertes Kontrollinteresse haben, weiß ich nicht. Aber das muss ein Parlament unabhängig davon leisten. Und ich weise noch mal darauf hin: Wir waren ja nicht die einzigen. Ich weiß nicht, wie Otto Schily heute darüber denkt, aber auf jeden Fall, wir waren nicht die einzigen, die sagte, nein, jetzt müssen wir da eine Einrichtung schaffen, die dazu geeignet ist, das zu machen. Und wenn nicht bei Geheimdiensten, wo denn dann?
    Barenberg: Lassen Sie uns zum Schluss noch über Edward Snowden sprechen! Im weitesten Sinne gehört er ja auch in unseren Themenbereich, denn es geht darum, wie weit für Aufklärung gesorgt werden kann und soll. Jetzt wird darüber gestritten: Soll er aussagen, wird er aussagen können? Was ist Ihre Haltung dazu?
    Bachmaier: Ich glaube, dass man um den Zeugen Snowden nicht herumkommen wird. Wie hat das [... unverständlich...] gestern formuliert: Er ist das zentrale Beweismittel in dem Untersuchungsauftrag, den der Untersuchungsausschuss mitbekommen hat. Und da ist es eben nicht aus Zeitungsveröffentlichungen und Ähnlichem dann zu eruieren, was Snowden gesagt hat. Da gilt das Unmittelbarkeitsprinzip, da muss man einen Zeugen hören. Dass das schwierig ist bei Snowden, das operativ zu gestalten, das ist mir schon klar, bei dem Stellenwert, den er hat, und bei der Gefahr, dass es dabei zu außenpolitischen Verwerfungen kommen könnte. Das sehe ich schon. Aber das muss ein Untersuchungsausschuss bewerkstelligen, da eine sinnvolle Vernehmungsgestaltung zu bekommen. Ob nun in Berlin oder wo auch immer.
    Barenberg: Muss es, Herr Bachmaier, auch die Bundesregierung bewerkstelligen und ihre Skepsis überwinden, ihre Einwände, was diplomatische Verwicklungen und möglichen außenpolitischen Schaden angeht?
    Bachmaier: Auch die Bundesregierung ist natürlich den Rechten, die der Untersuchungsausschuss hat, denen muss die Bundesregierung nachkommen. Das heißt, wenn der Untersuchungsausschuss verlangt, wir wollen den Zeugen Snowden hören, dann muss die Bundesregierung da letztlich mithelfen, eine solche Vernehmung zu bewerkstelligen. Natürlich ist es ihre Aufgabe, darauf zu achten, dass da kein großer Begleitschaden eintritt, aber wenn ich denn schon einen Untersuchungsausschuss schaffe, dann ist eben Snowden eine zentrale Figur, und da muss ich eben dann die Mittel dafür bereitstellen, dass eine Vernehmung möglich ist.
    Barenberg: Der SPD-Politiker Hermann Bachmaier, früher Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium zur Kontrolle der Geheimdienste, heute Morgen hier live im Deutschlandfunk. Danke, Herr Bachmaier, für das Gespräch!
    Bachmaier: Ich danke Ihnen, tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.