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Überwachung von WhatsApp
"Ein sehr schwerwiegender Eingriff"

Die Grünen-Politikerin Irene Mihalic hat den Vorstoß der Unionsparteien zur Überwachung von Messengerdiensten wie WhatsApp durch die Sicherheitsbehörden kritisiert. "Die Union hat bisher noch nicht deutlich machen können, wie sie diesen Eingriff verfassungsgemäß durchführen möchte", sagte sie im Dlf.

Irene Mihalic im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Irene Mihalic (Bündnis 90/Die Grünen) spricht am 17.02.2017 bei der Sitzung des Deutschen Bundestages in Berlin.
    Irene Mihalic sieht viele Probleme bei der Überwachung von Messenger-Diensten nicht gelöst (dpa/picture alliance/Bernd von Jutrczenka)
    Dirk-Oliver Heckmann: NGOs üben Kritik an der Flüchtlingspolitik von Bund und Ländern. Das ist Thema bei der Innenministerkonferenz in Dresden, wo aber auch die Anti-Terrorpolitik vor allem im Zentrum steht. Und darüber können wir jetzt sprechen mit Irene Mihalic. Sie ist Innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen. Schönen guten Tag!
    Irene Mihalic: Schönen guten Tag!
    Heckmann: Frau Mihalic, Innenminister Thomas de Maizière will, dass die Sicherheitsbehörden nicht nur Telefone abhören und SMS mitlesen können, wenn ein Richter das bei einem Terrorverdächtigen anordnet, sondern auch WhatsApp-Nachrichten. Dazu hat Bayerns Innenminister Joachim Herrmann heute früh im Deutschlandfunk Folgendes gesagt: "Wir wissen aber konkret von den Terroristen in den vergangenen Jahren in Ansbach und Würzburg, und wir wissen es von anderen auch, dass Terroristen auch WhatsApp benutzen. Der Ermittlungsrichter kann die Überwachung von SMS anordnen, nicht aber die von WhatsApp – dann würden die meisten Menschen in unserem Land den Kopf schütteln und sagen, ja, was soll denn das?"
    Große Voraussetzungen an Eingriff geknüpft
    Heckmann: Ja, was soll denn das? Fragen Sie sich das auch?
    Mihalic: Das Problem ist ja, dass solche Messenger-Dienste eben nicht nur von Terroristen benutzt werden, sondern eben halt auch von allen Bürgerinnen und Bürger. Ich vermute mal, dass Sie zum Beispiel auch vielleicht einen Dienst wie WhatsApp oder Telegram oder dergleichen benutzen. Das Problem an der Sache ist einfach, dass die Verschlüsselung heute praktisch die einzige Möglichkeit ist für Bürgerinnen und Bürger, ihre private Kommunikation wirklich zu schützen, und deswegen sind natürlich an einen solchen Eingriff ganz große Voraussetzungen geknüpft, das hat das Bundesverfassungsgericht auch schon dargestellt.
    Und ein weiteres Problem existiert natürlich auch noch, denn wenn sich der Staat Schwächen in einer Verschlüsselung irgendwie zunutze macht, um da die Kommunikation abzuhören, dann können diese Schwachstellen natürlich auch von Kriminellen beispielsweise benutzt werden. Da gibt es einen klassischen Zielkonflikt, und deswegen klingt diese Maßnahme jetzt vielleicht erst einmal gut und einleuchtend, aber viele Probleme in dem Bereich sind einfach noch nicht wirklich gelöst.
    Heckmann: Das heißt, Sie sind dagegen.
    Mihalic: Wir sind dagegen, einfach, weil es ein sehr schwerwiegender Eingriff ist, und weil die Union bisher noch nicht deutlich machen konnte, wie sie diesen Eingriff verfassungsgemäß durchführen möchte. Das ist eben das Problem.
    Lehren aus dem Fall Amri
    Heckmann: Aber es ist doch völlig absurd, Frau Mihalic, dass ein Richter anordnen kann, dass ein Telefon abgehört werden kann eines Terrorverdächtigen, und dass auch die SMS mitgelesen werden können, dass das aber gerade für einen Dienst wie WhatsApp, der eben nachweislich auch von Terroristen benutzt wird, eben nicht zugänglich sein soll. Das ist doch absurd.
    Mihalic: Was vor allen Dingen das Problem ist, dass Sicherheitsbehörden eben Probleme haben, diese Verschlüsselungstechnologie zu knacken, ohne das ganze Messenger-System sozusagen so zu beschädigen, dass alle Kommunikation offengelegt wird, und da liegt ja eben das Problem. Das Problem war in der Vergangenheit aber eben nicht. Und das lehrt uns ja der Fall Anis Amri, dass die Sicherheitsbehörden nicht in der Lage gewesen wären, die Kommunikation zu überwachen.
    Es existierten ja auch Chatprotokolle aus Messenger-Diensten zwischen Anis Amri und anderen Terrorverdächtigen. Insofern lag es nicht daran, dass die Sicherheitsbehörden bisher nicht in der Lage gewesen wären, an entsprechende Informationen zu kommen.
    Heckmann: Das mag sein. Aber Sie können auch nicht ausschließen, dass ein möglicher Terroranschlag verhindert werden kann, wenn zuvor die WhatsApp-Kommunikation mitgelesen werden kann.
    Mihalic: Das Problem ist einfach, dass, wenn man eine solche Maßnahme treffen möchte, dass die sich dann halt eben im Rahmen unserer verfassungsmäßigen Grenzen bewegen muss. Und da vermisse ich Vorschläge der Union, wie sie das eben konkret umsetzen will. Wenn es da Gesetzesvorlagen gibt, dann werden die entsprechend beraten, und dann müssen natürlich auch die Grenzen eingehalten werden, die das Bundesverfassungsgericht bereits gezogen hat. Ansonsten sehe ich da keine Möglichkeit.
    Positive Erfahrungen mit Schleierfahndung
    Heckmann: Kommen wir mal zum nächsten Punkt, zur Schleierfahndung. Bayerns Innenminister Herrmann möchte ja, dass diese Schleierfahndung bundesweit ausgedehnt wird, die es in Bayern ja bereits seit Jahren gibt. Und auch dazu hat sich Joachim Herrmann heute im Deutschlandfunk geäußert.
    Herrmann: Wir haben überaus positive Erfahrungen gemacht mit dieser Schleierfahndung. Es sind Tausende von Straftaten durch die Schleierfahndung entsprechend aufgedeckt worden. Leider ist es so, dass es immer noch Bundesländer gibt, die nicht dabei sind, und mein Anliegen ist, dass wir darüber noch einmal reden.
    Heckmann: Herrmann will also darüber reden. Tausende Delikte seien aufgedeckt worden. Ist das nicht tatsächlich eine sinnvolle Maßnahme?
    Mihalic: Bei der Schleierfahndung agiert ja gewissermaßen Kommissar Zufall. Das sind ja Kontrollen im Grunde genommen aus einem Bauchgefühl heraus – wen halte ich jetzt an, wen kontrolliere ich jetzt da als Polizei –, und nicht auf Grundlage konkreter Anhaltspunkte.
    "Hat nichts mit zielgerichteter Polizeiarbeit zu tun"
    Heckmann: Das mag ja sein. Aber wenn trotzdem Kriminelle dadurch ertappt werden, was ist dagegen zu sagen?
    Mihalic: Das hat aber mit zielgerichteter Polizeiarbeit nichts zu tun. Und wenn wir über die sinnvolle Verwendung von Personal und auch von wertvollen Ressourcen bei den Sicherheitsbehörden reden, dann sollte es uns doch primär darum gehen, eben die Polizistinnen und Polizisten zielgerichtet auf verdächtige Personen anzusetzen und nicht sozusagen frei im Raum herumfischen zu lassen in der Hoffnung, dass da vielleicht mal jemand dabei ist, dessen man habhaft werden möchte. Das ist sozusagen nicht zielgerichtet, das ist sozusagen dann vom Zufall abhängig, ob man dabei tatsächlich jemanden erwischt.
    Und ich muss sagen, in Bezug auf Herrn Herrmann, das ist ja das Erste, was der Union immer einfällt. Das sind immer schärfere Gesetze oder mehr Befugnisse für die Sicherheitsbehörden, aber ob die Befugnisse am Ende auch zu den Strukturen passen, das ist eben leider nicht Thema der Innenministerkonferenz. Dabei müsste man eigentlich mal über die verbesserte polizeiliche Zusammenarbeit länderübergreifend reden. Auch da gibt es Vorschläge, die wir kürzlich gemacht haben. Oder beispielsweise die Strukturen im Bereich der Nachrichtendienste, vor allem des Verfassungsschutzes. Darüber sollte die Innenministerkonferenz mal beraten. Da wäre sie auch das richtige Gremium.
    Fassunglos über Herrmanns Vorschlag
    Heckmann: Der dritte wichtige Punkt ist ein Vorschlag der Union, Minderjährige unter 14 Jahren sollen im Einzelfall vom Verfassungsschutz beobachtet werden können. Gefährden wir nicht die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger, wenn wir den Geheimdiensten in dieser Frage Beschränkungen auferlegen?
    Mihalic: Die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger wird doch in allererster Linie dadurch gefährdet, dass ja erkannte Terrorverdächtige oder dass halt eben Menschen, die drohen, sich irgendwie zu radikalisieren, dass da der Staat nicht rechtzeitig eingreift. Und ich bin, offen gestanden, recht fassungslos über diesen Vorschlag, wenn der Innenminister vorschlägt aus Bayern, Minderjährige, also Kinder vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Kinder, die sich radikalisieren, sind kein Fall für die Nachrichtendienste, sondern für das Jugendamt. Der Staat kann doch nicht zusehen, wie Kinder sich immer weiter radikalisieren und drohen, zu Terroristen zu werden, und dann nicht eingreifen.
    Heckmann: Vielleicht ist es die Aufgabe von beiden Institutionen.
    Mihalic: Hier müssen Präventionsmaßnahmen und Deradikalisierungsmaßnahmen greifen. Auch da hat die Innenministerkonferenz immer wieder angekündigt, dass sie eine bundesweite Präventionsstrategie gerade für den Jugendbereich vorlegen möchte. Geschehen ist bisher nichts. Stattdessen möchte Herr Herrmann Kinder lieber vom Nachrichtendienst beobachten lassen, und dann schaut der Staat gewissermaßen zu, wie Kinder sich immer weiter radikalisieren und am Ende vielleicht sogar noch zu Terroristen werden. Das kann nicht Sinn der Sache sein.
    "Verfassungsschutz darf ja gar nicht eingreifen"
    Heckmann: Er will ja eben nicht, dass der Staat zuguckt, sondern dass der Staat eben eingreift bei den Fällen, bei denen Präventioin eben nicht mehr nützt.
    Mihalic: Aber der Verfassungsschutz darf ja gar nicht eingreifen. Er darf ja eben nur beobachten. Und mir ist kein Gesetz bekannt, was den Verfassungsschutz beispielsweise daran hindern würde, wenn irgendwo ein Kind oder ein Jugendlicher droht, sich weiter zu radikalisieren, was den Verfassungsschutz daran hindern würde, dann die Jugendbehörden zu informieren.
    Insofern ist das eine Forderung, die greift absolut ins Leere, die fällt in die Kategorie markige Sprüche und geht völlig am Ziel vorbei. Die Innenministerkonferenz sollte endlich ihre leeren Versprechungen wahr machen und tatsächlich eine bundesweite Präventionsstrategie vorlegen. Da existiert im Moment ein heilloser Flickenteppich. Und da müsste man ansetzen, um tatsächlich zu verhindern, dass Menschen sich weiter radikalisieren und am Ende zu gefährlichen Terroristen werden.
    Heckmann: Irene Mihalic war das von den Bündnisgrünen zur Innenministerkonferenz heute in Dresden. Frau Mihalic, Danke Ihnen für das Gespräch!
    Mihalic: Auch von mir herzlichen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.