Archiv

Überwachungsstreit im US-Senat
"Am Ende des Tages kommt dieses neue Gesetz"

Der US-Senat konnte sich bisher nicht auf eine Reform der NSA-Spionageprogramme einigen. Das liege an einer Art Familienduell zwischen zwei Senatoren, sagte der US-Politikwissenschaftler Andrew Denison im DLF. Sie wollten ihr politisches Profil schärfen. Auf Dauer verhindern könnten sie das Gesetz nicht.

Andrew Denison im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Andrew B. Denison, Publizist und Politologe aus den USA, aufgenommen am 08.05.2014 während der ZDF-Talksendung "Maybrit Illner"
    "Die Sicherheitsgefahr für Europa und Amerika ist durch diese Diskussion gering, sehr gering", sagte Denison. (dpa / Karlheinz Schindler)
    Dirk-Oliver Heckmann: Bis Mitternacht Ortszeit hätte sich der Senat darauf verständigen müssen, sollen die Abhörprogramme von NSA und FBI, die nach dem 11. September 2001 eingeführt worden waren, verlängert werden, oder sollen die Befugnisse, amerikanische Staatsbürger abzuhören, eingeschränkt werden. Denn um Mitternacht liefen die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen aus. Interessanterweise lag es ausgerechnet an einem Republikaner, der einer Einigung im Wege stand. Es handelt sich um den Präsidentschaftsbewerber Rand Paul. Am Telefon begrüße ich jetzt Andrew Denison. Er ist Politikwissenschaftler und Direktor des Think Tanks Transatlantic Networks. Schönen guten Tag!
    Andrew Denison: Guten Tag, Herr Heckmann.
    Heckmann: Herr Denison, ausgerechnet die Republikaner sorgen dafür, dass NSA und FBI ihre Überwachungsprogramme herunterfahren müssen - erst mal jedenfalls. Das hätte es vor ein paar Jahren noch nicht gegeben. Was ist da los?
    Denison: Oft ist es so in Amerika, dass eine kleine Minderheit blockieren kann, vor allem im Senat, wo zwei Senatoren aus Kentucky eine Art Familienduell austragen. Der eine, McConnell, der will es etwas strenger und robuster haben als das, was jetzt gerade verabschiedet worden ist im Repräsentantenhaus, das sogenannte Freedom Act. Der Rand Paul auf der anderen Seite meint, das geht alles zu weit, und will das verhindern. Aber am Ende des Tages kommt dieses neue Gesetz, und ein Grund, warum diese Leute das so gespielt haben, ist natürlich ihre Suche nach politischem Profil.
    "Am Ende wird er nicht eine überparteiliche Mehrheit verhindern können"
    Heckmann: Rand Paul geht das alles zu weit, haben Sie gerade gesagt. Greift er damit auch eine Stimmung in der Bevölkerung auf? Dämmert es jetzt vielen, dass man da möglicherweise mit der Überwachung zu weit gegangen ist in den vergangenen Jahren?
    Denison: Ja, eine Stimmung in der Bevölkerung greift er auf. Das ist ja seine Wählerschaft. Er kommt von der libertären Tradition und die haben schon lange Probleme gehabt mit dem amerikanischen Staat insgesamt und deren Aufklärung, deren abgedeckten Aufklärung ganz besonders. Und es ist so: Demokratien haben es nicht einfach mit der Geheimhaltung von ihren Sicherheitsdiensten. Auf der anderen Seite: die müssen sich sicher halten. Was wir aber sehen ist, dass so einer wie Rand Paul verhindern kann, ein bisschen Rampenlicht auf sich ziehen kann, aber am Ende wird er nicht eine überparteiliche Mehrheit verhindern können, die ein neues Gesetz verabschieden werden.
    Heckmann: Das wirft allerdings auch die Frage auf, wie zielgerichtet und wie erfolgversprechend eine solche Strategie sein soll.
    Denison: Ja, eben. Wie gesagt, es wird dieses Gesetz nicht verhindern können, obwohl eine Minderheit im Senat das immer wieder kann, jeder Art. Aber es gibt jetzt, meine ich, schon die 60 Senatoren, die man braucht, um letztendlich das Gesetz noch mal im Senat zu verabschieden. Und was nimmt Rand Paul daraus? Er hat ein bisschen mehr Geld für seine Wahlkampfkasse. Er wird nicht Präsident werden, aber seine Botschaft wird durch ihn weiter verbreitet in den kommenden Monaten.
    Heckmann: NSA und FBI müssen derzeit jedenfalls ihre Abhöraktivitäten ruhen lassen. Bedeutet das aus Ihrer Sicht ein Sicherheitsrisiko auch für Europa?
    Denison: Ja. Obama selbst hat am Freitag gesagt, als er das ganze Theater kritisiert hat, es wäre furchtbar, wenn gerade in dieser Zeit ein Problem kommen würde, wo man gern auf die digitalen Spuren irgendwelcher Krimineller oder Terroristen zurückgreifen könnte. Aber es ist ein vorübergehendes Problem. Zur Not gibt es auch andere Wege unter dem Patriot Act, andere Gesetze, doch noch Metadaten zu sammeln, auch Internet-Metadaten. Wenn dieser neue Freedom Act kommt, dann wird es allerdings schwieriger sein. Aber die Sicherheitsgefahr für Europa und Amerika ist durch diese Diskussion gering, sehr gering.
    "Überwachung der Deutschen spielt nicht so eine große Rolle in der Diskussion"
    Heckmann: NSA und FBI müssen ihre Aktivitäten derzeit ruhen lassen. Das habe ich gerade schon gesagt. Bei der ganzen Diskussion geht es um die Überwachung amerikanischer Staatsbürger. Die Überwachung von Ausländern, die hier so stark debattiert wird, die spielt keine Rolle. Weshalb ist das so?
    Denison: Erstens ist es so, dass die Überwachung der Deutschen nicht so eine große Rolle in der Diskussion spielt, wie die Deutschen das gerne haben möchten. Allerdings bei der gleichen Reformkommission, die Vorschläge gemacht haben für dieses neue Freedom Act-Gesetz, wo die Vorratsdatenspeicherung auch wie jetzt in Deutschland wahrscheinlich bei den Telefonfirmen, nicht in den von Steuerzahlern bezahlten Rechnern der NSA landen wird, diese Gesetze werden weiter gehen und die Frage - Entschuldigung, jetzt habe ich mich versprochen. Können Sie das noch mal wiederholen?
    Heckmann: Es ging um die Frage, weshalb eigentlich die Diskussion um die Überwachung von Ausländern in den USA nicht so eine Rolle spielt.
    Denison: Okay, und da war eine Kommission und die hat auch vorgeschlagen, künftig sollten die Amerikaner in ihrer Aufklärungsarbeit auch die Bürgerrechte von anderen in Betracht ziehen. Denn die politischen Konsequenzen haben wir in den deutsch-amerikanischen Beziehungen auch gesehen. Die sind problematisch. Aber es ist immerhin Auftrag der NSA, erst mal alles abzuklären, und die Bürgerrechte der Deutschen sind dann sekundär.
    Heckmann: In Betracht zu ziehen, das heißt nicht, diese Überwachung auszuschließen. Wie stark sind denn die deutsch-amerikanischen Beziehungen beschädigt durch die Veröffentlichungen der vergangenen Wochen und Monate?
    Denison: Es gab gerade eine neue Meinungsumfrage dazu von PEW zu den deutsch-amerikanischen Beziehungen. Wir sehen uns immer noch als verlässliche Verbündete, obwohl das Vertrauen in Deutschland mehr gefallen ist als in anderen europäischen Ländern. Aber ich denke, es gibt eine große Mehrheit in beiden Ländern, die die Notwendigkeit der Zusammenarbeit verstehen. Die Amerikaner würden gern von den Deutschen ein bisschen mehr Beteiligung in der Sicherheitspolitik, einen härteren Kurs gegen die Ukraine, mehr Teilnahme gegen ISIS, die Deutschen sind nicht dafür bereit, aber trotzdem gibt es Vertrauen nach dieser Meinungsumfrage.
    "Ich frage mich, ob die Bundesregierung das überhaupt fragen würde"
    Heckmann: Herr Denison, die Bundesregierung, die hat ja bei der amerikanischen Regierung um Erlaubnis gebeten, die Liste der sogenannten Selektoren - das sind ja diese Kriterien, nach denen die Kommunikation überwacht wird - dem Bundestag zur Kenntnis zu geben, oder zumindest ausgewählten Mitgliedern des Bundestages. Können Sie sich vorstellen, dass Washington dem zustimmt, oder ist das komplett ausgeschlossen?
    Denison: Genau wie ich mir erstens kaum vorstellen könnte, dass die Bundesregierung nach einem No-Spy-Abkommen mit Amerika gefragt hat, wo es jetzt rauskommt, dass die Amerikaner Nein gesagt haben, so auch bei der Veröffentlichung so einer Liste. Ich frage mich, ob die Bundesregierung das überhaupt fragen würde, denn sie müssten doch wissen, die Amerikaner werden Nein sagen, denn die Amerikaner haben seit eh und je gesagt, wir geben keine Informationen über Quellen oder Methoden heraus - Punkt! Es gibt nichts, denke ich, was Deutschland machen könnte, um die Amerikaner da bei ihrer Meinung zu ändern.
    Heckmann: Das heißt, die Entscheidung ist aus Ihrer Sicht da schon längst gefallen?
    Denison: Ja! Die Frage war fast konstruiert, meine ich, denn wie könnte denn die Regierung denken, dass Amerika ein No-Spy-Abkommen unterschreiben würde mit nur Deutschland, und wie könnte die Regierung denn denken, dass die Amerikaner grünes Licht geben würden über all unsere angeblichen Selektoren, wie auch immer die aussehen. In dem Sinne, vielleicht ist das etwas, das mehr in der Opposition konstruiert wird, und im Kanzleramt wusste man schon immer, die Amerikaner werden Nein sagen.
    Heckmann: Das heißt, möglicherweise wird da aus Ihrer Sicht auch ein Schauspiel inszeniert für die deutsche Öffentlichkeit?
    Denison: Ja! Obwohl es greift gar nicht. Wir haben auch in Meinungsumfragen in Deutschland gesehen, die Sache mit der NSA: Alle gucken "Homeland" und die nehmen, ich glaube, an, dass das gemacht wird, aber vertrauen den Amerikanern, das doch nicht so zu missbrauchen, wie manche in der Opposition behaupten.
    Heckmann: Andrew Denison war das, Politikwissenschaftler und Direktor des Think Tanks Transatlantic Networks. Herr Denison, danke Ihnen für das Gespräch!
    Denison: Ja, mein Vergnügen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.