Kraftvoll steht der 84-jährige Künstler da, braune Cordhose, kurzärmeliges weißes T-Shirt unter schwarzer Steppweste, zwischen Schwarzweiß-Bildern, die auf Plastikplanen auf ihre Hängung warten, und alten gebrauchte Geräten wie Schreibmaschine und Staubsauger. Auf dem Boden: eine seltsame Apparatur.
"Hier ist eine Waschtrommel, die voller Nägel ist. Das ist dann auch aus der eigenen Familie noch, meine erste Waschmaschine für den Marcel, der damals geboren wurde. Da war ich ja so froh, weil ich die Windeln ja mit den Händen gewaschen habe und da ist dann Rotation mir zur Hilfe geeilt und ich brauchte nicht mehr mit den Händen diese Gazewindeln zu waschen. Das waren merkwürdig Gebilde."
Jetzt wäscht die Maschine Nägel, allerdings ohne Wasser. Und das tut sie seit den 1960er Jahren, denn sie gehört zu dem sogenannten Terrororchester, zu einer Installation, für die der Künstler Maschinen zu Klangobjekten zusammengebaut hat.
Der Düsseldorfer will wach rütteln, mahnen und zur Verständigung aufrufen. Mit Bedacht wählt er seine Worte, wenn er über seine Kunst spricht und erklärt, dass sie ihn selber auch verstören kann:
"Das sind so Atavismen. Was da in mir vorgeht, was da bildnerisch in mir zum Ausdruck kommt, das ist mir ganz zu eigen und das verstört mich schon, wenn ich das betrachte, und befriedet auch diesen Zusammenhang sich dessen bewusst zu sein, wozu ist der Mensch überhaupt fähig zu all welchen Sorten von Zusammenhängen?"
Der Mensch im Mittelpunkt
Der Mensch steht im Mittelpunkt des Künstlers Uecker, der Mensch mit all seinen Facetten, den lauten und den leisen, den gewaltvollen und den zärtlichen. Und das spiegelt sich auch in seiner Kunst wieder, die mal laut, mal leise daher kommt. Zum Beispiel die leisen kontemplativen Felder, wie Uecker seine Nagelbilder nennt. Nagel um Nagel hat er da in die Holzplatte getrieben, die vor ihm auf dem Boden lag:
"Ich knie da drauf und mache das wie ein Acker. Manchmal 24-48 Stunden ohne Schlaf, das weiß ich gar nicht mehr. Weil die Zeit ist ja, die man wahrnimmt im Handeln eine andere als die Uhrzeit, die man messen kann."
Günther Uecker lacht oft, streicht sich mit der rechten Hand immer wieder über den kurz geschorenen Kopf. Im großen Ausstellungssaal des K20 steht er vor solch einem kontemplativen Feld und streichelt über die Nägel, als wären sie tatsächlich Ähren im Wind.
"Das habe ich ja als Bauernjunge erlebt, dass sich die Felder so an der Ostsee im Wind verhielten. Und das hat mit meiner Naturwahrnehmung als Kind zu tun".
Der Schüler "fürs Elektrische"
Günther Uecker ist zu vielem fähig und mit der Bezeichnung "Nagelkünstler" wird man ihm nicht gerecht. Während er sich weiter mit dem Ausstellungsaufbau beschäftigt, kümmert sich sein ehemaliger Schüler Jochen Saueracker um die Einzelteile des Terrororchesters.
Er ist zuständig: "Fürs Elektrische, für die Ströme sozusagen."
Denn die elektrischen Apparate wie die Waschtrommel müssen gewartet und von einer Art TÜV für gut befunden sein. Jochen Saueracker steckt zwei dicke schwarze Stecker ineinander, während er mit dem Kopf auf eine Apparatur weist, die zwischen all den anderen steht.
"Das ist das Große hier."
Schon fängt die Maschine aus Holzstangen, Hammer, Seil und Winde an zu klingen:
"Man hört den Motor, der dann den Hammer hochzieht und frei gibt. Das hat Uecker selber gebaut. Uecker gehört wirklich zu den Künstlern, die selbst hier in der Ausstellung beim Aufbau die Arbeiten mit in der Hand haben, mit hängen, also als Künstler wirklich eine Präsenz hat und alle Werke, die man hier sieht, die hat er wirklich gemacht. Das ist selbst für mich, als jemand, der ihn kennt, immer wieder beeindruckend."