"Die Hose muss sein, die ist gut, die läuft noch ein bisschen ein. Ja, so."
Dimitri - der mit Vornamen eigentlich anders heißt - kleidet sich in einem Armeeshop in München ein. Er ist 18 Jahre alt. Ein Gymnasiast. Zur Militärhose kauft er eine gefütterte Jacke gegen die winterliche Kälte in seiner alten Heimat, der Ukraine.
"Und kann man hier darauf ein ukrainisches Zeichen aufnähen? Ja, aber keine deutschen. Ich bin nicht in der deutschen Armee, Gott sei Dank gibt es hier keinen Krieg jetzt. Nein, Gott sei Dank."
Dimitri hat ein rundes, ein noch kindlich wirkendes Gesicht. Er lässt sich einen Bart wachsen, wohl um älter und männlicher auszusehen. Seit drei Jahren lebt er mit seiner Mutter, einer Spätaussiedlerin, in München. Eigentlich wollte er in zwei Jahren sein Abitur machen. Doch der Krieg in seiner alten Heimat hält ihn davon ab, weiter die Schulbank zu drücken. Donezk in der Ostukraine, wo er vor seiner Übersiedlung nach Deutschland lebte, sei ein Schlachtfeld und von den Rebellen besetzt, sagt er. Der junge Mann hat sich in seiner Schule abgemeldet und dem Direktor gesagt, dass er nun für die Befreiung von Donezk kämpfen will. Auch Journalisten erzählt Dimitri bereitwillig, was ihn zu seiner Entscheidung bewogen hat.
"Ich bin am 22. Januar 18. geworden. Ich habe so dachte, ich muss als Erstes sozusagen, was ich mit meiner Volljährigkeit anfangen muss, ist es, mich in dieser Einheit zu engagieren und mein Land zu verteidigen und dann meine Heimatstadt auch zu befreien."
Schüler schießt leidenschaftlich gerne
Dimitri schießt leidenschaftlich gerne - und nicht nur mit dem Luftgewehr. Auch deshalb glaubt er, für den Krieg gut vorbereitet zu sein. Die Bilder von den Kämpfen um Donezk kennt er aus unzähligen Internetvideos und -berichten. Er wolle nicht tatenlos zusehen, wie seine alte Heimat in Schutt und Asche gelegt werde, sagt er. Ein Teil seiner Familie lebt in Donezk. Es ist die väterliche Linie. Zu seinem Vater hat Dimitri allerdings schon lange keinen Kontakt mehr. Der hat die Familie verlassen, als der Junge sechs Jahre alt war. Dimitri meint, sein Vater sei ihm nie ein Freund gewesen. Und jetzt stehen sie auf unterschiedlichen Seiten, denn sein Vater hält zu den Russen. Mit seinen Großeltern telefoniert Dimitri ab und zu. Er wirkt nachdenklich, wenn er von Oma und Opa erzählt. Er habe Verständnis für sie, auch wenn die Großeltern seiner Ansicht nach auf der falschen Seite stehen, auf der Seite des Gegners.
"Naja, es ist halt logisch, weil sie selber aus Russland, aus dem Gebiet Kursk kommen. Und die sind technisch Russen und mental sind die auch Russen."
Dimitri verbringt seine letzten Tage vor der Abreise mit seiner Mutter in München. Seine Schulfreunde sind geteilter Meinung über seine Entscheidung, in den Krieg ziehen zu wollen. Die Jungs hätten Verständnis, berichtet er, die Mädchen eher nicht. Eine Freundin hätte zwei Tage lang auf ihn eingeredet, damit er die Reise in die Ukraine abbläst - erfolglos. Und auch der Schulleiter wollte ihn zum Bleiben überreden.
"Mein Direktor hat gesagt, dass ich nur ein Kanonenfutter dort werde, weil ich nichts kann. Aber ich glaube schon, dass ich mich gut vorbereiten werde in diesem Vorbereitungslager. Und dann werde ich schon etwas können."
Abreise in die Ukraine
Am vergangenen Sonntag war es soweit: Dimitri hat München verlassen. Morgens hat er noch einen Gottesdienst der ukrainisch-orthodoxen Kirche besucht. Ungefähr 15 Freunde und Bekannte sind gekommen, um sich von ihm zu verabschieden. Gemeinsam stimmen sie die ukrainische Hymne an.
Auf der stundenlangen Fahrt in ein militärisches Ausbildungslager in der Nähe des westukrainischen Lemberg ist Dimitri wortkarg; er wirkt in sich zurückgezogen. Er will nicht über seine Gefühle reden. Eine Frau sitzt im Kleinbus neben ihm. Sie findet es gut, dass ein 18-Jähriger in den Krieg ziehen will. Auch sie wolle nicht, dass die Russen ihre Heimat besetzen, sagt sie weinend.
"Will nicht lassen, das unsere Land. Nein, das passiert nicht. Der letzte Ukrainer wird tot, wenn Russen holen unsere Erde. Das passiert nicht."
Dimitri ist inzwischen im Ausbildungslager angekommen. Es gehört zu einem Bataillon der Nationalen Verteidigung. Eine Miliz mit fragwürdigem Hintergrund. Sie ist Teil der rechtsextremen UNA-UNSO-Partei. Eine jener Splittergruppen, die den Krieg von ukrainischer Seite her ideologisch befeuern. Der erst 18-Jährige behauptet, er wisse, worauf er sich einlässt. Er wisse um den Ruf der Miliz. Er wolle die von Russland unterstützten Separatisten aus der Ukraine verdrängen - koste es, was es wolle.
"Ja, ich bin bereit für die Ukraine zu sterben. Und für Dompas, für Donezk", sagte Dimitri bereits vor seiner Abreise. Er weiß also, dass er getötet werden kann. Und er weiß, dass er vielleicht seinem für die Russen kämpfenden Vater begegnen wird. Und bei dem Gedanken kommen im Sohn nicht bewältigte Gefühle hoch:
"Wenn ich ihn treffe in einem Kampf, dann bin ich völlig bereit, ihn zu erledigen."