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Ukraine
Angst um die Universität von Donezk

Von den Kämpfen in der Ostukraine ist auch die Universität in Donezk betroffen. Studierende und Lehrkräfte wissen nicht, ob es ein nächstes Studienjahr geben wird. Sie sind wütend - nicht nur auf die Separatisten, sondern auch die ukrainische Regierung.

Von Sabine Adler |
    Ein Panzer fährt auf der Straße.
    Der Nationale Sicherheitsrat rät den Einwohnern von Donezk zur Flucht. Viele Studenten sind nach Kiew gegangen. (dpa / picture alliance / Yann Foreix)
    Kein Wort entgeht Maria Kalus von dem, was der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates von der Front im Osten meldet. Er rät den Einwohnern von Donezk zur Flucht. Die Einnahme der Stadt stehe angeblich kurz bevor.
    Die Welt war noch einigermaßen in Ordnung, als Swjatsowslaw Wakartschuk Donezk beehrte. Der Sänger der Band Okean Elzy ist eine Berühmtheit in der Ukraine.
    Wakartschuk unterstützte mit seiner Popularität die Maidan-Bewegung in Kiew. Er warb für sie in den Regionen, auch in Donezk, an der Universität, wo Maria Kalus bis zum Sommer unterrichtete. Ihre Studenten waren kaum jünger als sie selbst. Sie rufen sie jetzt an, wollen von ihrer Germanistik-Dozentin wissen, ob und wie es ab dem 1. September weitergeht. Maria Kalus weiß es nicht, sie hat die Stadt, in der sie vor 25 Jahren geboren wurde, verlassen, ist nach Kiew geflohen voller Sorge und wütend.
    "Ich hab große Angst und ich kann nicht sagen, dass ich zufrieden bin mit der Regierung. Weil man nicht weiß, wie das alles ausgeht. Weil ich da im Osten immer noch Verwandte habe, die dort geblieben sind und um die ich mir jeden Morgen Sorgen mache. Man kann menschlich nicht die Regierung unterstützen, die diese Befehle gibt."
    80 Prozent anfangs gegen die Maidan-Bewegung
    Marias Eltern und ihre Schwester harren in Donezk aus, berichten von schlaflosen Nächten, Artilleriefeuer, Schießereien. Vor allem junge mobile Leute sind geflohen, geblieben sind die, die eine Wohnung, eine eigene Firma und Arbeit haben, um das Geschaffene zu beschützen.
    80 Prozent der Lehrkräfte und Studenten an der Universität von Donezk, so schätzt die Dozentin, waren anfangs gegen die Maidan-Bewegung in Kiew. Quasi vor ihren Augen besetzten die Separatisten die Gebietsverwaltung von Donezk, denn das Gebäude liegt nah der Uni. Jetzt zerbricht sich die Hochschullehrerin den Kopf, ob es überhaupt noch steht, in wessen Händen es sich befindet.
    "Ich habe vor einem Monat mitgekriegt, als Slawiansk befreit wurde, kamen die Separatisten nach Donezk und haben ein paar Studentenwohnheime von unserer Uni besetzt. Da gibt es jetzt keine Studenten, die haben Ferien. Aber viele Menschen aus Donezk behaupten, dass sich dort viele Separatisten lokalisiert haben."
    Maria kennt an der Uni niemanden, der sich den Separatisten angeschlossen hat. Die meisten Dozenten und Studenten hielten Distanz, zu beiden Lagern.
    "Man hat das an der Universität nicht viel diskutiert. Obwohl wir auch ein Treffen mit Wakartschuk hatten, der sich für die einheitliche Ukraine ausgesprochen hat. Offiziell ist die Universität apolitisch. Deswegen kann jeder seine eigene Meinung haben, nichts ist verboten. Wir haben nur die Studenten gebeten, vorsichtig zu sein und an keinen Demonstrationen teilzunehmen, weil es lebensbedrohlich sein könnte."
    Sie fühlt sich als Ukrainerin, doch die Anti-Terror-Operation der Regierung lehnt sie ab:
    "Ich glaube, man hätte viel früher reagieren müssen. Es waren am Anfang, im April, 100 Menschen, die die Separatisten unterstützten, die anderen führten ihr normales Leben. Da gab es nur ein besetztes Gebäude nur ein paar Demonstrationen. Und warum hat man darauf nicht reagiert?"
    "Russland haben wir einfach verloren"
    Inzwischen gab es die dritte Teilmobilmachung. Noch immer sind Studenten ausgenommen, doch wie lange noch?
    "Natürlich haben die Jungs jetzt Angst. Obwohl ich nicht verstehe, wie dann diese Männer, egal welche Seite sie unterstützen, wie werden sie dann in ihren eigenen Städten kämpfen und wie werden sie dann Häuser zerstören, von Nachbarn oder so?"
    Maria Kalus hofft, dass es ein nächstes Studienjahr in Donezk geben wird. Sie ist jetzt fast täglich am Maidan in Kiew. Nahe fühlt sie sich den Kämpfern auf diesem traditionsreichen Platz nicht.
    "Die Ukraine hat viel verloren. Das Abkommen, das wir bekommen haben, ist keine EU-Mitgliedschaft und bringt im Großen und Ganzen fast nichts. Die Europäische Union möchte auch keine so große Summe in die Ukraine investieren. Und was Russland angeht: Russland haben wir einfach verloren."