Ungeachtet des umstrittenen Demonstrationsverbots haben Zehntausende proeuropäisch gesinnte Ukrainer auf den Straßen Kiews gegen die Regierung protestiert. Dutzende Menschen trugen Karnevalsmasken, Mundschutze, Helme, Töpfe, Siebe oder Kartons auf dem Kopf, um die jüngst verschärften Sanktionen für vermummte Demonstranten lächerlich zu machen.
Präsident Viktor Janukowitsch hatte erst am Freitag ein Gesetzespaket unterzeichnet, welches das Demonstrationsrecht beschneidet und unter anderem Geldstrafen für Demonstranten vorsieht, die sich etwa mit Gesichtsmasken oder Helmen vermummen. Für den ungenehmigten Aufbau von Bühnen und Zelten auf öffentlichen Plätzen können 15 Tage Haft verhängt werden, bis zu fünf Jahre Gefängnis drohen für die Blockade öffentlicher Gebäude. Auch die Strafen für "Verleumdungen im Internet" wurden verschärft.
Beschneidung des Demonstrationsrechts wurde auch im Ausland kritisiert
Außerdem hatte ein Gericht in Kiew am Mittwoch ohne Angaben von Gründen entschieden, dass im Zentrum von Kiew bis zum 8. März nicht mehr demonstriert werden dürfe. Ungeachtet des Verbots hatte die Opposition für Sonntag zu den Massenprotesten aufgerufen. Die Beschneidung des Demonstrationsrechts wurde im In- und Ausland heftig kritisiert.
Der Oppositionspolitiker und Ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko nannte die Gesetzesänderungen bei einer Rede erneut illegal und forderte die Sicherheitskräfte auf, sich der Protestbewegung anzuschließen. Arseni Jazenjuk, Chef der Partei der inhaftierten Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko, sprach dem Parlament jegliche Legitimität ab und verlangte die Gründung eines "Volksrats aus Politikern der Opposition".
Mit Holzknüppel gegen Polizeiabsperrungen
Am Rande der Massenproteste kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Hunderte mit Holzknüppeln ausgerüstete und mit Masken vermummte Personen wollten eine Absperrung durchbrechen. Sie versuchten, in das Regierungsviertel vorzudringen und das Parlamentsgebäude zu stürmen.
Klitschko wurde angegriffen, als er versuchte, die wütende Menge zu beruhigen, wie Medien berichteten. Demnach wurde er mit einem Feuerlöscher besprüht. Die Polizei setzte Blendgranaten und Tränengas ein. Bei tiefen Minustemperaturen fuhren Einsatzkräfte einen Wasserwerfer auf.
Oppositionspolitiker wegen Erfolglosigkeit ausgepfiffen
Den Oppositionspolitikern bläst inzwischen aus der Bevölkerung ebenfalls Wind ins Gesicht. In Kiew wurden sie von der Menschenmenge ausgepfiffen. Man wirft ihnen Planlosigkeit und das Fehlen einer echten Führungsfigur vor. Die Protestbewegung hatte angesichts fehlender Erfolge zuletzt erkennbare Lähmungserscheinungen gezeigt.
Der Maidan genannte Unabhängigkeitsplatz in Kiew ist seit November die zentrale Anlaufstelle für die Oppositionsanhänger. Sie protestieren gegen die Entscheidung Janukowitschs, ein über Jahre ausgehandeltes Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union nicht zu unterzeichnen. Der Präsident handelte dabei offenbar auf Druck Russlands, das ihm anschließend einen Milliardenkredit und einen Preisnachlass bei Gaslieferungen gewährte.