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Ukraine
"Böses Erwachen" nach großen Wahlversprechen?

Der Sieg von Wolodymyr Selenskyj bei der Stichwahl um das ukrainische Präsidentenamt war eindeutig. Es sei eine Protestwahl gewesen gegen die "gesamte politische Elite in der Ukraine", sagte Dlf-Korrespondent Florian Kellermann. Zweifel seien angebracht, weil Selenskyj vieles offen lasse.

Florian Kellermann im Gespräch mit Peter Sawicki |
21.04.2019, Ukraine, Kiew: 5856062 21.04.2019 Ukrainian presidential candidate Volodymyr Zelensky speaks during a news conference at his campaign headquarters following a presidential election in Kiev, Ukraine. Stringer / Sputnik Foto: Stringer/Sputnik/dpa |
Der TV-Star Wolodymyr Selenskyj hat bei der Stichwahl in der krisengeschüttelten Ukraine haushoch gewonnen (Stringer / Sputnik / dpa)
"Ich denke in erster Linie war es eine Wahl gegen Poroschenko", sagte Dlf-Korrespondent Florian Kellermann. "Der Mann hat sich sehr unbeliebt gemacht." Es sei nicht nur eine Protestwahl gegen den bisherigen Amtsinhaber gewesen, sondern gegen die "gesamte politische Elite in der Ukraine".
Poroschenko habe es versäumt, die Korruption wirklich zu bekämpfen im Land, so Kellermann. Die Menschen seien außerdem "einfach ärmer geworden" - etwa durch steigende Gaspreise. Zudem habe Poroschenko sein Versprochen, den Krieg in der Ostukraine innerhalb von wenigen Monaten zu beenden, nicht eingehalten.
Wie geht es weiter im Ostukraine-Krieg?
Sieger Selenskyj habe im Wahlkampf eine Ukraine ohne Korruption und ohne Armut versprochen. Der Kandidat habe aber "nicht gesagt, wie er das machen will". Der neue Präsident habe in sein Team einige Reformer geholt, etwa zwei ehemalige Minister Poroschenkos, die unter dem bisherigen Amtsinhaber nicht zum Zuge gekommen seien.
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hält eine Rede vor dem Parlament.
Der bisherige ukrainische Präsident Petro Poroschenko (AFP / Genya Savilov)
Zweifel lasse Selenskyj bei seiner Haltung zum Konflikt mit Russland aufkommen, so Kellermann: "Zum Beispiel was er eben zum Krieg in der Ostukraine sagt. Da nennt er nie Ross und Reiter. Er sagt nicht, es ist Russland, das hier eine Aggression gegen unser Land angefangen hat, sondern er spricht immer davon, dass dieser Krieg unbedingt mit allen Mitteln beendet werden müsse."
Und es sei klar, dass das eben nur geht, wenn man Zugeständnisse an Russland macht. "Und welcher Art diese Zugeständnisse sein könnten, das ist bisher unklar, dazu sagt er nichts. Das wirft wichtige Fragen auf."
Oligarch im Hintergrund
Kellermann beleuchtete die Rolle des Oligarchen Igor Kolomoiski, der bei Selenskyj im Hintergrund stehe. "Dieser Oligarch wird also einen erheblichen Einfluss bekommen auf die ukrainische Politik." Kolomoiski sei ein Gegenspieler Poroschenkos. Dieser Oligarch habe seine Bank verloren, sie sei nationalisiert worden. Es stehe zu befürchten, dass er dies revidieren möchte. "Möglicherweise mit erheblichen Folgen für das ukrainische Finanzsystem."
Bereits im Herbst steht die Parlamentswahl in der Ukraine an. Wenn bis dahin angesichts der großen Wahlversprechen Enttäuschung bei Selenskyjs Wählern aufkomme, "dann kann es sein, dass er bei der Parlamentswahl ein böses Erwachen erlebt", so Kellermann.
Der prowestliche Schauspieler Selenskyj war der Wahlkommission zufolge nach Auszählung von mehr 90 Prozent der Wahlzettel bei der Abstimmung vom Sonntag auf 73 Prozent der Stimmen gekommen. Der bisherige Amtsinhaber Poroschenko erhielt 24,5 Prozent der Stimmen.