Der russische staatliche erste Kanal am vergangenen Sonntag: Der Nachrichtenfilm zeigt Schlangen von PKW und Kleinlastern an einem Grenzübergang. Die Reporterin berichtet von einer Flüchtlingswelle aus der Ukraine nach Russland. 140.000 Menschen sollen in den vergangenen zwei Wochen aufgrund der zugespitzten Lage in ihrer Heimat Zuflucht in Russland gesucht haben. Das seien offizielle Zahlen.
Gruppen von Menschen sind zu sehen, die neben ihren Autos und auf die Abfertigung warten. Eine graue, trostlose Szene. Im Hintergrund die Baracke der Grenzer, darauf das Hoheitszeichen der Ukraine und eine Aufschrift: Schehyni. Schehyni ist ein Ort im Gebiet von Lwiw, dem ehemaligen Lemberg, in der Westukraine. Der in dem Film gezeigte Grenzübergang führt nach Polen, nicht in die Ukraine. Die Menschen fahren nach Westen, nicht nach Osten.
Russische Blogger veröffentlichten das Foto eines echten ukrainisch-russischen Grenzübergangs, aufgenommen angeblich am selben Tag. Dort: gähnende Leere. Lediglich ein Auto passiert den Schlagbaum.
Der erste Kanal zeigte denn auch keinen einzigen der angeblich 140.000 Flüchtlinge in Russland. Dafür malten mehrere Gouverneure der an die Ukraine grenzenden Provinzen den Teufel an die Wand. Vasilij Golubjew, Gouverneur des Gebiets Rostow:
"Wir sind bereit, die Bürger der Ukraine aufzunehmen. Sie kommen für eine ungewisse Zeit nach Russland. Wir bereiten derzeit Massenunterkünfte vor."
Und Nikolaj Denin, Gouverneur von Brjansk:
"Wir haben es mit einer Flut von Ukrainern aus dem ganzen Land zu tun. Sie wollen bleiben, weil sie Angst haben. Als gute Nachbarn werden wir alles für sie tun, damit sie die Zeit des Chaos ruhig bei uns in Brjansk überstehen können."
Gleichzeitig betont Russland, es wolle keinen Krieg. Hochrangige Politiker, Abgeordnete ebenso wie Außenminister Sergej Lawrow, sprechen von einer, so wörtlich, "braunen Pest", von Neofaschisten, die Russen und andere Minderheiten bedrohten. Den Maidan schildern sie als Hort des Chaos. Die Gewalttäter dort seien vom Westen gesteuert. Auch dazu sendet das russische Staatsfernsehen exklusives Material.
Der Protagonist des Beitrags heißt Wladislaw. Ein junger Russe, angeblich hat er einige Zeit auf dem Maidan verbracht, als Tourist, wie der Reporter des Nachrichtenkanals Rossija 24 sagt. Er habe dort an Raubzügen teilnehmen wollen, sich dann aber den Spitznamen "Russischer Heckenschütze" verdient. Dann sei er nach Russland zurückgekehrt und von den Behörden gefasst worden. Was dem jungen Mann in Russland vorgeworfen werde, sei noch unklar, so der Reporter. Dann sind Ausschnitte aus dem Videomitschnitt eines Verhörs des jungen Mannes beim Geheimdienst, FSB, zu sehen. Bereitwillig gibt er Auskunft.
"Auf dem Maidan gibt es Söldner, sie reisen aus den USA, aus Deutschland an. Sie kommen in einheitlichen Militäruniformen. Es waren ungefähr 60 Amerikaner. Die laufen dort immer noch herum. Und Deutsche, so 30 bis 40. Sie unterschreiben dauernd irgendwelche Papiere mit den Kommandeuren des Maidan. Die Menschen dort sind sehr böse. Die stehen unter Einfluss von Alkohol und Drogen."
Genau diese Söldner seien nun auf dem Weg auf die Krim, heißt es in dem Beitrag des Staatsfernsehens. Die Behauptung, dass marodierende Banden in der Ukraine Russen bedrohen, ist ein Schlüsselpunkt in der Auseinandersetzung darum, ob Russlands Eingreifen zum Schutz der eigenen Bürger zumindest legal begründet ist, wie Russland behauptet.
Andrej Jurow, Mitglied des Menschenrechtsrats des russischen Präsidenten, war an den entscheidenden Tagen auf der Krim und ist der Auffassung, dass auf der Halbinsel, anders als der Föderationsrat behauptet, keine Russen zu Schaden kamen. Das habe ihm auch der Generalkonsul Russlands auf der Krim bestätigt. Jurow schilderte dies dem unabhängigen russischen Internetsender Doschd TV. Die Staatskanäle ignorieren solche Meinungen.