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Ukraine
EU besiegelt Visafreiheit

Ab Mitte Juni können alle Ukrainer mit biometrischen Pass ohne Visum in die EU einreisen. Als einen "gigantischen Schritt Richtung Europa" bezeichnete der ukrainische Präsident Petro Poroschenko diese Entscheidung der EU. Die hatte im Gegenzug Reformen des politischen Systems in der Ukraine gefordert.

Von Florian Kellermann |
    Petro Poroschenko, der Präsident der Ukraine, äußert sich am 01.02.2016 bei einer Pressekonferenz mit Bundeskanzlerin Merkel vor ihrem Gespräch im Bundeskanzleramt in Berlin.
    "Das neue Visaregime ist viel mehr als nur eine Erleichterung bei Auslandsreisen", so der ukrainische Präsident Petro Poroshenko. (dpa/ picture alliance / Bernd von Jutrczenka)
    Zwei Jahre lang hat der ukrainische Präsident Petro Poroschenko seinen Mitbürgern versprochen: Nur noch wenige Gespräche seien notwendig, dann könnten sie ohne Visum in die Europäische Union reisen. Zuletzt wurde dieses Versprechen in der Ukraine nur noch mit Hohn quittiert. Umso erleichterter wirkte Poroschenko nun, kurz vor der feierlichen Unterzeichnung des entsprechenden EU-Dokuments, zu der er extra nach Straßburg reiste:
    "Das neue Visaregime ist viel mehr als nur eine Erleichterung bei Auslandsreisen. Das ist ein gigantischer Schritt Richtung Europa, zur persönlichen Freiheit jedes einzelnen und zur Unabhängigkeit unseres Staates. Wir lösen uns von der postsowjetischen Vergangenheit, unsere Anbindung an Europa wird unumkehrbar."
    Die Europäische Union hatte der Ukraine die Visafreiheit wie eine Wurst vor die Nase gehalten und sie so angespornt, das politische System zu reformieren. Experten sagen: Erst dieser Druck habe bewirkt, dass die Ukraine den Kampf gegen die Korruption zumindest ernsthaft begonnen habe. 144 Punkte hat die Ukraine abgearbeitet. Das Parlament stemmte sich besonders lange gegen die Vermögenserklärungen: Politiker und hohe Beamte müssen nun im Internet offenlegen, was sie und ihre Familienmitglieder besitzen.
    Fesenko: "Die EU sollte die Messlatte für uns jetzt noch ein Stück höher legen"
    Beobachter sehen die Gefahr, dass jetzt, nachdem das Ziel Visafreiheit erreicht ist, der Reform-Schwung nachlässt. Der Politologe Wolodymyr Fesenko:
    "Die EU sollte die Messlatte für uns jetzt noch ein Stück höher legen. Dafür müsste sie natürlich auch neue Ziele in Aussicht stellen. Sie könnte der Ukraine sagen: Ihr bekommt wenigstens die Perspektive auf eine Mitgliedschaft, wenn ihr bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Oder immerhin eine vertiefte Partnerschaft."
    Ohne Visum in die EU reisen können ab Mitte Juni alle Ukrainer, die einen Reisepass mit biometrischen Angaben besitzen. Das sind im Moment rund 3,3 Millionen Ukrainer, also weniger als ein Zehntel. Und die neue Freiheit gilt nur für Touristen. Wer in der EU arbeiten möchte oder sich dort medizinisch behandeln lässt, braucht weiterhin ein Visum. Für Kritiker von Präsident Poroschenko ist das der Beleg dafür, dass sein Erfolg in Europa nur Augenwischerei sei. Der russlandfreundliche ukrainische Politologe Michail Pogrebinskij:
    "Diejenigen, die bisher schon in die EU gereist sind, werden es einfacher haben. Aber die meisten Ukrainer haben doch gar kein Geld für solche Reisen. Sie haben von der ganzen Sache gar nichts."
    Das ist auch der Tenor im russischen Staatsfernsehen. Der Nachrichtenkanal Rossija24 etwa berichtet mit ätzendem Spott über die Visafreiheit für das Nachbarland. "Die Ukraine steckt in einer wirtschaftlichen Katastrophe, die Visafreiheit ist nicht mehr als eine Schmerztablette" sagt der Reporter in seinem Bericht.
    Bedingungen schaffen, damit Krimbewohner in die Ukraine zurückkehren
    Solche Kommentare zeigen nur eins, meinen ukrainische Beobachter: Moskau sei ganz und gar nicht glücklich darüber, dass sich das Nachbarland noch ein Stück weiter Richtung Westen bewegt. Auch für die Bewohner der Halbinsel Krim, die Russland vor drei Jahren annektierte, könnte ihre ukrainische Staatsangehörigkeit plötzlich wieder wertvoll werden. Davon jedenfalls geht Präsident Poroschenko aus:
    "Wenn wir sagen, dass wir die okkupierten Gebiete auf diplomatischem Weg zurückholen wollen, dann meinen wir damit genau das: Wir schaffen Bedingungen, die es für die Bewohner dieser Gebiete interessant macht, in die Ukraine zurückzukehren."
    Allerdings müssen die Krimbewohner nach Cherson, aufs ukrainische Festland, fahren, um einen Pass mit biometrischen Angaben zu bekommen. In den vergangenen drei Monaten haben rund 2000 von ihnen diesen Weg auf sich genommen.
    Nun liege an der Ukraine, etwas zu machen aus der neuen Reisefreiheit ihrer Bürger, meint Wolodymyr Fesenko:
    "Der Kiewer Flughafen Boryspil führt Gespräche mit billigen Fluglinien, sie sollen jetzt verstärkt in die Ukraine kommt. Das ist der richtige Weg. Auch mehr Grenzübergänge Richtung Westen wären gut - und natürlich bessere Straßen."