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Ukraine
Faschist oder Freiheitskämpfer?

Aus Dmitri Jarosch hat die russische Propaganda den Feind Nummer eins gemacht, das Gesicht der angeblichen Faschisten am Maidan. Der Anführer des sogenannten Rechten Sektors in der Ukraine verteidigt seine Bewegung: "Der Nationalismus in der Ukraine beinhaltet Liebe zum eigenen Land, aber nicht Hass gegenüber Fremdem."

Von Sabine Adler |
    Der Anführer des Rechten Sektors in der Ukraine, Dmitri Jarosch, bei einer Pressekonferenz
    Der Anführer des Rechten Sektors in der Ukraine, Dmitri Jarosch, war auch Kandidat für das Präsidentenamt. (picture alliance / dpa/ Sergey Starostenko/RIA Novosti)
    "Den Oberkörper etwas beugen, linkes Bein vor, rechts zurück. Achtung mit der Schulter. Es gibt einen Rückstoß. Höher! Feuer!"
    "Ein bisschen runter."
    Schuss.
    "Und jetzt auf Automatik!"
    Training in einem Ferienlager, das derzeit statt Kinder freiwillige Kämpfer vom Bataillon des Rechten Sektors beherbergt. Alles keine Berufssoldaten, deswegen müssen sie üben.
    Eine Granate, erklärt Jewegeni, der erzählt dass das 400-köpfige Bataillon die von den Separatisten besetzten Orte Awdejewka, Karlowke, Krasnoarmejskaja und Mitailowo zurückerobert hat. Unter Leitung von Dmitri Jarosch.
    Aus Dmitri Jarosch machte die russische Propaganda den Feind Nummer eins, das Gesicht der angeblichen Faschisten am Maidan. Jarosch trägt eine Uniform, eine Pistole am Gürtel. Der Mann, der selbst im Wahlkampf um das Präsidentenamt mit Interviews geizte, hat Zeit. Schließlich herrscht Waffenruhe.
    "Die Freiwilligen-Verbänden halten sich natürlich an den Befehl des Oberkommandierenden und hoffen, dass zumindest der Gefangenenaustausch zustande kommt in dieser sogenannten Feuerpause."
    Die Regierung ist voller Misstrauen gegenüber dem Rechten Sektor
    Jarosch gibt sich gehorsam, doch die Regierung verweigert ihm und seinen Männern noch immer den offiziellen Status als Freiwilligenbataillon. Deswegen bekommt er keine Waffen vom Verteidigungsministerium. Die Regierung ist voller Misstrauen gegenüber dem Rechten Sektor von Jarosch, denn der schlug schon vor Monaten eine Volksbewaffnung vor, die das Parlament stets ablehnte.
    "Die Werchowna Rada besteht im Wesentlichen aus Gefolgsleuten von Ex-Präsident Janukowitsch. Deswegen brauchen wir die Parlamentswahl so dringend. Als wir die allgemeine Bewaffnung vorgeschlagen haben, war die Annexion der Krim im Gange und auch in der Ostukraine zündelte Russland bereits. Wir wollen eine Bewaffnung wie in der Schweiz. Oder in Litauen. Es geht mitnichten um ein unkontrolliertes Verteilen von Waffen."
    Die Kalaschnikows seiner Kämpfer sind erbeutet, in Operationen mit anderen Freiwilligenbataillonen und Armeeeinheiten, die die Unterstützung des Rechten Sektors gern in Anspruch nehmen, sagt Jarosch.
    Plötzlich kommt aus dem Wald ein Waschbär. Er nimmt Kurs auf einen der Kämpfer. Gelächter.
    "Pass auf, der fällt dich an!"
    "Jagt ihn weg! Der hat Tollwut."
    "Erschießt ihn! Lasst Euch nicht beißen!"
    "Ah, er haut ab."
    Punktsieg für Putin
    Die Männer sind erleichtert, keiner hat auch nur angelegt auf den Waschbären, der sich in Richtung Fluss trollt. Dass dem Rechten Sektor im Westen so viel Misstrauen entgegenschlägt, schon allein wegen des Namens, kann Dmitri Jarosch kaum nachvollziehen. Seiner Meinung nach ein Punktsieg für die russische Propaganda.
    Doch ganz so einfach ist es nicht, denn das geistige Zentrum des Rechten Sektors, so erklärt er es selbst, ist die Dreizackbewegung "Trisub - Stepan Bandera". Bandera war Anführer einer Partisanenbewegung im Zweiten Weltkrieg, die gegen die Nazis und gegen die sowjetische Armee gekämpft hat, aber auch Juden tötete. Umstritten ist, ob Bandera später ein Nazi-Kollaborateur war. Jarosch stellt Bandera nicht infrage, der Name Rechter Sektor habe überhaupt nichts mit einer politischen Ausrichtung zu tun.
    "Den Namen haben wir uns zu Beginn der Maidan-Bewegung zugelegt, die jungen Leute bei uns, alles Fußballfans, haben vorgeschlagen, diesen Begriff aus dem Stadion zu verwenden. Meine Organisation "Trisub - Stepan Bandera" ist der Kern der Bewegung. Wir haben keinerlei Beziehung zu den deutschen Nationalsozialisten oder italienischen Faschisten. Der Nationalismus in der Ukraine beinhaltet Liebe zum eigenen Land, aber nicht Hass gegenüber Fremdem. In unserer Organisation sind auch Russischstämmige, Armenier, Georgier, Juden vertreten. Auch hier in unserem Freiwilligenbataillon. Wir haben einen Rabbi. Konflikte wegen dieser unterschiedlichen Nationalitäten gibt es bei uns nicht. Auch keinen Antisemitismus. Die russische Propaganda hat uns dämonisiert, weil wir die Avantgarde der Maidan-Bewegung waren, die sie gefürchtet haben."
    Das Blatt wendet sich, glaubt Jarosch
    Stepan Banderas Partisanenkampf gegen die Rote Armee diente der russischen Propaganda als Beweis dafür, dass die Ukrainer alles Russische hassen. Damit wurde Angst verbreitet in der mehrheitlich russischsprachigen Bevölkerung in der Ostukraine, Stimmung gegen Kiew gemacht. Doch das Blatt wendet sich, sagt Dmitri Jarosch:
    "Russland will aus uns ein Schreckgespenst machen. Aber wir sehen doch, wie wir von den Menschen begrüßt, sogar bewirtet werden, wenn wir die von den Separatisten besetzten Orte befreien. Die Stimmung hat sich gewendet. Nicht bei allen natürlich, den so mancher steht der Ukraine negativ gegenüber. Wir sehen einen Wandel hier im Donezker und Lugansker Gebiet."
    Solange Krieg herrscht, macht Jarosch keine Parteipolitik. Für ein Parlamentsmandat sollen andere für den Rechten Sektor antreten, sein Land will er persönlich verteidigen.
    "Die einzige Chance, diese große russische Armee zu besiegen, ist der Partisanenkrieg. Den fürchtet die russische Armee wie ihn jede Armee fürchtet. Denn wenn der Besatzer aus jedem Fenster beschossen wird, wenn seine Technik zerstört, dann wird auch eine überlegene Armee nicht siegen. Der Patriotismus ist groß, die Bevölkerung will die Ukraine verteidigen."