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Ukraine-Gipfel in Paris
Ein Waffenstillstand für die Ostukraine

Der Ukraine-Gipfel in Paris hat Bewegung in den festgefahrenen Friedensprozess gebracht. Bis Ende des Jahres wollen Russland und die Ukraine einen vollständigen Waffenstillstand in der Ostukraine erreichen und es soll einen Gefangenenaustausch geben. Ein neuer Gipfel ist auch schon in Planung.

Von Thielko Grieß |
Der ukrainische Präsident Zelensky, Bundeskanzlerin Merkel, Frakreichs Staatschef Macron und der russische Präsident Putin bei einer Pressekonferenz im Elysee Palst
Der Ukraine-Gipfel findet im sogenannten Normandie-Format statt - also unter Beteiligung Deutschlands und Frankreich (afp / Ludovic MARIN)
Es war die deutsche Vermittlerin, Kanzlerin Angela Merkel, die die wesentlichen Punkte vorstellte:
"Wir haben uns realistische Dinge vorgenommen. Waffenstillstand bis Ende 2019, das ist schon sehr ambitioniert. Minenräumung ist auch nicht ganz einfach. Und drei neue Punkte bis März 2020."
Punkte, an denen die schweren Waffen von der Frontlinie abgezogen werden sollen. Drei solcher Punkte gibt es bereits. Merkel zeigte sich mit dem Verlauf und den Ergebnissen insgesamt zufrieden.
Andrij Melnyk, Botschafter der Ukraine in Deutschland
Ukrainischer Botschafter in Deutschland: "Abschlusserklärung ist ein Hoffnungsschimmer für uns alle"
Der Ukraine-Gipfel in Paris sei ein großer Schritt nach vorne, sagte Andrij Melnyk, ukrainischer Botschafter in Deutschland, im Dlf. Die Vereinbarungen müssten jetzt zu 100 Prozent umgesetzt werden.
Gemischtes Fazit Selenskyjs
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj betonte, es gehe ihm nicht darum, als Sieger das Feld der Verhandlungen zu verlassen. Er stellte weitere Teile der Vereinbarung vor.
"Die Beobachtermission der OSZE soll künftig rund um die Uhr und an sieben Tagen in der Woche und in allen Teilen der Ukraine ihre Arbeit tun können. Ihre Berichte sind wichtig, um überhaupt Fakten über die Situation an der Frontlinie erkennen zu können. Unklar ist, ob dies für die selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk ebenso gelten soll und kann."
Selenskyj ergänzte einen weiteren Punkt, über den im Grundsatz Einigkeit herrschte: Russland und die Ukraine erklärten ihre Absicht, an einem weiteren Gefangenenaustausch zu arbeiten, der im Wesentlichen nach dem Prinzip "alle im Austausch für alle" ablaufen soll – und das bis Ende dieses Jahres. Es gehe um 100 Personen aus dem Donezkbecken und 250 aus Kiew.
Insgesamt zog Selenskyj ein gemischtes Fazit seines ersten Treffens mit Wladimir Putin. Er, Selenskyj, habe sich mehr Lösungen gewünscht. Lob erhielt er von Angela Merkel und dem Gastgeber, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron:
"Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um den politischen Mut und die Entschlossenheit des Präsidenten der Ukraine seit seiner Wahl zu würdigen, Frieden in den Konflikt zu bringen, der im Osten seines Landes wütet."
Putin will Einfluss nicht aufgeben
Weiter gegensätzliche Auffassungen zwischen Kiew und Moskau gibt es darüber, wie im Osten der Ukraine Regionalwahlen stattfinden sollen. Bekommt die Ukraine vorher die Kontrolle über diese Gebiete und die Grenze zu Russland vollständig zurück - oder erst hinterher?
Wladimir Putins Haltung ist bekannt: Er ist nicht bereit, Einfluss aufzugeben: "Ich will aber unterstreichen, das ist hier wichtig: Dass die im Konflikt stehenden Parteien miteinander sprechen, damit zwischen ihnen direkter Dialog entsteht."
Er hat dabei Gespräche zwischen den Separatisten und der Regierung in Kiew im Sinn. So etwas hat die Führung der Ukraine jedoch stets abgelehnt.
"Ich sage ganz offen: Das ist ein dickes Brett, das wir noch bohren müssen."
Um in Angela Merkels Bild zu bleiben: Die vier Staats- und Regierungschefs haben ihre Außenminister und außenpolitischen Berater beauftragt, sich des Bohrens weiter zu widmen. Ein nächster Gipfel in diesem Format soll innerhalb von vier Monaten stattfinden.
"Anfangsverdacht des Generalbundesanwaltes"
Die Kanzlerin wurde in der Pressekonferenz auf den Fall des in Berlin getöteten Georgiers angesprochen. Der Generalbundesanwalt ermittelt, es besteht der Verdacht, russische Stellen oder solche der russischen Teilrepublik Tschetschenien seien in den Fall verwickelt. Deutschland hat bereits zwei russische Botschaftsmitarbeiter ausgewiesen.
"Wir haben im Augenblick einen Anfangsverdacht des Generalbundesanwaltes. Nicht mehr und nicht weniger. Und das ist das, was ich auch dem russischen Präsidenten gesagt habe. Und ich gehe davon aus, dass die russische Seite ihre Informationen uns zur Verfügung stellt. Jedenfalls fände ich das gut."
Wladimir Putin entgegnete: "Das ist nicht einfach ein Georgier, sondern jemand, der sich an Kämpfen auf Seiten von Separatisten beteiligt hat. Wir haben nach ihm fahnden lassen. Er ist ein militanter Kämpfer. Und dabei ein sehr grausamer und blutgieriger Mensch."
Der Getötete sei an Anschlägen in Moskau beteiligt gewesen - was Putin allerdings nicht näher belegte. Er sei sich mit der Kanzlerin einig, die Sache zu klären, wozu Russland beitragen werde. Aber: "Ich weiß nicht, was mit ihm passiert ist. Das ist das Banditenmilieu. Da kann alles passieren."