Ein kurzer Film, veröffentlicht im Internet, hat die Ukraine aufgerüttelt: Ein kahler Saal in einem Kiewer Hotel. In drei Reihen stehen dicht an dicht kleine metallene Betten. In ihnen liegen Säuglinge, die offenbar erst vor kurzem geboren wurden. Und zwar von ukrainischen Leihmüttern. Die 51 Babys sollten von ihren tatsächlichen Eltern aus dem Ausland längst abgeholt werden, darunter auch von Familien aus Deutschland. Aber wegen Corona hat auch die Ukraine ihre Grenzen geschlossen.
Eine Firma stellte den Film online, sie bezeichnet sich als "Zentrum für humane Reproduktion". Der Film ist offenbar als Public Relation-Maßnahme des Unternehmens gedacht. Dessen Anwalt erklärt den Zuschauern:
"Es gibt einen Brief des ukrainischen Außenministeriums. Demnach können Eltern ihre Kinder nur dann abholen, wenn sie von der Botschaft ihres entsprechendes Landes unterstützt werden. Wir danken den ausländischen Beamten, die in der Sache bereits Kontakt mit der ukrainischen Regierung aufgenommen haben. Das sind Beamte aus Irland, Schweden und dem Vereinigten Königreich. Und wir bitten auch andere Länder, eine Ausnahme zu machen und ihren Bürgern zu ermöglichen, mit ihren Kindern zusammenzukommen."
Kritiker fordern ein Verbot kommerzieller Leihmutterschaft
Der Film ist also einerseits ein Hilferuf, andererseits auch eine Werbung für das Unternehmen. Eine Betreuerin erklärt, dass die Säuglinge hier professionell betreut, gewickelt und gewaschen würden. Es gebe Video-Schalten über das Internet mit den Eltern, die so ihre Kinder wenigstens kurz sehen könnten.
Das Video hat nun allerdings eine Wirkung entfaltet, die das Unternehmen wohl nicht beabsichtigt hat. Eine Diskussion ist entstanden, wie das Land künftig mit Leihmüttern umgehen soll.
Der Ombudsmann für Kinder bei der Regierung Mykola Kuleba erklärte dem Fernsehsender "Nasch":
"In den meisten entwickelten Ländern fällt so ein Vorgang unter Menschenhandel. Das wird wie der Kauf bzw. Verkauf von Kindern betrachtet. Ich habe mich schon mehrfach mit der Forderung an das Parlament gewandt, Leihmutterschaften zu verbieten. Zumindest, wenn diese Dienstleistung auf kommerzieller Basis erbracht wird."
Rund 15.000 Euro für eine Schwangerschaft
Nach Informationen ukrainischer Medien erhalten Leihmütter umgerechnet rund 15.000 Euro für das Austragen einer Schwangerschaft. Hinzu kommen die Kosten für die medizinische Betreuung. Dafür wird den Kunden garantiert, dass die Leihmütter nicht älter als 35 Jahre sind, dass sie nicht verheiratet sind und einen Hochschulabschluss haben.
Das ist in der Ukraine nicht nur erlaubt, der Vorgang sei auch kaum reglementiert, so der Anwalt Mychajlo Illjaschew gegenüber dem Fernsehsender ICTV:
"Unser Recht ist hier sehr liberal. Wir haben viele Gesetze, die das Bienenzüchten regeln, aber keines für die Leihmutterschaft."
Die Kliniken können deshalb die Verträge mit den Eltern mehr oder weniger frei gestalten. Und das habe schon in der Vergangenheit immer wieder zu großen Problemen geführt. Vor allem die Rechte der Kinder seien nicht geklärt, so der Jurist Denys Herman:
"Im vergangenen Jahr gab es den Fall von Eltern aus den USA, der Schlagzeilen gemacht hat. Sie haben ihr Kind nicht abgeholt. Denn es war, aus genetischen Gründen, schwer behindert. Hier haben letztendlich auch die USA Ermittlungen gegen die Eltern eingeleitet."
Die Diskussion, ob die Ukraine hier ihre Gesetze verbessern sollten, ist also voll entbrannt. Zunächst allerdings hat das Land ein dringenderes Problem. Die Kinder aus dem veröffentlichten Film seien zwar wohlauf, erklärte die Menschenrechts-Beauftragte des Parlaments Ljudmyla Denisowa. Sie hatte das Hotel, in dem sie derzeit untergebracht sind, besucht. Aber:
"Im Moment warten über 100 Kinder in verschiedenen Kliniken darauf, dass sie abgeholt werden. Und laufend werden weitere geboren. Wenn die Reisebeschränkungen noch länger anhalten, dann kann ihre Zahl auf bis zu 1000 steigen. Wir müssen also etwas unternehmen und einen Mechanismus finden, dass diese Säuglinge zu ihren Eltern kommen und in ihrer Familie aufwachsen können."
Die Eltern sollten sich direkt an sie wenden, erklärte die Menschenrechtsbeauftragte. Sie würde sich dann höchstpersönlich mit dem ukrainischen Außenministerium verständigen.