Neben dem geplanten Auslieferungsgesuch hat der ukrainische Generalstaatsanwalt die Festnahme von zehn Regierungs-, Sicherheits- und Militärbeamten angeordnet. Sie stehen unter dem Verdacht des Massenmordes bei Protesten in der Hauptstadt Kiew. Dabei waren mehr als 80 Menschen durch unbekannte Scharfschützen oder bei brutalen Barrikadenkämpfen getötet worden.
Der für abgesetzt erklärte Präsident Viktor Janukowitsch ist seit einer Woche auf der Flucht, nachdem Regierungsgegner das Parlament und den Präsidentensitz stürmten. Er tauchte unter und soll sich tagelang in einem Sanatorium des Kreml aufgehalten haben. Heute erklärte Janukowitsch vor Journalisten in der südrussischen Stadt Rostow am Don, er werde weiter für die Zukunft seines Landes kämpfen. "Niemand hat mich abgesetzt." Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft kündigte an, sollte sich Janukowitschs Aufenthalt auf russischem Staatsgebiet bestätigen, wolle sie ein Auslieferungsgesuch an Moskau stellen.
Instabile Lage auf der Krim
Die ukrainische Regierung hat nach eigenen Angaben wieder die volle Kontrolle über die Flughäfen auf der Halbinsel Krim. Es habe einen Versuch gegeben, die Airports in Simferopol und Sewastopol zu besetzen, sagte der Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates, Andrej Parubij, in Kiew. Die mutmaßlichen Angreifer hätten allerdings nach wie vor Checkpoints auf den Zufahrtsstraßen eingerichtet. Parubij warf dem Kreml vor, die "bewaffneten Milizen zu kommandieren". Nach Angaben von Innenminister Arsen Awakow handelte es sich um russische Soldaten. Die bewaffneten Männer erklärten dagegen, sie würden auch das Rollfeld des Flughafens Sewastopol kontrollieren.
Die Halbinsel ist die letzte größere Bastion der Janukowitsch-Anhänger.
Das ukrainische Parlament fordert Russland eindringlich auf, alle Maßnahmen zu beenden, die die territoriale Unversehrtheit der Ukraine untergraben. Ungeachtet der Zurückweisung sind mehr als zehn russische Militärhubschrauber auf die Halbinsel Krim geflogen. Wie die Sicherheitsbehörden in Kiew weiter mitteilten, blockieren russische Einheiten einen Grenzübergang nahe Sewastopol. Ein ranghoher Vertreter der Sicherheitskräfte bringt die Verhängung des Ausnahmezustands ins Gespräch, um die Lage auf der Krim in den Griff zu bekommen.
Russische Abgeordnete haben die Diskussion über eine mögliche Abspaltung der Halbinsel Krim mit einem Gesetzentwurf weiter angeheizt. Künftig kann ein Land oder Landesteil sich Russland bereits anschließen, wenn es dies bei einem Referendum beschließt, heißt es in dem Entwurf, den die kremltreue Partei Gerechtes Russland am Freitag in der Staatsduma einbrachte.
Die Bundesregierung erklärte, sie gehe davon aus, dass sich auch Russland beteiligen werde. Zudem seien alle Schritte zu vermeiden, die die territoriale Integrität der Ukraine infrage stellten. Dazu habe sich auch der russische Präsident Wladimir Putin im Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekannt, sagte eine Regierungssprecherin in Berlin.
Ausländische Konten eingefroren
Unterdessen sind mehrere Konten von Janukowitsch und seinen Vertrauten bei europäischen Banken eingefroren worden. Österreich sperrte nach Angaben es Außenministeriums die Konten von 18 Ukrainern. Banken in Liechtenstein und der Schweiz haben die Sperre ebenfalls verhängt. Der neue Premier der Übergangsregierung, Arseni Jazenjuk, erklärte gestern nach seiner Ernennung im Parlament, 37 Milliarden Dollar seien verschwunden, die die gestürzte Regierung als Kredit erhalten hatte. In den vergangenen drei Jahren seien insgesamt rund 70 Milliarden Dollar außer Landes geflossen.
Die Schweizer Staatsanwaltschaft hat gegen Janukowitsch und dessen Sohn Alexander ein Strafverfahren wegen schwerer Geldwäsche eröffnet. Es gebe erhebliche Verdachtsmomente. Zugleich verfügte die Regierung in Bern die Sperrung etlicher Konten von 20 Anhängern der gestürzten Regierung. Janukowitsch bestreitet, ausländische Konten zu haben.
IWF-Chefin gegen Panikmache
Der Internationale Währungsfonds (IWF) warnt mit Blick auf die finanzielle Lage der Ukraine vor Panikmache. Die Situation des Landes sei nicht sehr kritisch, betont IWF-Chefin Christine Lagarde nach einem Treffen mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier in Washington. Die Politik solle sich mit weiteren Prognosen für den unmittelbaren Finanzbedarf zurückzuhalten. Kursierende Zahlen zur Schieflage der Ex-Sowjetrepublik seien nicht bestätigt. Die IWF-Chefin bekräftigte, dass ein Team des Krisenhelfers ab Anfang kommender Woche in der Ukraine Fakten sammelt und mit den Behörden spricht.
US-Außenminister John Kerry sagte derweil, sein russischer Kollege Sergej Lawrow habe ihm bei einem Telefonat am Freitag versichert, Russland sei bereit, die Ukraine bei dem "wirtschaftlichen Übergang" zu unterstützten.