Den ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch lassen die Massenproteste gegen seinen prorussischen Kurs offenbar kalt. Bei einem Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin sicherte Janukowitsch zu die "strategische Partnerschaft weiterzuentwickeln". Die beiden Staatschefs haben sich zudem auf deutlich niedrigere Gaspreise geeinigt. Die Ukraine zahlt demnach künftig mit 268,50 US-Dollar pro 1000 Kubikmeter Gas ein Drittel weniger. Die fast bankrotte Ukraine zahlte bislang deutlich höhere Gaspreise als EU-Staaten.
Moskau hatte bei dem Treffen auch zugesichert, 15 Milliarden Dollar (derzeit knapp 11 Milliarden Euro) in ukrainische Staatsanleihen zu investieren. Die Ukraine muss im nächsten Jahr eine Finanzierungslücke von 17 Milliarden Dollar schließen. Das Land benötigt dringend Unterstützung bei der Bewältigung seiner wirtschaftlichen Probleme.
Außerdem wurden eine Reihe von Handels- und Industrieabkommen unterzeichnet, erklärte der Kreml. Nach Angaben aus Moskau und Kiew ging es nicht um einen Beitritt der Ukraine zu einer Zollunion, mit der Putin Russlands Einfluss in den postsowjetischen Staaten stärken will. Darüber sei nicht gesprochen worden, da könne er "jeden beruhigen", sagte Putin. Der russische Wirtschaftsminister Alexej Beloussow sagte vor dem Treffen, ein "Fahrplan" für den Weg zu einer solchen Union werde erörtert.
Die ukrainische Opposition drohte Janukowitsch mit weiteren Demonstrationen, sollte er Vereinbarungen unterzeichnen, die das Land näher an Russland rücken.
Öl aus Russland
Moskau bereitet offenbar konkrete Maßnahmen zur Unterstützung der wirtschaftlich angeschlagenen Ukraine nach deren Abkehr von der Europäischen Union vor. Rohstoffhändler sagten der Nachrichtenagentur Reuters, dass nach drei Jahren Unterbrechung eine Wiederaufnahme russischer Öllieferungen an eine Raffinerie im ukrainischen Odessa vorgesehen sei. Sie beriefen sich auf vorläufige russische Ölexportpläne für das erste Quartal 2014. Demnach könnten 750.000 Tonnen Öl im Wert von etwa 600 Millionen Dollar per Pipeline an die Raffinerie gepumpt werden. Der Plan müsse aber noch vom Energieministerium in Moskau genehmigt werden.
Supranationales Bündnis
Moskau strebt eine Zollunion mit Kiew an, denn das Bündnis wäre das Vorspiel zu einem weit ehrgeizigeren strategischen Projekt von Präsident Putin: Die Schaffung eines supranationalen Bündnisses, das der Europäischen Union Paroli bieten soll. Die Ukraine ist der fehlende Stein in diesem Gebilde. "Mit der Ukraine wäre es eine echte internationale Union", sagt Experte Alexei Malachenko vom Carnegie Center. Das erklärt das nachdrückliche Werben Putins um den Beitritt des Nachbarn in die 2010 gegründete Zollunion mit Weißrussland und Kasachstan, die Putin nach eigenen Angaben bis 2015 als eine "starke und supranationale" Union zu einem "der Pole in der heutigen Welt" machen will.
Offenbar auf Druck Russlands hatte Janukowitsch im November die Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens mit der EU abgesagt und sich verstärkt Russland zugewandt. Die inhaftierte Oppositionspolitikerin Timoschenko warnte vor einem Pakt ihres Landes mit Russland. Eine stärkere Annäherung an Moskau könne der Anfang vom Ende der ukrainischen Unabhängigkeit sein, sagte sie dem Magazin "Stern".
Steinmeier und Klitschko kritisieren Moskau
Der frisch vereidigte Bundesaußenminister Frank-Walter-Steinmeier (SPD) kritisierte das Vorgehen Russlands in der Ukraine-Frage. Es sei "völlig empörend, wie die russische Politik die wirtschaftliche Notlage der Ukraine für sich genutzt hat, auch um den EU-Assoziationsvertrag zu verhindern", sagte er bei der Amtsübernahme von seinem Vorgänger Guido Westerwelle (FDP) im Auswärtigen Amt in Berlin. Auch kritisierte er das gewaltsame Vorgehen der ukrainischen Sicherheitskräfte gegen Demonstranten in Kiew. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte im ARD-Fernsehen, "ein Bieterwettbewerb wird das Problem nicht lösen". Die Europäer müssten mit den Russen reden - "das wird konfrontativ nicht gelingen".
Noch in dieser Woche will Steinmeier ins gemeinsame Nachbarland Polen reisen. Auf den Vorschlag des ukrainischen Oppositionsführers Vitali Klitschko, eine Rolle als Vermittler zu übernehmen, ging er allerdings nicht näher ein.
Klitschko forderte vorgezogene Präsidentschaftswahlen im März kommenden Jahres, um einen Ausweg aus der anhaltenden politischen Krise zu finden. In der "Bild"-Zeitung (Mittwochsausgabe) kritisiert Klitschko die in Moskau unterzeichneten Abkommen scharf. "Keiner bekommt von Putin Geld oder Gas ohne Gegenleistung", sagte er. Janukowitsch habe sich "von Russland kaufen lassen". Die Opposition werde darauf mit noch größeren Protesten antworten.