Das Amnestiegesetz soll für die mehr als hundert Demonstranten gelten, die während der seit Wochen andauernden regierungskritischen Proteste festgenommen wurden. Der Beschluss in der Hauptstadt Kiew erfolgte am Abend ohne die Stimmen der Opposition, die der Abstimmung ferngeblieben war. Sie kritisierte, dass das Gesetz zur Bedingung macht, dass die Demonstranten besetzte Straßen und Regierungsgebäude räumen.
Stundenlange Debatte
Von 416 anwesenden Abgeordneten im Parlament stimmte nach stundenlanger Debatte eine Mehrheit von 232 Parlamentariern für das Gesetz, elf votierten dagegen. Oppositionspolitiker Vitali Klitschko kündigte nach der Abstimmung an, dass die Proteste heute weiter fortgesetzt werden. Der Unabhängigkeitsplatz und das Gewerkschaftshaus blieben weiter besetzt. Demonstranten halten mindestens drei offizielle Gebäude in der Hauptstadt besetzt, um dort zu schlafen und sich aufzuwärmen. Ohne die Rückzugsfläche wären angesichts eisiger Temperaturen wohl auch die Proteste auf dem Unabhängigkeitsplatz Maidan kaum mehr möglich.
Klitschko forderte in der "Bild"-Zeitung zudem Sanktionen der Europäischen Union gegen Präsident Viktor Janukowitsch. Inmitten der politischen Krise ist dieser offenbar erkrankt. Der Staatchefs leide an Atembeschwerden und Fieber und könne derzeit seine Amtsgeschäfte nicht ausüben, hieß es am Donnerstag auf der Internetseite des Präsidialamtes. Die Nachbarstaaten der Ukraine äußerten sich besorgt über die Lage in dem Land. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban sagte bei einem Treffen der Visegrád-Gruppe in Budapest, die Ukraine könnte nach zwei Monaten schwerer Proteste gegen die Regierung in Anarchie versinken. Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk rief die Europäische Union zum Handeln auf, damit die Situation entschärft werde.
Putin friert Milliardenhilfen ein
Der russische Präsident Wladimir Putin ließ nach dem Rücktritt der ukrainischen Regierung vom Dienstag überraschend weitere Milliardenhilfen für die Ukraine sperren. Erst müsse die Entwicklung des Machtkampfs in dem krisengeschüttelten Nachbarland klar sein, sagte der russische Regierungschef Dmitri Medwedew bei einem Treffen mit Putin.
Russland habe von den in Aussicht gestellten 15 Milliarden Dollar (11 Milliarden Euro) bereits drei Milliarden Dollar nach Kiew überwiesen und wolle seine Zusagen einhalten, unterstrich Putin. Er stimmte Medwedew zu, dass Russland erst wissen müsse, "welche Wirtschaftspolitik die neue Regierung verfolgt, wer in ihr sitzen wird und welches ihre Prinzipien sein werden".