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Ukraine-Konflikt
Blutiger Kampf um Donezk

Bei Gefechten in der ostukrainischen Metropole Donezk sind mindestens 40 Menschen getötet worden. Vier dort vermisste OSZE-Beobachter sind wohl in der Gewalt prorussischer Separatisten. Der designierte Präsident Poroschenko hatte nach seiner Wahl am Sonntag eine verschärfte "Anti-Terror-Operation" angekündigt.

    Prorussische Paramilitärs unterwegs auf einem Lastwagen in der ostukrainischen Metropole Donezk.
    Prorussische Paramilitärs unterwegs auf einem Lastwagen in der ostukrainischen Metropole Donezk. (dpa / picture-alliance / Maks Vetrov)
    Ende April waren internationale Militärbeobachter, darunter vier Deutsche, trotz OSZE-Mandat von Separatisten in Slawjansk tagelang als Geiseln festgehalten worden. Jetzt sind vier Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) spurlos verschwunden. Das Team aus vier Mitgliedern sei auf einer routinemäßigen Patrouillenfahrt bei Donezk gewesen, als der Kontakt gestern gegen 18.00 Uhr abgebrochen sei, teilte die OSZE in Wien mit. Bisher sei es nicht gelungen, die Kommunikation wiederherzustellen. Berichte, wonach die Beobachter entführt wurden, könne die OSZE nicht bestätigen. Nach Erkenntnissen der dänischen Regierung, die einen Experten für die OSZE-Mission in Donezk abgestellt hatte, wurden die Beobachter von bewaffneten Separatisten in der Ukraine festgesetzt. Die drei übrigen Beobachter stammen aus Estland, der Schweiz und der Türkei.
    OSCE Special Monitoring Mission: Contact lost with a Donetsk-based team https://t.co/SJIYZEn82C #Ukraine— СММ ОБСЄ в Україні (@OSCE_SMM) May 27, 2014
    Die Beobachter hatten zuvor in ihrem Tagesbericht geschrieben, dass während der Präsidentenwahl am Sonntag bis zu 4000 Menschen ihre Sympathien für Russland demonstrierten. Dabei seien Schüsse mit Kalaschnikow-Gewehren in die Luft gefeuert worden. Ein Informant habe die Beobachter zudem unterrichtet, dass etwa 40 Bewaffnete in einem Hotel auftauchten, in dem der Landrat der Provinz sein provisorisches Büro eingerichtet hat. Zehn seiner Bediensteten seien mit Tode bedroht worden, sollten sie dort weiter arbeiten.
    Russland warnt Poroschenko
    Der Bürgermeister von Donezk, Alexander Lukjantschenko, rief die Einwohner angesichts der Kämpfe auf, zuhause zu bleiben. Er sprach von mindestens 40 Toten, darunter zwei Zivilisten. Außerdem würden 31 Verletzte in Krankenhäusern behandelt. Die Aufständischen berichteten von bis zu 100 Toten. Soldaten haben Schützengräben ausgehoben, berichtet unsere Korrespondentin Sabine Adler. In der Stadt brannte das Eishockey-Stadion, in dem nächstes Jahr die WM stattfinden soll. Der designierte neue Präsident Petro Poroschenko will verhindern, dass Donzek ein zweites Somalia wird, wo Piraten das Kommando übernommen haben.
    Petro Poroschenko will bei den Präsidentschaftswahlen am 25. Mai antreten.
    Der designierte Präsident der Ukraine, Petro Poroschenko (dpa / picture-alliance / Soeren Stache)
    Der russische Außenminister Sergej Lawrow warnte Poroschenko davor, einen raschen militärischen Erfolg gegen die prorussischen Separatisten zu suchen. Verhandlungen für eine friedliche Lösung werde man hingegen unterstützen, sagte Lawrow mit Blick auf Kämpfe um den Flughafen von Donezk, den Rebellen am Montag besetzt hatten. Am Morgen hatte die Regierungsarmee nach eigenen Angaben den Flughafen wieder unter Kontrolle und im benachbarten Gebiet Lugansk ein Ausbildungslager der "Terroristen" mit einem Luftangriff zerstört. Lawrow sagte, sollte Poroschenko auf einen schnellen militärischen Sieg noch vor seiner Amtseinführung setzen, würde dies "wahrscheinlich keine günstigen Bedingungen für ein warmes Willkommen in der Region Donezk" schaffen. "Wir erwarten von ihm, dass er im Interesse des gesamten ukrainischen Volks arbeitet, und wenn er das tut, werden wir sein ernsthafter und verlässlicher Partner", sagte Lawrow. Er bekräftigte, dass Russland nicht die Absicht habe, sich nach der Halbinsel Krim weitere Teile der Ukraine einzugliedern.
    Der russische Außenminister Sergej Lawrow
    Der russische Außenminister Sergej Lawrow (AFP / Vasily Maximov)
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wertet das Ergebnis der Präsidentenwahl in der Ukraine als "ein klares Bekenntnis des ukrainischen Volkes zu Einheit und Demokratie sowie zu einer friedlichen Lösung des aktuellen Konfliktes". In einem Telefonat gratulierte sie Wahlsieger Poroschenko. Beide seien sich einig gewesen, dass es nun vor allem darum gehe, die Versöhnung weiter voranzutreiben, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin.
    Countdown im Gasstreit
    Der Streit über den Gaspreis sind die Positionen zwischen Russland und der Ukraine weiter verhärtet. Der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk drohte mit einer Klage beim Internationalen Schiedsgerichtshof. Bei Krisengesprächen unter Vermittlung von EU-Energiekommissar Günther Oettinger in Berlin hatte es gestern keine Einigung gegeben. Russland will erst über mögliche Rabatte verhandeln, wenn die Ukraine einen Teil ihrer Schulden in Höhe von inzwischen 3,5 Milliarden US-Dollar beglichen hat. Kiew soll das Geld bis Ende der Woche überweisen. Ansonsten will der Staatskonzern Gazprom von kommender Woche an nur noch gegen Vorkasse liefern.