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Ukraine-Konflikt
Der Osten ist wichtig für Kiew

Die Ukraine braucht nicht nur eine politische Lösung, sondern auch dringend wirtschaftliche Impulse. Eine Abspaltung des Ostens könnte sie sich gar nicht leisten.

Von Michael Braun |
    Ein Mann steht an einer Gaspipeline.
    Gasförderung spielt eine Schlüsselrolle in Ukraines Wirtschaft (dpa/picture alliance/Maxim Shipenkov)
    Wo die politische Unsicherheit hoch ist, kann die Wirtschaft nicht florieren. Erst Anfang Mai haben etwa die Chemiegroßbetriebe Azot und Stirol in der Ostukraine ihre Produktion heruntergefahren. Die deutsche Außenhandelsorganisation Germany Trade and Invest berichtet, das sei mit Sicherheitsbedenken begründet worden.
    So ist die wirtschaftliche Lage in der Ukraine seit Langem angespannt. Wachstum gibt es kaum. Die gesamtwirtschaftliche Leistung legte 2012 um 0,2 Prozent zu und voriges Jahr gar nicht. Hätte es nicht im letzten Quartal 2013 gute Ernten in der Kornkammer Osteuropas gegeben, wäre die Wirtschaft in der Ukraine geschrumpft. Immerhin: Der Schuldenstand ist mit etwa 40 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Leistung niedrig, nur die Hälfte des deutschen Niveaus. Aber das heiße nicht viel, meint Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft:
    "Niedrige Schuldenstandsquoten sind sicherlich ein asset value von internationalen Kapitalmärkten. Da keine zusätzliche große Drohkulisse aufgezogen werden kann, kompensieren aber nicht die Probleme, die an anderer Stelle benannt worden sind."
    Außerdem sind in den Daten die Zahlungsrückstände staatlicher Unternehmen, etwa für russisches Gas, nicht enthalten. Zur wirtschaftlichen Stagnation kommt ein Zwillingsdefizit im Haushalt und in der Leistungsbilanz, weil die Ukraine mehr ein- als ausführt. Und Geld auf den Kapitalmärkten bekommt sie kaum, weil die Bonität tief ins Ramschniveau, in den C-Bereich oder auf "ungenügend" gesunken ist.
    Krim wirtschaftlich eher unbedeutend
    Immerhin zeigte sich voriges Jahr schon: Die Krim, die Russland nun aus dem Land herausgelöst hat, hat für die Ukraine ökonomisch keine existenzielle Bedeutung. Nur 3,7 Prozent steuere sie mit ihrer wenig ausgeprägten industriellen Bedeutung zur ukrainischen Wirtschaftskraft bei, weiß Robert Kirchner von der Deutschen Beratergruppe Ukraine, die von der Bundesregierung eingerichtet wurde:
    "Industriell eher wenig versorgt, wobei der Dienstleistungsanteil, Stichwort Tourismus. Auch die Häfen, die relativ wichtig sind, die einen höheren Anteil haben. Trotz allem würde ich nicht denken, dass die Krim wirklich signifikant ist, was die Leistungskraft angeht."
    Anders sieht es mit dem industriellen Osten des Landes aus. Der Raum, der sich nach der Abstimmung am Sonntag von der Ukraine lossagen und von Russland übernehmen lassen will, steht für 17 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Leistung. Im Osten des Landes ist nicht nur die Schwerindustrie konzentriert, sondern auch Unternehmen mit technologisch anspruchsvollen Produkten aus den Bereichen Luftfahrt und dem Bau von Motoren, Lokomotiven sowie Energieanlagen. Dabei bilden russische und ukrainische Betriebe oft eine gemeinsame Wertschöpfungskette. Der Zustand vieler Betriebe lasse aber zu wünschen übrig, meint der Ukraine-Experte Kirchner:
    "Die Schwerindustrie ist sowohl ein Segen im besonderen Sinne einer industriellen Basis, aber auch mit vielen strukturellen Problemen behaftet. Das Ganze ist sehr wenig produktiv und im internationalen Wettbewerb sehr problematisch. Wir sehen das ja im Stahlsektor, wo seit einiger Zeit große Probleme auch auf internationalen Märkten vorliegen, sodass das ein bisschen zwiespältig zu betrachten ist."
    Die Ukraine aus ihren östlichen Wirtschaftsbeziehungen herauszulösen, so Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft, könne nicht westliches Interesse sein:
    "Das wären dann ja letztlich Grenzen im Osten, wenn die sozusagen zu Mauern würden, die nie ökonomisch förderlich sind."
    Niemand könne ohne seine großen Nachbarn leben.