Vor einem Jahr war Philipp noch Chauffeur. "VIP-Chauffeur", fügt der Mann im Tarnanzug hinzu. Sein damaliger Arbeitgeber ist aus dem Donezkbecken geflohen - und Philipp machte Karriere. Er ist heute Militärkommandant der Stadt Debalzewe und lässt sich einfach "Kommandant Phil" nennen.
"Ich habe meine Arbeit aufgegeben - und auch meine Frau und mein Kind zurückgelassen. Ich habe meine Jägerkleidung angezogen und bin einem Freiwilligenbataillon beigetreten.
Drei Tage später habe ich schon im Schützengraben gelegen. So wie mir ging es 90 Prozent von uns, nur zehn Prozent haben schon vorher irgendwo gedient, in der Polizei oder anderen Einheiten des Innenministeriums."
Phil wollte nicht, dass die Ukraine sich nach Westen wendet und die enge Verbindung zu Russland verliert. So dachten viele im Donezkbecken, doch für die Separatisten kämpfen wollten vor einem Jahr nur wenige. Ihr damaliger Anführer Igor Strelkow war russischer Offizier, offiziell im Ruhestand. In Videobotschaften bat er die Bevölkerung fast verzweifelt, sich den Bataillonen anzuschließen.
Das sei heute anders, beteuern die Separatisten. Es meldeten sich mehr als genug Freiwillige.Dazu trägt sicher auch die Lage im Donezkbecken bei: Es gibt immer weniger Arbeit. Kommandant Phil räumt ein, dass sich auch Russen anschließen, sogar aus Sibirien.
Viel wichtiger als die bloße Zahl der Kämpfer sei jedoch deren Organisation, sagt der Kommandant:
"Gott sei Dank gehen wir jetzt endlich zu einer einheitlichen Kommandostruktur über, zu einer straffen Unterordnung. Bald werden wir auch Soldatenausweise ausgeben und so eine echte Armee formieren."
So stellte es auch Alexander Chodakowski dar, der Vorsitzende des Sicherheitsrats der sogenannten Donezker Volksrepublik. Etwa 70 Prozent der Freiwilligenbataillone seien inzwischen eingegliedert, sagt er.
"Es gibt in einigen Orten noch bewaffnete Gruppen, die sich nicht unterordnen. Wir betrachten sie als eine Gefahr für den sozialen Frieden - und entwaffnen sie. Wenn sie im Verdacht stehen, Verbrechen begangen zu haben, bringen wir sie in Untersuchungshaft."
Widerstand in der Lugansker Volksrepublik
Anders ist das Bild in der sogenannten Lugansker Volksrepublik. Dort fällt es den von Russland unterstützten Anführern schwerer, die Kontrolle über das gesamte Gebiet zu erlangen. Vor allem verschiedene Kosaken-Verbände wollen sich nicht unterordnen und leisten dem Oberhaupt der Volksrepublik Igor Plotznitzkij Widerstand.
So erklären Beobachter einige spektakuläre Todesfälle der vergangenen Monate. Zuletzt starb der legendäre Separatisten-Kommandeur Aleksej Mosgowoj, nachdem sein Auto in eine professionell installierte Sprengfalle geraten war. Mosgowoj kontrollierte die Stadt Altschewsk und war ein scharfer Kritiker der Führung in Lugansk. Das galt auch für die Kommandeure Bondarenko und Bednow, die auf ähnliche Weise umkamen. Kurz vor seinem Tod sagte Mosgowoj einem Journalisten:
"Ich sehe bei uns keine einzige Partei, für das Volk zählt. Es geht den Politikern nur um ihre Geschäftsinteressen. Ich werde eine eigene Partei gründen, eine Volkspartei, mit einem Sinn für Gerechtigkeit und einem Gewissen."
Auch viele Anhänger der Separatisten glauben deshalb, dass die Anführer der Lugansker Volksrepublik ihn umbringen ließen - möglicherweise mit Unterstützung russischer Spezialeinheiten. Allerdings gibt es auch andere Versionen. Die sogenannte Staatsanwaltschaft der Volksrepublik geht von ausländischen Agenten aus, die den Anschlag verübten. Darüber hinaus bekannte sich eine ukrainische Partisanenorganisation zu der Tat.
Fest steht jedenfalls: Die Mordserie hilft der Lugansker Volksrepublik, auch dort nach und nach eine einheitliche Armee zu bilden und so die Schlagkraft zu erhöhen.
Kritik am Minkser Friedensplan
Die Kämpfer an der Basis halten das auch für notwendig. Viele machen kein Hehl daraus, dass sie vom Minsker Friedensplan nicht viel halten und kämpfen wollen. So auch Kommandant Phil aus Debalzewe:
"Wir werden zumindest das gesamte Gebiet der Bezirke Donezk und Lugansk erobern. Das sind wir den Menschen schuldig, die vor einem Jahr im Referendum für die Unabhängigkeit von der Ukraine gestimmt haben. Und wenn andere Bezirke der Ukraine sich uns anschließen wollen, dann werden wir auch ihnen dabei helfen."
Der Angriff auf die Kleinstadt Marinka in der vergangenen Woche könnte genau das gewesen sein: der Versuch der Separatisten, weitere Teile des Bezirks Donezk zu erobern.