Teile der ostukrainischen Gebiete Donezk und Luhansk entlang der russischen Grenze werden seit knapp sieben Jahren von Separatisten kontrolliert. Trotz einer geltenden Waffenruhe gab es zuletzt wieder Schusswechsel. Nach Schätzungen der UN sind seit Beginn der Krise in der Ostrukraine mehr als 13.000 Menschen getötet worden. Seit Jahresbeginn soll es rund 60 Tote auf beiden Seiten gegeben haben.
Im April 2021 entsandte Russland 15 Kriegsschiffe zu Militärübrungen ins Schwarze Meer und zog Berichten zufolge zwischen 80.000 und 110.000 Soldaten nahe der Grenze zur Ukraine und auf der annektierten Halbinsel Krim Truppen zusammen. Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, sagte im Deutschlandfunk, es handele sich um sehr reale Vorbereitungen eines Angriffs auf die Ukraine.
US-Präsident Joe Biden sprach in einem Telefonat mit seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskj von einer "andauernden russischen Aggression im Donezk-Becken und auf der Krim" und sicherte der Ukraine die Unterstützung der Vereinigten Staaten zu. Biden hat nach einem Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel auch den Abzug der russischen Truppen vor der Grenze zur Ukraine gefordert. Biden und Merkel waren sich demnach einig, "dass von Russland der Abbau der jüngsten Truppenverstärkungen einzufordern ist, um eine Deeskalation der Situation zu erreichen".
Ende April kündigte Russland den Abzug von Truppen an. Das sei zwar geschehen, doch es seien immr noch "bedeutende Kräfte vor Ort geblieben", sagte US-Außenminister Antony Blinken. Präsident Biden regte Anfang Mai ein Gipfeltreffen im Sommer an. Der russische Präsident Wladimir Putin sagte nach langem Zögern zu. Das Treffen soll am 16. Juni 2021 in Genf stattfinden.
Worum es im Krieg in der Ostukraine geht
Der Konflikt zwischen prorussischen Kräften im Grenzgebiet Donbass und den ukrainischen Truppen brach nach dem Sturz des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch Ende 2013 aus. Der Ukraine-Krieg eskalierte, als am 18. März 2014 Russland völkerrechtswidrig die zum Staatsgebiet der Ukraine gehörige Halbinsel Krim mit ihren über zwei Millionen Einwohnern annektierte. In dem seit 2014 andauernden Konflikt um die Ostukraine wurden bislang mehr als 13.000 Menschen getötet.
Der Konflikt zwischen prorussischen Kräften im Grenzgebiet Donbass und den ukrainischen Truppen brach nach dem Sturz des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch Ende 2013 aus. Der Ukraine-Krieg eskalierte, als am 18. März 2014 Russland völkerrechtswidrig die zum Staatsgebiet der Ukraine gehörige Halbinsel Krim mit ihren über zwei Millionen Einwohnern annektierte. In dem seit 2014 andauernden Konflikt um die Ostukraine wurden bislang mehr als 13.000 Menschen getötet.
Experten spekulieren über die Absichten Putins. ARD-Russland-Korrespondent Demian von Osten, der sich an der russisch-ukrainischen Grenze befindet, berichtete von sehr offensichtlichen Truppenbewegungen.
Russland habe einiges dafür getan, dass die Truppen nicht im Verborgenen blieben, so von Osten.
Einige Analysten interpretierten es deshalb so, dass Putins Truppenpräsenz auch eine Art Drohung an den Westen sei. Putin wolle sich alle Option offen halten und der Ukraine signalisieren, dass man bereit sei, einzumarschieren. Die Größe des Militäraufkommens sei vergleichbar mit 2014 und 2015 als der Konflikt im Donbass besonders blutig gewesen sei, sagte von Osten.
In den Konfliktgebieten gilt offiziell ein Waffenstillstand, doch der wird immer wieder gebrochen. Ende März flammten die Kämpfe wieder massiv auf. In der letzten Märzwoche und der ersten Aprilwoche sind laut ukrainischen Militärangaben sechs ukrainische Soldaten getötet worden. Teils seien sie bei Artilleriegefechten gestorben, teils durch Scharfschützen getötet worden.
Im Fokus ist der Donbass, das sind die östlichsten Gebiete der Ukraine, Donezk und Luhansk. Beide gehören offiziell zur Ukraine, werden aber von prorussischen Separatisten kontrolliert.
Aber es geht in dem Konflikt auch russische Gebiete an der ukrainischen Grenze. Denn dort verschiebt Russland Truppen, wie Aufnahmen von Anfang April zeigen. Es gibt Videos und Fotos von Truppenbewegungen - sowohl von Konvois auf der Straße als auch von Militärtransportern auf der Schiene. Unabhängige Analysten haben recherchiert, dass die Truppenbewegungen Richtung ukrainischer Grenze und auf die von Russland annektierte Krim hin erfolgen.
Die Krim ist der dritte Bereich, der im Fokus ist. Dort hat es auch ein Manöver gegeben. Und diese Bewegungen sorgen für Beunruhigung, denn auch dem Krieg im Jahr 2014 waren Truppenkonzentrationen vorausgegangen.
Von russischer Seite heißt es, die regulären Truppen der Ukraine würden bewusst provozieren und darauf setzen, dass die Separatisten reagierten. Die Aktionen der Separatisten würden dann als übertrieben dargestellt. Das mache die Ukraine, um bei den westlichen Partner um Beistand bitten zu können und um weitere Sanktionen gegenüber Russland einzufordern.
Dass es russische Truppenbewegungen gibt, bestreitet der Kreml nicht. Dmitri Peskow, der Sprecher des russischen Präsidenten, sagte, die russische Armee bewege sich auf russischem Territorium "in der Art und in Richtungen, die sie für nötig hält, um die Sicherheit des Landes zu gewährleisten. Dies sollte bei niemandem Besorgnis auslösen". Russland drohte angesichts der Eskalation im Konflikt in der Ostukraine am 10.4. mit einem militärischen Eingreifen zum Schutz seiner Staatsbürger.
Putin hatte sich mit einer Zusage zu einem Gipfeltreffen mit US-Präsident Biden lange Zeit gelassen, nun kommen beide erstmals seit Bidens Amtsantritt im Juni zusammen - auch, um über Situation in der Ukraine zu sprechen. "Natürlich sprechen wir nicht von einem Neustart 2.0, aber es ist wichtig für die internationale Sicherheit, das Niveau der russisch-amerikanischen Beziehungen zu verbessern", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der Staatsduma, Leonid Sluzki.
Aus Sicht der Ukraine geht die Aggression von der russischen Seite aus, von den Separatisten, die von Moskau unterstützt werden. Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, spricht von "realen Kriegsvorbereitungen". Der Kreml trachte danach, die Ukraine auszuradieren. Der Botschafter forderte daher militärische Unterstützung des Westens. Man benötige eine Modernisierung der ukrainischen Armee, um die Verteidigung zu stärken und um "den Preis für Putin für seine Kriegskampagnen in die Höhe zu treiben". Vielleicht müsse man auch über einen nuklearen Status der Ukraine nachdenken, so Melnyk.
Wie unterschiedlich die Darstellungen der beiden Seiten sind, lässt sich an einem konkreten Fall zeigen: Auf dem Separatistengebiet ist ein Kind zu Tode gekommen, von Seiten der Separatisten und von Moskau hieß es danach, eine ukrainische Drohne habe dieses Kind getötet. Die Ukrainer sagen hingegen, das sei im Hinterland der Separatisten passiert und da kämen ukrainische Drohnen gar nicht hin. Es sei ein Unglück gewesen, das Kind sei auf zurückgebliebene Munition getreten und habe eine Explosion ausgelöst.
Die NATO (North Atlantic Treaty Organization) macht auf der einen Seite deutlich, dass sie sich in den Konflikt nicht einmischen möchte. Die Ukraine ist kein NATO-Mitglied und fällt damit nicht unter den NATO-Bündnisfall, Artikel fünf. Nach diesem Artikel wird ein Angriff auf ein NATO-Mitglied als Angriff auf alle NATO-Mitglieder gewertet.
Auf der anderen Seite haben die Außen- und Verteidigungsminister der 30 Nato-Staaten über die Entwicklungen im Konflikt beraten und der Ukraine auch Solidarität zugesichert. Der russische Truppenaufmarsch sei der größte seit der illegalen Annexion der Halbinsel Krim 2014 und Teil eines aggressiven Verhaltens, das Anlass zu großer Sorge gebe, erklärte Generalsekretär Jens Stoltenberg im Anschluss. Man rufe Russland auf, die Provokationen sofort zu stoppen.
Solidaritätsbekundungen kamen auch von den USA und diversen europäischen Staaten. Die USA haben der Ukraine in den vergangenen Jahren schon Waffen geliefert, allerdings nach zähen Verhandlungen. Auch die USA haben kein Interesse an einer militärischen Auseinandersetzung mit Russland.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj fordert immer öfter, dass die Ukraine eine Perspektive für eine NATO-Mitgliedschaft bekommen soll. Das hat er auch in seinem ersten Telefongespräch mit dem neuen US-Präsidenten Joe Biden Anfang April angesprochen. Kurz danach erklärte er, die NATO sei der einzige Weg, um den Krieg im Donbass zu beenden.
Es gibt inzwischen auch offizielle Reaktionen auf diese Forderung von Selenskyj. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, hat erklärt, dass die USA das Ansinnen Kiews unterstütze, aber die Entscheidung von der gesamten Allianz abhänge. Aus dem Pressemitteilung des Weißen Hauses nach dem Telefongespräch Selenskyj-Biden war übrigens herauszulesen, dass die USA die Ukraine derzeit nicht bereit für einen Beitritt halten. Nicht aus militärischen Gründen, sondern wegen der Korruption im Land und wegen des schlechten Zustands des Rechtsstaats.
Schritte Richtung NATO-Mitgliedschaft hat die Ukraine jedenfalls schon gemacht: Das Land ist Mitte des vergangenen Jahres Partner mit erweiterten Möglichkeiten geworden. Das heißt, es kann zum Beispiel an allen NATO-Manövern teilnehmen, hat ständig Vertreter bei der NATO.
Aber wenn die Ukraine diesen Weg gehen will, dann ist es jedenfalls ein weiter Weg. Selbst ein für die Ukraine optimistisches Szenario wäre, dass sie 2023 in den Membership Action Plan aufgenommen würde, eine Vorstufe zur Mitgliedschaft. Dann wäre ein Beitritt in einem Zeitraum von zehn Jahren denkbar. Eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine wäre ein "rotes Tuch" für Russland, sagte Dlf-Korrespondent Florian Kellermann.