Poroschenko sagte in einer Videoerklärung, mehr als 80 Prozent der Soldaten hätten die Stadt in der Ostukraine bis zum Mittag "organisiert" verlassen. Korrespondenten beobachteten zahlreiche gepanzerte Fahrzeuge der Armee, die aus dem zuletzt noch stark umkämpften Verkehrsknotenpunkt abzogen. Die Separatisten bestätigten den Rückzug. Zuvor hatte es widersprüchliche Berichte gegeben. Während Medien berichteten, dass Soldaten den Ort verließen, teilte die örtliche Polizeiführung mit, dass die Gefechte andauerten.
Die Bundesregierung verurteilte die Einnahme von Debalzewe. Regierungssprecher Seibert sagte in Berlin, das militärische Vorgehen sei eine massive Verletzung der geltenden Waffenruhe. Seibert schloss weitere Sanktionen gegen Russland nicht aus. Auch die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sprach in Brüssel von einer klaren Verletzung der Vereinbarungen. Zugleich verlangte sie den sofortigen Zugang für Beobachter der OSZE in die Region. Am Abend führen Poroschenko, Russlands Präsident Wladimir Putin, das französische Staatsoberhaupt François Hollande sowie Bundeskanzlerin Angela Merkel telefonisch ein Krisengespräch.
Viele Soldaten ergeben sich
Die pro-russischen Separatisten hatten gestern weite Teile von Debalzewe, das ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt zwischen Lugansk und Donezk ist, unter ihre Kontrolle gebracht. In der Nacht dauerten die Kämpfe nach Angaben der Aufständischen an. Demnach ergaben sich zahlreiche ukrainische Soldaten und wurden gefangen genommen.
Trotz der im Minsk-II-Abkommen vereinbarten Waffenruhe hatten die Kämpfe in der Stadt zwischen den selbsterklärten "Volksrepubliken" Donezk und Lugansk nicht aufgehört. Vielmehr verstärkten die Rebellen ihre Bemühungen, Debalzewe einzunehmen. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warf Russland vor, in der Ukraine weiter militärisch aktiv zu sein. Moskau müsse seine Truppen abziehen und die Unterstützung für die Separatisten einstellen, sagte Stoltenberg in Riga. Der Bruch der Waffenruhe durch die Rebellen und deren Weigerung, OSZE-Beobachter in Debalzewe zu lassen, gefährdeten den Friedensplan.
Europapolitiker warnen vor Scheitern des Abkommens
Auch zwei Europapolitiker warnten im Deutschlandfunk-Interview vor dem Scheitern des Abkommens. Der EU-Parlamentarier Alexander Graf Lambsdorff (FDP) sagte im Deutschlandfunk, die Kämpfe seien ein klarer Bruch der Waffenruhe. "Wenn tatsächlich die kriegerischen Auseinandersetzungen in Debalzewe so verlaufen, wie wir das hören und auch sehen, dann ist das Abkommen von Minsk wahrscheinlich nicht mehr das Papier wert, auf dem es steht." Dagegen wertete der SPD-Europaabgeordnete Knut Fleckenstein die Kämpfe um Debalzewe als einen Versuch der "Frontbegradigung" durch die Separatisten. Wenn die Gefechte nun beendet würden, gebe es noch eine Chance für den Frieden, sagte er ebenfalls im Deutschlandfunk.
(hba/tj)