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Ukraine-Konflikt
Runder Tisch in Mikolajew

Während die ukrainische Regierung den dritten runden Tisch und zugleich ihre Kabinettssitzung abhalten will, reißt den Bewohnern von Slawiansk der Geduldsfaden. Das Geld wird knapp, und mit Kalaschnikows in Supermärkte marschierende Milizen tragen auch nicht zur Beruhigung bei.

Von Sabine Adler |
    Der Runde Tisch, auf dem am Samstag am Ende ein gemeinsames Memorandum lag, drohte heute leer zu bleiben. Das Parlament stimmte gestern erst nach langer Diskussion den im Memorandum erhobenen Forderungen zu. Der blockfreie Status der Ukraine wurde nicht festgeschrieben, Ukrainisch bleibt Staatssprache, Russisch bekommt den Status einer Minderheitensprache, die an die erste Stelle tritt in Regionen mit hohem russischen Bevölkerungsanteil, das gleiche gilt für die Sprachen anderer Nationalitäten. Verabschiedet wurde ein Amnestiegesetz für prorussische Aktivisten, die die Waffen niedergelegt haben.
    Dritter Runder Tisch
    Die Regierung will nach Kiew und Charkiw heute in der südukrainischen Stadt Mikolajew den dritten Runden Tisch abhalten und zugleich ihre Kabinettsitzung. Den Bewohnern von Slawiansk reißt die Geduld. Seit zwei Monaten bekommen sie ihre Renten nicht ausgezahlt, weil sich die Geldtransporte der Regierung wegen der prorussischen Milizen nicht in die Stadt wagen, wie die Sozialministerin beklagte.
    "Wir sind ja bereit das Geld auszuzahlen. Doch die Lage ist die, dass es physisch nicht möglich ist. Die Separatisten, Terroristen stehlen nicht nur das Geld, sondern sie bringen die Leute um, die es transportieren. Das können wir nicht riskieren."
    Diese Rentnerin fordert eine Lösung.
    "Der Westen des Landes betrachtet uns doch als Feinde. Die Regierung will uns vereinen, aber wenn das nicht gelingt, dann lassen sie den Osten doch gehen, lassen sie uns gehen. Machen sie wenigstens das, damit das Land nicht stirbt."
    Auf den am Sonntag zu wählenden Präsidenten kommt ein Mammutprogramm zu. Pedro Poroschenko, der Favorit, wirbt dafür, eine Entscheidung bereits im ersten Wahlgang herbeizuführen, nicht zuletzt weil die Wahl dann nur halb so teuer wäre. Wenn sich die Umfragen bestätigen, entfällt die Stichwahl am 15. Juni, denn derzeit werden ihm über 53 Prozent der Stimmen zugeschrieben, Julia Timoschenko, der Zweitplatzierten nur 10 Prozent.
    Leiden unter den Milizen
    Die Bevölkerung leidet zunehmend unter den Milizen, die Lugansk, Donezk, Kramatorsk und weiter Städte im Osten des Landes besetzt halten. Gestern kamen viele Beschäftigte in den Unternehmen des Multimilliardärs Rinat Achmetow dessen Aufruf zu einem Warnstreik nach.
    Um 12 Uhr mittags ertönten Sirenen, läuteten Glocken, hupten Autos, alles Solidaritätsbekundungen für die Streikaktion.
    Es war das erste Mal, dass Achmetow klar gegen die Separatisten Stellung bezog. Der Abgeordnete Mikolajew Lewtschenko beschreibt die Stimmung in der Region, in der am Sonntag vermutlich keine Wahlen stattfinden können.
    "Donezk protestiert, gegen den Krieg, gegen die bewaffneten Leute auf den Straßen, diese Banditen und Plünderer haben unsere Unzufriedenheit mit der Kiewer Regierung, die wir nicht anerkennen, ausgenutzt. Auf den Straßen laufen Leute mit Kalaschnikows herum, sie sind nicht auf den Barrikaden, sondern dort, wo Einwohner mit Kindern unterwegs sind. Sie gehen in Geschäfte und nehmen Waren mit, ohne zu bezahlen, sie stehlen den Bürgern die Firmen und Autos, tanken ohne Geld angeblich alles für das Wohl der Donezker Volksrepublik."