Prorussische Separatisten haben nach ukrainischen Regierungsangaben im Osten des Landes sechs Soldaten getötet und acht weitere verletzt. Die Soldaten sind demnach nahe der Stadt Krematorsk in einen Hinterhalt geraten; mehr als 30 Aufständische haben den Konvoi angegriffen. Separatisten halten in der Ostukraine seit Wochen Regierungsgebäude besetzt. Die Übergangsregierung hatte Mitte April einen "Anti-Terror-Einsatz" gegen sie angeordnet.
Der Westen und Russland bemühen sich, die beiden zerstrittenen Lager an einen runden Tischen zu bringen - bislang ohne Erfolg. Ein Sprecher der vom Parlament gewählten Übergangsregierung erklärte, ein Dialog sei nur mit Kräften möglich, die "legitime politische Ziele" und "kein Blut an den Händen" hätten. Interims-Ministerpräsident Arseni Jazenjuk erklärte bei einer Unterzeichnung von Finanzhilfen in Brüssel dagegen, "wir würden gerne einen umfassenden Dialog mit dem Osten, der Mitte, dem Westen und der ganzen Ukraine beginnen". Demnach soll über Verfassungsänderungen verhandelt werden, die den betroffenen Regionen mehr Rechte zubilligen.
Moskau setzt auf Versöhnung
Verfassungsänderungen für eine bundesstaatliche Ordnung der Ukraine sind eine Kernforderung Russlands in dem Konflikt. Das russische Außenministerium forderte eine zügige Umsetzung des OSZE-Plans für einen umfassenden Dialog und ein Ende der Gewalt von beiden Seiten. Die Regierung in Kiew müsse ihre Militäraktionen im Osten stoppen, die Blockade von Städten und Dörfern beenden, ihre Truppen zurückziehen und alle politischen Gefangenen freilassen. Die russische Regierung erwarte von den Separatisten in Donezk und Lugansk dasselbe, wenn Kiew all das umsetzt, hieß es in der Erklärung. Der OSZE-Plan "schafft die Voraussetzungen für den Beginn eines breiten nationalen Dialogs, der alle politischen Kräfte und Regionen der Ukraine einbezieht, auf Versöhnung und eine umfassende Verfassungsreform ausgerichtet ist, mit dem Ziel, zu verhindern, dass die Nation weiter in eine Katastrophe schlittert", erklärte das russische Außenministerium.
Der Fahrplan für eine Überwindung der Krise war vom Schweizer OSZE-Vorsitzenden Didier Burkhalter vorgelegt worden. Dieser ruft beide Seiten zur Abkehr von Gewalt, zu einer sofortigen Amnestie, zu Verhandlungen über eine Dezentralisierung und über den Status der russischen Sprache in den betroffenen Regionen auf. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) warb in Kiew weiter für einen "nationalen Dialog".
AM #Steinmeier: Lage in der #Ukraine weiter gefährlich; um so mehr haben wir Respekt vor der Arbeit Ihrer Regierung. pic.twitter.com/GpAciv9rQg— Auswärtiges Amt (@AuswaertigesAmt) 13. Mai 2014
Merkel stellt Bedingungen
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat eine mögliche Teilnahme prorussischer Separatisten an den Ukraine-Gesprächen des Runden Tisches von einem Gewaltverzicht abhängig gemacht. Es seien nur die willkommen, die glaubhaft machen könnten, ihre Ziele ohne Gewalt erreichen zu wollen: "Gewalt zur Lösung der eigenen Probleme darf nicht angewendet werden", sagte Merkel in Berlin. Sie bekräftigte, dass sie das Referendum vom Sonntag in der Ost-Ukraine für illegal halte.
Teilnehmer des Runden Tisches im Parlament sind unter anderem der ehemalige deutsche Botschafter Wolfgang Ischinger als Moderator, die ukrainischen Ex-Präsidenten Leonid Kutschma und Leonid Krawtschuk sowie Interims-Regierungschef Jazenjuk. Ferner sollen Kandidaten der Präsidentenwahl am 25. Mai sowie führende Persönlichkeiten aus den krisengeschüttelten Regionen Donezk und Lugansk in die Oberste Rada kommen. Die ukrainische Präsidentenkandidatin Julia Timoschenko forderte einen Runden Tisch aller Parteien direkt in der krisengeschüttelten Region. Es habe wenig Sinn, ein solches Gespräch in Kiew zu führen. "Die Hauptstadt ist 800 Kilometer entfernt vom Epizentrum der politischen Erschütterungen", sagte Timoschenko.
"Freie und faire Wahlen im ganzen Land werden schwer"
Angesichts der separatistischen Bewegungen in der Ost-Ukraine hat Jazenjuk Probleme eingeräumt, im ganzen Land Präsidentschaftswahlen zu organisieren. "Wir tun unser Bestes, um freie und faire Präsidentschaftswahlen abzuhalten", sagte Jazenjuk nach einem Treffen der ukrainischen Regierung mit der EU-Kommission in Brüssel. Die Regierung in Kiew gehe davon aus, dass sie die Lage in der Ostukraine vor der Abstimmung am 25. Mai stabilisieren könne. "Die Europäische Union erwartet, dass diese Wahlen frei und fair nach internationalen Standards sein müssen", sagte EU-Kommissionschef José Manuel Barroso. Außenminister Steinmeier erklärte, er "hoffe, dass die Wahl so stattfindet, dass es anschließend gelingt, eine nach vorn gerichtete Atmosphäre vorzufinden".
Im Streit mit Moskau um russische Gaslieferungen sagte Jazenjuk eine Begleichung offener Rechnungen zu, wenn Russland den Preis auf Marktniveau senke. Andernfalls werde die Ukraine eine Klage vor einem internationalen Schiedsgericht anstrengen. "Das ist die letzte Aufforderung an Russland, sich an den Verhandlungstisch zu setzen und eine Lösung zu finden", drohte der ukrainische Übergangsregierungschef. Die von der Pleite bedrohte Ukraine erhielt jahrelang verbilligtes Gas aus dem Nachbarland. Nach dem Sturz des prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch im Februar hat Moskau die Rabatte aber gestrichen und verlangt nun den vollen Preis. Der russische Gaskonzern Gazprom hatte erklärt, angesichts unbezahlter Rechnungen in Höhe von umgerechnet 2,5 Milliarden Euro werde die Ukraine ab Juni nur noch nach Vorauszahlungen beliefert.
Jazenjuk warf Russland zudem vor, durch die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim Staatsbesitz in Form von Gas, Energieunternehmen und Maschinen im Wert von Milliarden von Dollar "gestohlen" zu haben. Ebenso wie Barroso forderte Jazenjuk die Regierung in Moskau auf, ihre Energiereserven nicht als politische Waffe einzusetzen.
355 Millionen Euro von der EU
Die EU-Kommission sagte Kiew erneut Hilfe bei der politischen und wirtschaftlichen Erneuerung zu. Barroso und Jazenjuk unterzeichneten einen Vertrag zur Unterstützung einer Reform der staatlichen Strukturen in der Ukraine. Darin ist eine finanzielle Hilfe der EU über 355 Millionen Euro vorgesehen. Weitere zehn Millionen Euro sollen Barroso zufolge in die Stärkung der Zivilgesellschaft in der Ukraine fließen. Beide Seiten besiegelten zudem Finanzhilfe in Höhe von einer Milliarde Euro, die Ukraines Regierung auch zur Tilgung von Gasschulden nutzen kann.
(sdö/swe)