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Ukraine-Konflikt
"Strategie des Westens kann aufgehen"

Es sei wenig überraschend, dass der russische Hilfskonvoi aus Sicht der Ukraine als trojanisches Pferd betrachtet werde, sagte Rebecca Harms, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, im DLF. Schließlich habe Russland zuerst die Krim annektiert und dann die Separatisten mit Waffen versorgt. Ungeachtet dessen könnten die Sanktionen des Westens aber ihr Ziel erreichen.

Rebecca Harms im Gespräch mit Gerd Breker |
    Die Europaabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, Rebecca Harms spricht in Mikrofone
    Europaabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, Rebecca Harms (dpa picture alliance / Peter Endig)
    Es sei klar, dass die Menschen in der Ostukraine Hilfe benötigten, sagte Rebecca Harms, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, im Deutschlandfunk. Genauso wichtig sei aber, dass die Kampfhandlungen zwischen ukrainischen Truppen und pro-russischen Kämpfern gestoppt würden. Dabei sei es auch richtig, immer wieder zu insistieren, dass die ukrainische Armee nach internationalem Recht im Donbass handele, sagte Harms weiter.
    Die Krise müsse politisch gelöst werden. Die Strategie des Westens, auf Sanktionen gegen Russland zu setzen, könne aufgehen, wenn man sie durchhalte. Es sei jedoch zu berücksichtigen, dass die Strafmaßnahmen erst spät konsequenter gehandhabt worden seien, so Harms. Benötigt werde nun die Akzeptanz von Russlands Präsident Wladimir Putin, dass über den weiteren Weg der Ukraine nur die Ukrainer selbst entscheiden könnten - nicht Politiker und Strategen in Moskau.

    Das Gespräch in voller Länge:
    Dirk-Oliver Heckmann: Nicht nur in Kiew, auch in Brüssel stößt der russische Konvoi auf Skepsis. Mein Kollege Gerd Breker, der hat mit Rebecca Harms gesprochen, der Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Europäischen Parlament, und zwar über das Misstrauen gegenüber Moskau.
    Gerd Breker: Russland will den Menschen in der Ostukraine helfen - und dann dieses Misstrauen. Wie erklärt sich das?
    Rebecca Harms: Also erstens ist natürlich klar, dass die Menschen in der Ukraine, im Osten, in Donbass, dass die Hilfe brauchen. Zweitens ist aber auch klar, dass diese ganze furchtbare Situation, dass alle diese Kämpfe, die da stattfinden, dass die darauf zurückgehen, dass Russland zuerst die Krim annektiert hat und dann ganz offensichtlich die selbst ernannten Separatisten mit Waffen und allem, was sie gebraucht haben, unterstützt haben, um eben den Osten der Ukraine zu destabilisieren. Und vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, dass man diesen Hilfskonvoi aus ukrainischer Perspektive auch als Trojanisches Pferd betrachtet.
    Breker: Weder die Separatisten noch die ukrainische Armee gehen besonders rücksichtsvoll mit den Zivilisten um. Menschenrechtsorganisationen werfen beiden Seiten Kriegsverbrechen vor.
    Harms: Die Organisation Amnesty International hat schon sehr früh einen Bericht veröffentlicht, in dem es um Menschenrechtsverletzungen in großem Umfang gegangen ist. In erster Linie wurden die sogenannten Separatisten angegriffen, aber auch der ukrainischen Regierung und der ukrainischen Armee sind schwere Vorwürfe gemacht worden. Und ich glaube, dass es richtig ist, dass hier immer wieder insistieren, dass die ukrainische Armee eben internationales Recht auch in diesem Einsatz in der Ukraine im Osten respektiert.
    "Es wird keine rein militärische Lösung geben"
    Breker: Offensichtlich, Frau Harms, setzt aber Kiew derzeit auf eine rein militärische Lösung.
    Harms: Es wird keine rein militärische Lösung geben. Es gibt ein politisches Problem, selbst wenn diese Kämpfe da gestoppt werden können, wenn die selbst ernannten Separatisten oder die Milizen, die da auch aus dem Ausland wieder im Einsatz sind im Osten der Ukraine, selbst wenn die gestoppt werden können. Ich glaube, dass es wirklich nur eine politische Lösung geben kann. Und ich meine, es wäre nach wie vor nicht das Richtigste, jetzt humanitäre Hilfe zu leisten, sondern richtig wäre, dafür zu sorgen, dass diese Kampfhandlungen, dass die gestoppt werden. Seit Wochen fordern wir, Nachschub für die Separatisten, dass der gestoppt werden muss, dass ein Waffenstillstand endlich durchgesetzt werden muss. Und davon ausgehend muss man nach einer politischen Lösung in der Ukraine dann suchen.
    Breker: Donezk ist offensichtlich eingekesselt. Die Separatisten schüren inzwischen die Assoziation zu Stalingrad, und ein ukrainisches Stalingrad, das könnte die Russen zum Einmarsch verleiten.
    Harms: Es wird in der Ukraine ja jetzt schon darüber spekuliert, dass dieser Hilfskonvoi eine, ja, legalisierte Form des Einmarsches auch von russischen Kräften im Donbass sein könnte. Es wird verwiesen auf Parallelen in anderen Teilen in Osteuropa, Ossetien, Abchasien, es gibt da viele Vorbilder, an die man denken kann, wenn man sich die russische Strategie bisher in der Ukraine anguckt. Ich hoffe, dass es zu einer anderen Lösung kommt. Ich hoffe nicht, dass Russland in der Ukraine weiter so vorgeht, wie das in anderen Regionen im Osten der Fall gewesen ist. Und ich denke nach wie vor, dass die Strategie des Westens, da auf Sanktionen zu setzen, dass die, diese Strategie auch aufgehen kann, wenn der Westen das durchhält.
    "Man braucht Akzeptanz von Putin"
    Breker: Sie haben die Sanktionen angesprochen, Frau Harms, bislang haben sie allerdings wenig bewirkt. Ein Holzweg?
    Harms: Wenn man eben nicht auf militärische Intervention setzt und auf andere Instrumente vertraut, dass man da auch Geduld haben muss. Und vor allen Dingen spielt, glaube ich, eine Rolle, dass diese Sanktionen, dass die erst sehr spät wirklich konsequenter gehandhabt worden sind, und ob das konsequent durchgehalten werden wird, das werden wir sehen. Aber daran, glaube ich, wird sich auch entscheiden, ob das wirken kann, dieses Vorgehen mit Wirtschaftssanktionen eben, und eben nicht mit militärischen Sanktionen da zu arbeiten.
    Breker: Um eine politische Lösung zu finden, braucht man Russland, braucht man Putin.
    Harms: Man braucht von Präsident Putin die Akzeptanz dafür, dass über den weiteren Weg der Ukrainer von den Ukrainern entschieden wird und nicht von Politikern und Strategen, die in Moskau sitzen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.