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Ukraine-Konflikt
Waffenruhe in der Ostukraine hält bisher

Ungewöhnliche Nachrichten aus der Ostukraine: Seit Mitternacht ist dort kein Schuss mehr gefallen. Die Konfliktparteien hatten sich vergangene Woche darauf verständigt, zum Beginn des neuen Schuljahres die bereits im Februar vereinbarte, aber immer wieder durchbrochene Waffenruhe durchzusetzen.

Von Florian Kellermann |
    Der ukrainische Präsident Poroschenko kniet vor einer Gedenknische für die Opfer der gewaltsamen Ausschreitungen vor dem Parlament in Kiew nieder.
    Der ukrainische Präsident Poroschenko gedenkt der Opfer der gewaltsamen Ausschreitungen vor dem Parlament in Kiew. (picture alliance / dpa / Sergey Dolzhenko)
    Schon zuvor hatte sich die Lage beruhigt, so der ukrainische Präsident Petro Poroschenko:
    "Dank der diplomatischen Bemühungen der vergangenen Woche hat es jetzt drei Tage lang keinen Beschuss mit schwerer Artillerie mehr gegeben, schon seit drei Tagen ist keiner unserer Kämpfer im Donbass getötet worden."
    Nach bisherigen Verlautbarungen gilt der Waffenstillstand für eine Woche. Aber die Hoffnung auf einen dauerhaften Frieden wächst: Die OSZE, Russland und die Ukraine wollen sich in genau einer Woche wieder in Minsk treffen. Dann soll es auch um den Abzug von Artilleriegeschützen mit einem Kaliber von weniger als 100 Millimetern gehen.
    Zahl der Opfer nach gewaltsamen Protesten in Kiew gestiegen
    Die guten Nachrichten aus dem Donezkbecken sind allerdings überschattet von den gestrigen Ereignissen in Kiew. Heute starben zwei weitere junge Uniformierte der Nationalgarde an den Folgen eines Anschlags, damit sind es jetzt drei Todesopfer. Das 21-jährige Mitglied eines Freiwilligenbataillons hatte vor dem Parlament aus einer Gruppe von Demonstranten heraus eine Granate in die Reihen der Nationalgarde geworfen. Die Splitter flogen in einem Umkreis von 30 Metern und verletzten 141 Menschen schwer. Serhij Mjasojedow, Fotograf der Nationalgarde, war Augenzeuge.
    "Das erste Todesopfer war ein 25-Jähriger aus dem Chersoner Gebiet. Er war einberufen worden und hatte gerade fünf Monate gedient. Ich hab eine halbe Stunde vorher noch Porträts von den Nationalgardisten gemacht. Die Gesichter von Kindern waren das, die kaum verstanden haben, was sie hier tun sollen, die wohl auch keine besondere Vorbereitung bekommen haben."
    Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko forderte eine strenge Bestrafung der Täter und Organisatoren. Gleichzeitig verteidigte er in einer Rede an die Nation die Verfassungsänderung - wegen ihr waren die Demonstranten vor das Parlament gezogen. Sie spiele eben nicht Russland in die Hände, wie die Kritiker meinten, so Poroschenko.
    "Die Dezentralisierung bringt uns zum westlichen Modell der regionalen Selbstverwaltung. Moskau hat nicht das bekommen, was es wollte. Erinnert Ihr Euch nicht, welche Forderungen uns noch im vergangenen Jahr gestellt wurden? Russland wollte nicht nur die Föderalisierung der Ukraine, sondern sogar einen Staatenbund. Zehn östliche ukrainische Regionen wären dann enger mit Russland verbunden gewesen als mit der westlichen Ukraine."
    Radikale Partei verlässt Regierungskoalition
    Heute blieb es ruhig in Kiew. Aus dem Umland waren zusätzliche Polizeikräfte in die Hauptstadt beordert worden, um weiteren Ausschreitungen vorzubeugen.
    Das Parlament hatte die Verfassungsänderung gestern in erster Lesung beschlossen. Allerdings stimmten drei Koalitionsfraktionen beinahe geschlossen dagegen - die Vaterlandspartei, die Partei "Selbsthilfe" und die "Radikale Partei". Oleh Ljaschko, Anführer der "Radikalen Partei", erklärte deshalb heute den Austritt aus der Regierungskoalition.
    Endgültig verabschiedet wird die Reform nur, wenn das Parlament mit einer Mehrheit von zwei Dritteln zustimmt. Präsident Poroschenko gab sich Zeit bis zum Jahresende, um die nötigen 300 Abgeordneten auf seine Seite bringen. Damit zeichnet sich ab, dass die im Minsker Abkommen vorgesehenen Kommunalwahlen im Donezkbecken in diesem Jahr wohl nicht mehr stattfinden werden.