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Ukraine-Konflikt
"Was wir benötigen, ist freier Zugang"

Die OSZE-Beobachter in der Ukraine könnten aus Sicherheitsgründen nicht überall vor Ort sein, sagte der stellvertretende Chefbeobachter Alexander Hug im DLF. Trotz der gebrochenen Waffenruhe sei er guter Hoffnung, dass diese entlang der Kontaktlinie umgesetzt werden könne - wenn der Wille auf allen Seiten da sei.

Alexander Hug im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Alexander Hug, stellvertretender Leiter der Ukraine-Beobachtermission der OSZE.
    Alexander Hug, stellvertretender Leiter der Ukraine-Beobachtermission der OSZE. (imago/ITAR-TASS)
    Auf der Länge der Frontlinie sei die Waffenruhe im Großen und Ganzen eingehalten worden, sagte Hug weiter. Ein großes Problem für die 350 OSZE-Beobachter sei die Sicherheitslage in der Ostukraine. "Die Sicherheit unserer Mitarbeiter ist unsere größte Einschränkung." Besonders die pro-russischen Separatisten hätten sich beispielsweise geweigert, ihnen die Sicherheit in der Stadt Debalzewe zu garantieren. "Was wir benötigen, ist freier Zugang, wie das in unserem Mandat vorgesehen ist." Der Konflikt sei sehr gefährlich, weil er nicht mit kleinen Waffen geführt werde, sondern mit Distanzwaffen.
    Der stellvertretende Chefbeobachter sagte weiter, die OSZE nutze jetzt schon Drohnen. Er kündigte an, dass die OSZE - wie im Minsk-II-Abkommen vorgesehen - bald weitere technische Hilfsmittel einsetzen werde, um beispielsweise Satellitenbilder zu erhalten. So könnten auch Regionen überwacht werden, in denen man aus Sicherheitsgründen nicht vor Ort sein könne.

    Das Interview in voller Länge:
    Jasper Barenberg: Die Fahne der Separatisten weht jetzt über Debalzewo. Der wichtige Verkehrsknotenpunkt zwischen den Hochburgen Donezk und Lugansk ist an die Rebellen gefallen. Die Regierungstruppen ziehen ab. Ein schwerer Rückschlag für Präsident Poroschenko und die Bilder wirken mehr wie in die Flucht geschlagene Soldaten und weniger wie ein geordneter Rückzug, von dem der Präsident der Ukraine spricht.
    Am Telefon ist Alexander Hug, der stellvertretende Chefbeobachter der Mission der OSZE in der Ukraine. Schönen guten Morgen!
    Alexander Hug: Guten Morgen.
    Barenberg: Herr Hug, haben die Beobachter der OSZE irgendwelche Informationen über die Situation in und um Debalzewo?
    Hug: Ich war selbst vor Ort gestern bis spät abends im Norden der Stadt Debalzewo und wir haben über die letzten drei Tage beobachtet, wie die Stadt bombardiert wurde.
    Es ist schwierig zu sagen, von welcher Seite das Feuer kam. Es war klar, dass der Waffenstillstand, der seit letzten Sonntag gelten sollte, in Debalzewo nicht eingehalten wurde.
    Ein Mandat, "das uns durch 57 Teilnehmerstaaten der OSZE gegeben wurde"
    Barenberg: Es heißt immer, dass die Beobachter der OSZE an ihrer Arbeit gehindert werden, dass ihnen Steine in den Weg gelegt werden, ihre Arbeit zu tun. Was Sie gerade gesagt haben klingt danach, als gäbe es doch Möglichkeiten, Informationen zusammenzutragen.
    Hug: Wir haben geplante 350 Beobachter im Osten der Ukraine in diesen beiden Regionen von Donezk und Lugansk. Was wir benötigen ist freier Zugang, wie das in unserem Mandat vorgesehen ist, ein Mandat, das uns durch 57 Teilnehmerstaaten der OSZE gegeben wurde.
    Es war uns in den letzten drei Tagen nicht möglich, vor allem von der Rebellenseite die notwendigen Sicherheitsgarantien zu bekommen, sodass wir den Zugang in dieses Gebiet bekommen konnten.
    Uns wurde von den Rebellen gesagt, dass unser Zugang von ihrer Seite aus nicht garantiert werden kann, und damit wurde uns indirekt gesagt, dass die Rebellen den Waffenstillstand zumindest in diesen drei Tagen nicht einhalten könnten.
    Barenberg: Haben Sie den Eindruck, dass sich das jetzt ändern könnte?
    Hug: Ich muss hier auch festhalten, dass die OSZE-Spezialbeobachtermission in der Ukraine festgestellt hat, dass der Waffenstillstand auf der Länge der Frontlinie, die fast 500 Kilometer lang ist, im Großen und Ganzen hält. Es gibt gewisse Punkte wie Debalzewo oder die Stadt Donezk, wo wir immer noch Vorfälle registrieren. Aber wir sind guter Hoffnung, dass hier, wenn der Wille auf allen Seiten gegeben ist, dieser Waffenstillstand auf der ganzen Länge der Kontaktlinie umgesetzt werden kann.
    "Sicherheit ist die größte Priorität, die wir haben"
    Barenberg: Aber ich verstehe Sie schon richtig, dass es im Moment vor allem die Rebellen, die Separatisten sind, die Ihnen die Arbeit erschweren?
    Hug: Die Spezialbeobachtermission benötigt Zugang und wenn sich beide Seiten nicht darauf einigen können, in diesen wichtigen Ortschaften und Gebieten den Waffenstillstand gemeinsam umzusetzen, wird unsere Arbeit erschwert oder unmöglich gemacht.
    Wir sind eine unbewaffnete zivile Beobachtermission und Sicherheit ist die größte Priorität, die wir haben, und ohne dass die uns gewährleistet wird, können wir hier nicht wirklich vor Ort tätig werden.
    Nicht "unnötig das Leben und die Gesundheit unserer Mitarbeiter aufs Spiel setzen"
    Barenberg: Die OSZE hat in den vergangenen Tagen und Wochen schon immer mal wieder beklagt, wie schwierig die Arbeit geworden ist unter den gegebenen Bedingungen vor Ort. Welche Grenzen, würden Sie sagen, sind Ihrer Arbeit gesteckt, wenn wir davon hören, dass es immer mal wieder Kämpfe gibt, selbst nachdem die Waffenruhe vereinbart worden ist?
    Hug: Die Sicherheit unserer Mitarbeiter ist die größte Einschränkung, die uns gegeben wird oder die wir uns selbst geben müssen. Trotz unserer Ausrüstung - und das sind gepanzerte Fahrzeuge, persönliche Schutzausrüstung, spezielles Training, gute Kommunikationsmittel - ist dieser Konflikt sehr gefährlich. Der wird nicht mit kleinen Waffen geführt, sondern mit Distanzwaffen, mit Artillerie. Das sind sehr unberechenbare Waffen und wir müssen die entsprechenden Gespräche und Garantien haben von den Seiten, dass wir hier nicht ins Kreuzfeuer kommen. Ein gewisses Restrisiko bleibt immer bestehen, aber das muss so klein sein, dass wir hier nicht unnötig das Leben und die Gesundheit unserer Mitarbeiter aufs Spiel setzen.
    Barenberg: Wie müssen wir uns denn den Kontakt mit den Konfliktparteien vorstellen, insbesondere mit Abgesandten, mit Vertretern der Rebellen vor Ort? Wie eng ist da der Kontakt? Wie ist es möglich, Absprachen zu treffen?
    Hug: Absprachen werden täglich gehalten. Die werden in direkten Gesprächen der Städte Donezk und Lugansk mit den jeweiligen Vertretern auf jeder Ebene, politischer und militärischer Ebene der Rebellen geführt. Diese Gespräche werden auch per Telefon oder per Videoschalte geführt und in den letzten drei Tagen habe ich selbst Verhandlungen beigesessen, wo die Rebellenführer aus Donezk und Lugansk via einer Skype-Verbindung mit dem sogenannten Joint Control and Coordination Center - das sind Vertreter der russischen und ukrainischen Streitkräfte -, wo wir dann versucht haben, den Zugang der Mission in die Stadt Debalzewo einzuleiten. Wie ich schon erwähnt habe war es dann nicht möglich, dass sich die Parteien auf die Einhaltung des Waffenstillstandes in dieser Stadt einigen konnten.
    Barenberg: Jetzt haben wir Sie, glaube ich, verloren. Hören Sie mich noch?
    Hug: Ja.
    "Die Russische Föderation unterstützt diese Mission"
    Barenberg: Wunderbar. - In den Verhandlungen von Minsk wurde ja der OSZE eine wichtige Rolle bei der Überwachung, beim Monitoring des Waffenstillstands eingeräumt. Würden Sie sagen, es liegt auch und vor allem in der Hand von Wladimir Putin im Kreml, diese Mission zu einem Erfolg zu machen?
    Hug: Die Russische Föderation ist ein Teilnehmerstaat der OSZE. Die Russische Föderation und 56 andere Teilnehmerstaaten der OSZE haben im Konsens im letzten März diese Mission etabliert. Die Mission hat ein Mandat, das sich über die ganze Ukraine erstreckt, und die Aufgaben, die uns detailliert in diesen Minsker Dokumenten zugereicht wurden, finden dementsprechend auch die Zustimmung der Russischen Föderation.
    Die Russische Föderation unterstützt die Mission auch mit finanziellen Mitteln und wir haben auch russische Beobachter in unseren Reihen und dementsprechend unterstützt die Russische Föderation diese Mission.
    "Technische Hilfsmittel wären sehr nützlich"
    Barenberg: Sie haben die lange Frontlinie angesprochen. Ein Problem ist auch die Hunderte von Kilometern lange Grenze zwischen Russland und der Ukraine. Jetzt liegt aus Deutschland beispielsweise schon längere Zeit ein Angebot auf dem Tisch, Drohnen zu liefern, um die Überwachung der Grenze und des Waffenstillstands zu gewährleisten. Ist das ein guter Vorschlag? Sind das technische Mittel, die Sie gut gebrauchen könnten?
    Hug: Dem ist so. Das Gebiet, das diese Sicherheitszone, diese entmilitarisierte Zone ausmachen würde, wäre im Durchschnitt etwa 100 Kilometer breit. Auf einer Länge von 500 Kilometer gibt es eine Fläche, die viel größer ist als die Schweiz. Zusätzlich würde dann noch der 400 Kilometer lange Grenzabschnitt kommen, welchen die Regierung nicht unter Kontrolle hat, und da würden auch zusätzliche tausend Beobachter nicht den Unterschied machen.
    Dementsprechend wären technische Hilfsmittel sehr nützlich vor allem für diese Gebiete, die für uns nicht zugänglich sind aus Sicherheitsbedenken. Wir haben jetzt schon Drohnen im Flugeinsatz im Süden des Donezk und wir werden weitere Planungen anstellen, um weitere solche technische Hilfsmittel einzustellen, um hier wie in den Minsker Dokumenten vom letzten Donnerstag vorgesehen Beobachtungen anstellen zu können.
    Das Minsk-Paket vom letzten Donnerstag sieht auch vor, dass die Mission Satellitenbilder wie auch andere technische Hilfsmittel einsetzen könnte, und in den Tagen nach diesem Minsk-Paket hat die Mission zusammen mit den Teilnehmerstaaten solche Möglichkeiten analysiert und wird diese einsetzen, sobald sie zur Verfügung stehen.
    Barenberg: Das heißt, Sie gehen davon aus, dass Sie in Bälde schon Drohnen aus Deutschland zum Beispiel erhalten werden?
    Hug: Wir werden verschiedene Möglichkeiten evaluieren und die besten und schnellstmöglichen einsetzbaren Vorschläge werden dann natürlich auch umgesetzt.
    Barenberg: Aber Sie haben die Bereitschaft der Bundesregierung, Sie damit auszustatten?
    Hug: Viele verschiedene Teilnehmerstaaten inklusive Deutschland hat uns Unterstützung zugesagt und wir werden diese analysieren und im Gespräch mit allen Teilnehmerstaaten versuchen umzusetzen.
    Barenberg: Alexander Hug, der stellvertretende Chefbeobachter der Beobachtungsmission in der Ukraine. Danke für das Gespräch heute Morgen.
    Hug: Keine Ursache. Besten Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.