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Ukraine-Konflikt
Wenig Kompromissbreitschaft

Jede Annäherung wird genau beäugt, und sei es nur ein Händedruck. Die Erwartungen an das Treffen zwischen Ukraines Präsident Petro Poroschenko und Russlands Staatschef Wladimir Putin in Minsk waren ohnehin klein - der Durchbruch im Konflikt um die Ostukraine blieb wie erwartet aus. Ein Gespräch unter vier Augen fand dann am späten Abend statt.

26.08.2014
    Ein besonderer Moment im Ukraine-Konflikt: Waldimir Putin (l.) und Petro Poroschenko
    Ein besonderer Moment im Ukraine-Konflikt: Waldimir Putin (l.) und Petro Poroschenko (dpa / picture-alliance / Sergei Bondarenko)
    Es ist der wohl üblichste aller Vorgänge bei Treffen zwischen Spitzenpolitikern - einer Nachrichtenagentur war er dennoch eine Eilmeldung wert. "Putin und Poroschenko schütteln sich die Hände", meldete die englische Version der Agentur Reuters um 14.06 Uhr MESZ. Ein Beweis dafür, wie unerwartet jede Form der Annäherung der beiden Staatschefs bei ihrem Treffen im weißrussischen Minsk eingeschätzt wurde.
    "Die Positionen sind unterschiedlich - teils fundamental"
    Und so blieb der Durchbruch wie erwartet aus. Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko sagte als Gastgeber zwar, dass alle Gesprächspartner die Notwendigkeit einer Deeskalation in dem Konflikt betont hätten. "Aber die Gespräche waren nicht einfach, die Positionen sind unterschiedlich - teils fundamental." An den Gesprächen, das im Rahmen des Gipfeltreffens der Eurasischen Zollunion stattfand, nahmen als Mitglieder der Union auch Kasachstan und Weißrussland sowie Catherine Ashton als EU-Außenbeauftragte teil. "Wir wollten alle einen Durchbruch", sagte Lukaschenko. Das Treffen als solches sei schon als Erfolg zu werten. Ein Vier-Augen-Gespräch zwischen Putin und Poroschenko fand dann am späten Abend statt. Über dessen Inhalt ist noch nichts bekannt.
    Schon zu Beginn des Tages in Minsk klang jedoch trotz des vielbeachteten Händedrucks wenig Kompromissbereitschaft durch. Das Ziel seines Besuchs sei es, "alles mögliche zu tun, um das Blutvergießen zu beenden und einen Prozess zur Findung eines Kompromisses einzuleiten", sagte Poroschenko zwar. Doch er fügte hinzu, dass es strengerer Grenzkontrollen zwischen der Ukraine und Russland bedürfe, um eine weitere Aufrüstung der Separatisten zu verhindern - ein erneuter Vorwurf Richtung Putin, die Rebellen zu unterstützen.
    Zehn russische Soldaten festgenommen
    Am Dienstag wurde die Festnahme mehrerer russischer Soldaten auf ukrainischem Gebiet bekannt. Russland nannte den Grenzübertritt "ein Versehen". Das ukrainische Fernsehen zeigte die gefangenen russischen Fallschirmjäger. Ihre Gefangennahme ist der erste konkrete Beleg, dass Russland mit eigenen Truppen in der Ukraine aktiv ist.
    Seit Juni waren sich Ukraines Präsident Poroschenko und Russlands Präsident Putin nicht mehr persönlich begegnet - damals bei den Gedenkfeiern zum D-Day in der Normandie. Seitdem hat sich der Konflikt im Osten der Ukraine genauso verschärft wie der Ton zwischen den Regierungen in der Ukraine und in Moskau.
    Putin droht mit Wirtschaftssanktionen
    Putin sagte in Minsk, die Krise sei nur im Dialog mit der weitgehend russischsprachigen Bevölkerung im Osten des Landes zu lösen. Er machte außerdem deutlich, welch große Rolle auch wirtschaftspolitische Erwägungen in dem Konflikt spielten. Putin sagte, dass ein Freihandelsabkommen der Ukraine mit der Europäischen Union die russische Wirtschaft 100 Milliarden Rubel (2,01 Milliarden Euro) koste, falls die europäischen Waren den russischen Markt über die Ukraine erreichten. Daher würde Russland in diesem Fall mit weiteren Handelssanktionen reagieren.
    Zahlreiche Konfliktherde
    Es gibt einige Konfliktpunkte:
    • Die humanitäre Situation in der Ostukraine: Die Menschen in der Großstadt Lugansk haben nach Angaben des Stadtrats seit mehr als drei Wochen keinen Strom und kein Wasser. Auch in der Separatistenhochburg Donezk ist die Versorgung schlecht. Russland spricht von einer "humanitären Katastrophe" im Krisengebiet. Eigenmächtig hat Moskau unter Prostest aus Kiew einen Konvoi mit Hilfsgütern nach Lugansk geschickt. Am Montag kündigte Russland einen zweiten Hilfskonvoi an. Die Ukraine wirft Russland vor, die prorussischen Separatisten auszurüsten.
    • Die militärische Lage im Konfliktgebiet: Die NATO hat Russland mehrfach vor einer Militärintervention in der Ostukraine gewarnt und auf Truppenkonzentration an der Grenze hingewiesen. Immer wieder berichten zudem die Behörden in Kiew von illegalen Grenzüberschreitungen russischer Kämpfer. Auch Kriegsgerät soll in großem Stil aus Russland in das Separatistengebiet geschafft worden sein. Russland weist diese Vorwürfe entschieden zurück.
    • Der Gasstreit zwischen der Ukraine und Russland: Seit Juni erhält die Ukraine von Russland kein Gas mehr. Der Streit dreht sich um die Höhe der Schulden Kiews für bereits erfolgte Lieferungen und die Höhe des künftigen Preises. Die Hälfte der russischen Gaslieferungen an die EU fließt über das Leitungsnetz der Ukraine. Insgesamt kommt ein Drittel des EU-weit verbrauchten Erdgases aus Russland.
    • Das Freihandelsabkommen der EU mit der Ukraine: Russland fürchtet, dass das im Juni geschlossene Assoziierungs- und Freihandelsabkommen zwischen der Ukraine und der EU den Handel zwischen Moskau und Kiew beeinträchtigen könnte. Die EU hat stets versucht, diese Bedenken zu entkräften. Nichts hindere Russland und die Ukraine am Ausbau ihrer Handelsbeziehungen. Allerdings sei eine Mitgliedschaft der Ukraine in der Eurasischen Zollunion, die von Russland, Weißrussland und Kasachstan gebildet wird, nicht möglich.
    • Die Eurasische Zollunion: Nach der EU-Osterweiterung 2004 wollte Moskau ein wirtschaftliches und politisches Gegengewicht zu Brüssel schaffen. 2011 bildeten Russland, Weißrussland und Kasachstan eine Zollunion. Im Folgejahr wurde ein einheitlicher Wirtschaftsraum gegründet, der einen freien Austausch von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Arbeitskräften garantieren soll. Ziel ist eine bereits vereinbarte Eurasische Wirtschaftsunion, die ab Januar 2015 gelten soll. Mit ihr soll ein gemeinsam koordinierter Markt geschaffen werden. Armenien und Kirgistan denken über eine Mitgliedschaft nach. Auch für die Ukraine, Moldau und Georgien war eine Mitgliedschaft angedacht, doch die Länder entschieden sich für eine stärkere Anbindung an die EU.
    (nch/ach)