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Ukraine-Konflikt
"Wir müssen eine angemessene Antwort geben"

Angesichts der derzeitigen Situation müssten Sanktionen gegen Privatpersonen ausgeweitet werden, forderte Michael Gahler (CDU), Mitglied des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, im Deutschlandfunk. So müssten auch westliche Journalisten, die für "Russia Today" arbeiteten, bestraft werden.

Michael Gahler im Gespräch mit Gerd Breker |
    Michael Gahler.
    Michael Gahler: "Es ist die russische Regierung, die zweifellos Menschen über die Grenze lässt, um im Nachbarland Krieg zu führen." (dpa/EPA/T. Mughal)
    Christoph Heinemann: Barack Obama schließt ein militärisches Eingreifen im Ukraine-Konflikt aus. Wir haben zu Beginn dieser Sendung darüber berichtet. Der US-Präsident stellte allerdings weitere Sanktionen gegen Russland in Aussicht. Die NATO bestätigte gestern, dass Russland Soldaten mit schweren Waffen in die umkämpfte Ostukraine geschickt hat. Die Bundeskanzlerin ließ nach einem Telefonat mit Obama mitteilen, beide seien sich einig gewesen, dass ein solches Verhalten nicht folgenlos bleiben dürfe. Sie bestätigte dem Präsidenten, dass sich der Europäische Rat morgen mit der Situation befassen werde. Das sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Darüber hat mein Kollege Gerd Breker mit dem CDU-Politiker Michael Gahler gesprochen. Er ist Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des Europäischen Parlaments.
    Gerd Breker: Die NATO ist sich sicher, dass russische Soldaten in der Ukraine sind. Zweifeln Sie daran?
    Michael Gahler: Ich zweifele nicht daran. Ich habe keinen Anlass, an den NATO-Angaben zu zweifeln. Wobei es auch aus meiner Sicht politisch kaum einen Unterschied macht, ob es aktive Soldaten sind, ob es Soldaten auf Urlaub sind, wie es der Rebellenführer Sachartschenko sagt, die ihren Urlaub an der Front verbringen, oder ob es russische Freiwillige sind. Es ist die russische Regierung, die zweifellos Menschen über die Grenze lässt, um im Nachbarland Krieg zu führen. Man stelle sich das mal in irgendeinem anderen Umstand in Europa vor: Das ist nicht vorstellbar, dass die österreichische Regierung etwa ihr Berufsheer im Urlaub von Nord- und Osttirol nach Südtirol einfließen lässt, um dort Südtirol heim ins Reich zu holen. Absurd, so eine Vorstellung. Oder die französische Regierung etwa die französische Wallonie in Belgien versuchen würde zu destabilisieren. Oder irgendeine andere Konstellation. Das ist einzigartig und im 21. Jahrhundert etwas, was ich nicht für möglich gehalten hätte.
    "Einreise verweigern"
    Breker: Und wir lernen daraus, Herr Gahler, dass die bisherigen Sanktionen des Westens, also der Europäischen Union und der Amerikaner, null Einfluss auf Russlands Präsident Putin haben.
    Gahler: Sie haben Einfluss auf Russland, vielleicht noch nicht auf den Präsidenten Putin. Da stimme ich Ihnen durchaus zu. Ich hoffe, dass es in Russland aber Menschen gibt, die Einfluss auf Herrn Putin haben und die die Folgen von Sanktionen richtig einschätzen.
    Breker: Macht es dann Sinn, Herr Gahler, diese Sanktionen jetzt zu verschärfen?
    Gahler: Ich denke, wir müssen eine angemessene Antwort geben, und ich sehe da vor allen Dingen zwei Bereiche, die auch vielleicht vor allen Dingen der eine auch öffentlichkeitswirksam ist. Zum Beispiel aus meiner Sicht sollte man in den Bereich der persönlichen Sanktionen, die wir ja schon etwas länger eingeführt haben, die Personen zum Beispiel im Bereich der, wie nennt man die, Kulturschaffenden mit einbeziehen, die sich besonders in der Propaganda mit hervorgetan haben, die sich also haben einspannen lassen. Oder Journalisten, die in unsäglicher Weise die Wahrheit verdrehen, ihr Berufsethos verletzen. Alle haben den gesehen, der mitgelaufen ist bei der Liveübertragung dieses schändlichen Umzugs der gefangenen ukrainischen Soldaten in Donezk. Solche konkreten Personen, die auch in Russland überall bekannt sind, die sollten aus meiner Sicht auf so eine Liste, aber auch europäische oder amerikanische Staatsbürger, die für "Russia Today" arbeiten. Den Amerikanern könnte man auch die Einreise nach Europa verweigern, und den Europäern vielleicht, die in Amerika, damit man auch bei uns deutlich macht, wer sich zu so etwas herablässt oder dafür bezahlen lässt, der wird auch persönlich sanktioniert.
    "Sanktionen im Gasbereich"
    Breker: Das heißt konkret, Sie sind für eine weitere Verschärfung der Sanktionen?
    Gahler: Im Bereich der persönlichen Sanktionen, aber auch durchaus in dem Bereich, wo es wirtschaftlich schmerzen könnte. Da käme mir in den Sinn, auch wenn es die eine oder andere deutsche Firma trifft, der Gasbereich. Bisher haben wir den Erdölbereich einbezogen. Die Kooperation im Gasbereich wäre ein weiterer. Und was auf jeden Fall aus meiner Sicht auch immer unerträglicher wird wäre, wenn Frankreich tatsächlich daran festhielte, diese zwei Mistral-Schiffe doch noch auszuliefern. Ich habe mit der Herstellerfirma gesprochen. Diese Schiffe, die dort geliefert werden sollen, das sind praktisch Rohlinge. Die sind nicht mit Waffen bestückt französischerseits. Die kann man auch umwidmen. Aus meiner Sicht sollten wir – das haben auch schon Bundestagskollegen vorgeschlagen, ich unterstütze das -, sollte man schauen, dass man diese Schiffe gemeinschaftlich als Europäische Union vielleicht ankauft, um sie umzuwidmen zum Beispiel in Lazarettschiffe im Mittelmeer und in der Ägäis, um unsere Grenzschutzagentur Frontex damit besser auszustatten. Das wäre ein politisches Signal auch Richtung Moskau, dass es so nicht geht. Ich kann mir schlichtweg nicht vorstellen, dass die vielleicht im nächsten Schritt Mariupol, diese Hafenstadt am Schwarzen Meer, besetzen und dann am Ende mit diesen Schiffen dort hinfahren.
    Breker: Nun ist es ja so, Herr Gahler, dass nicht nur russische Truppen in der Ukraine sind, sondern diese Truppen sind auch mit modernsten russischen Waffen ausgestattet, die den Waffen der ukrainischen Soldaten deutlich überlegen sind. Die Ukraine wird moderne Waffen fordern. Wie verhalten wir uns dann?
    Gahler: Das ist eine ganz schwere Entscheidung. Ich glaube, wir sind politisch nicht im Augenblick in der Situation, dass wir als Mitgliedsstaat in der EU oder der NATO der Ukraine Waffen liefern. Wir müssen dahin kommen, dass die ukrainisch-russische Grenze unter internationale Kontrolle kommt. Das ist für mich, wenn wir das erreichen, weitaus wertvoller, als jetzt auch dorthin Waffen zu liefern.
    Heinemann: Der CDU-Politiker Michael Gahler. Er ist Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des Europäischen Parlaments. Die Fragen stellte mein Kollege Gerd Breker.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.