Ein Damoklesschwert hängt über dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko. Tröpfchenweise gibt ein gewisser Olexandr Onyschtschenko weitere Geheimnisse preis, die das Staatsoberhaupt schwer belasten. Zuletzt erzählte er Journalisten, wie er bei der Parlamentswahl vor zwei Jahren einen Sitz ergatterte. Zunächst habe die Wahlkommission sich geweigert, ihn als Kandidaten zu registrieren, weil er zu lange im Ausland gelebt habe. Dann habe ihm Präsident Poroschenko geholfen und ihn an seinen Vertrauten David Schwanja verwiesen.
"Schwanja hat sechs Millionen US-Dollar von mir genommen - für den Wahlkampf. Am nächsten Tag hat Poroschenko mich zu sich gerufen und gesagt: Gerade war der Vorsitzende der Wahlkommission bei mir. Er erwartet dich, geh zu ihm, er wird alles für dich erledigen. Ich wurde als Kandidat registriert, obwohl vorher zwei Gerichte meine Klage gegen die Wahlkommission abgewiesen hatten."
Schmiergeld aus Krediten des IWF
Von Korruption habe er auch als Abgeordneter profitiert, sagt Onyschtschenko. Er habe im Auftrag von Poroschenko Schmiergeld verteilt - an Parlamentsabgeordnete.
Besonders pikant: Das Schmiergeld habe teilweise aus Krediten des Internationalen Währungsfonds gestammt, sagt er.
Poroschenko weist die Vorwürfe zurück, doch sein Ankläger hat, wie er sagt, den alles entscheidenden Trumpf im Ärmel: Mitschnitte von Gesprächen mit Poroschenko, die seine Behauptungen belegen. Diese Mitschnitte hat Onyschtschenko noch nicht veröffentlicht, dafür andere, als Beleg dafür, dass er wirklich vertrauliche Gespräche aufzeichnet.
So im September in London. Onyschtschenko, der in der Ukraine wegen Korruption angeklagt werden soll, war schon außer Landes geflohen. Da besuchte ihn ein Abgeordneter im Namen von Poroschenko, wie Onyschtschenko sagt. Er habe ihm das Angebot unterbreitet, die Korruptionsvorwürfe würden fallen gelassen, wiederum gegen einen Geldbetrag.
Einige Politiker aus Poroschenkos Partei fordern, diesen Behauptungen nicht zu glauben, so die Abgeordnete Olga Herbakowa:
"Wer bringt diese Anschuldigungen vor? Eine Person, nach der gefahndet wird. Er will die Ukraine erpressen. Ich kann kann mir vorstellen, dass er den Mitschnitt, den er präsentiert hat, nur zu diesem Zweck angefertigt hat. Und nun behauptet er, es gebe noch eine Aufnahme mit dem Präsidenten."
Schwere Vorwürfe gegen Onyschtschenko
Tatsächlich ist Onyschtschenko alles andere als ein Unschuldslamm. Im Juli hob das Parlament seine Immunität auf. Zuvor hatte das neu gegründete Anti-Korruptionsbüro schwere Vorwürfe gegen ihn erhoben. Seine Firmen hatten ein Joint-Venture mit einem staatlichen Gasunternehmen. Gemeinsam verkauften sie in der Ukraine gefördertes Gas mutmaßlich zu Schleuderpreisen an Firmen, die wiederum mit Onyschtschenko in Verbindung standen. Der Schaden für den Staat: umgerechnet 110 Millionen Euro.
Doch genau deshalb seien die Anschuldigungen gegen Präsident Proschenko glaubwürdig, meint Serhij Leschtschenko. Er ist gleichzeitig Mitglied von Poroschenkos Parlamentsfraktion und einer seiner größten Kritiker:
"Onyschtschenko ist sehr wertvoller Zeuge. Er war Teil eines Korruptions-Systems und kann viele Namen nennen, von Personen, mit denen er zusammen gearbeitet hat, die ihn gedeckt haben. Schon jetzt wissen wir, dass er an einer ganzen Reihe von Korruptionsfällen beteiligt war. Ein Beispiel: Für jede Tausend Kubikmeter Gas, die ein Staatsbetrieb gekauft hat, flossen 80 Euro Schmiergeld. Und wer hat das Geld bekommen? Kononenko."
Muss Präsident Poroschenko zurücktreten?
Ihor Kononenko ist der stellvertretende Vorsitzende von Poroschenkos Parlamentsfraktion.
Problematisch ist für die Ukraine nicht nur, dass der Präsident unter Korruptionsverdacht steht. Als ebenso gefährlich bezeichnen es Beobachter, dass Onyschtschenko Informationen und Beweise zurückhält und so jederzeit Einfluss auf die politische Debatte nehmen kann. Der fraktionslose Abgeordnete Dmytro Dobrodonow:
"Die Informationen von ihm kommen dosiert. Es sieht danach aus, dass er nicht alleine handelt. Er sagt, er habe sein Material dem US-Geheimdienst FBI übergeben. Ich schließe nicht aus, dass er auch mit dem russischen FSB zusammen arbeitet. Darauf weist hin, dass Onyschtschenko schon in mehreren russischen Fernsehsendern aufgetreten ist."
Noch gibt es in der Ukraine keine lauten Rufe nach einem Rücktritt von Poroschenko. Das dürfte sich jedoch schnell ändern, wenn der geflohene Abgeordnete Onyschtschenko seine Gesprächsmitschnitte veröffentlicht.