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Krieg in der Ukraine
Der harte Alltag der zivilen Helfer

Der russische Angriffskrieg bringt großes Leid über die Ukraine. Auch viele Helferinnen und Helfer kommen inzwischen an ihre Grenzen. Ein Netzwerk von Fachleuten organisiert die Unterstützung, auch in Russland und Belarus – was dort ein Wagnis ist.

Von Sabine Adler |
Ausgabe von Lebensmittelpaketen an Menschen in Odessa (Ukraine) durch die Stiftung Trimai
Ausgabe von Lebensmittelpaketen an Menschen in Odessa. Die Helferinnen und Helfer in der Ukraine und den Nachbarländern stoßen angesichts der nicht endenden Not oft selbst an ihre Grenzen. (picture alliance / ZUMAPRESS.com / Viacheslav Onyshchenko)
Ungeahntes Unheil bringt Russland seit dem 24. Februar über die Ukraine. Viele Länder helfen dem angegriffenen Land: mit Militärgerät bei der Verteidigung, aber auch durch die Aufnahme von Flüchtlingen, größtenteils Frauen und Kindern. Die Kriegsopfer in und außerhalb der Ukraine werden vielfältig unterstützt, auch finanziell, juristisch bzw. psychologisch. Doch das Leid ist so groß, dass der Bedarf kaum gedeckt werden kann. Die Helferinnen und Helfer in der Ukraine und den Nachbarländern stoßen angesichts der nicht endenden Not oft selbst an ihre Grenzen. Und wer kümmert sich dann um sie? Sie zu unterstützen und zu stärken, hat sich die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer, kurz BAfF, zur Aufgabe gemacht.

„Unser Versuch war, von Anfang an ein Netzwerk zu schaffen von Leuten, die Hilfe anbieten“, sagt Elise Bittenbinder, die Vorsitzende der BAfF. Die Familien- und Kinderpsychologin hat als Trainerin und Beraterin bereits in vielen Ländern Hilfe für die Opfer bewaffneter Konflikte organisiert. Jetzt tut sie es einmal mehr, indem sie internationale Kolleginnen und Kollegen miteinander vernetzt und unterstützt.

„Das sind Leute nicht nur aus der Ukraine, die tatsächlich Hilfe anbieten, sondern auch aus Russland, aus Belarus, aus Aserbaidschan und aus Armenien. Das sind alles Professionelle, die im psychosozialen Bereich arbeiten und auch im rechtlichen Bereich arbeiten und die direkten Hilfen anbieten. Weil die Helfer brauchen natürlich auch jede Menge Hilfe, um psychisch gesund zu bleiben.“
Dass Teams aus der Ukraine mit Kollegen aus Russland oder Belarus zusammenarbeiten, ist keineswegs selbstverständlich, im Gegenteil, manche Aktivisten aus der Ukraine fanden das zunächst unzumutbar. Olga Perekopajko aus Kiew ist nicht so kategorisch dagegen. Aber wirklich überzeugt davon wirkt sie auch nicht.

Die ukrainische Schulpsychologin schüttelt ihre rote Lockenmähne und erklärt ihr Zögern: „Rational verstehe ich das zwar, dass es Menschenrechtsaktivisten aus Belarus auch schlecht geht. Aber von ihrem Land aus werden Raketen auf unsere Kinder abgefeuert. Das macht es emotional schwer. Ich weiß, dass sich die russischen Kollegen, die uns Ukrainern zu helfen versuchen, selbst in Gefahr begeben, vor allem, wenn sie nach Hause zurückkehren wollen. Und trotzdem fällt es mir manchmal schwer, ihre Nähe auszuhalten.“


Je länger der Krieg, desto schwieriger die Aufgaben für Helfer

Fast acht Millionen Ukrainer leben inzwischen in europäischen Nachbarstaaten, mehr als sechs Millionen sind im eigenen Land auf der Flucht. Viele haben den Tod von Angehörigen zu verkraften, Kriegsverbrechen müssen dokumentiert werden, ohne Zeugen mehrfach zu befragen oder sie gar zu retraumatisieren. Die Aufgaben, vor denen die Helfer stehen, werden mit der Dauer des Krieges immer größer und schwieriger.

Auch deshalb ließen es die deutschen Organisatorinnen der BAfF, der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer, nicht zu, dass sich die Menschenrechtsaktivisten untereinander zerstreiten. Elise Bittenbinder: „Wir dürfen uns nicht spalten lassen und die Gefahr bestand einfach, das haben wir gemerkt, das ist auch bei uns passiert. Es gab viele, die das abgelehnt haben, die gesagt haben, das machen wir nicht. Wir mussten viele Gespräche führen. Aber es gab genügend, die gesagt haben, nein gerade jetzt machen wir es doch.“

Also gemeinsame Foren und Trainings für die Helfer. Es gibt spezielle Online-Kurse und Ringvorlesungen für diejenigen, die sich um kriegstraumatisierte Ukrainerinnen und Ukrainer kümmern.

Auch die Russin Irina bietet hier ihre Hilfe an. Ihren Nachnamen kann sie aus Sicherheitsgründen nicht nennen. Sie hat erlebt, dass sich einige ukrainische Kolleginnen von ihr nicht unterstützen lassen wollten: „Die Zivilgesellschaft befindet sich in einer Art Kriegszustand, russische Menschenrechtsaktivisten und -verteidiger werden häufig gleichgesetzt mit dem russischen Staat und als Repräsentanten der Kriegspartei angesehen. Sie werden anhand ihrer Flagge und ihres Passes beurteilt, aber nicht anhand ihrer Arbeit.“
Der Riss wurde auch bei der Bekanntgabe der diesjährigen Friedensnobelpreisträger deutlich, die am 10.Dezember in Oslo ausgezeichnet werden. Dass die russische Menschenrechtsorganisation Memorial und Ales Bjaljazki aus Belarus zusammen mit der ukrainischen Leiterin des Zentrums für bürgerliche Freiheiten, Oleksandra Matwitschuk, geehrt werden sollen, ist für viele Ukrainer ein Skandal: „Das wurde als ein Versuch gesehen, die Vertreter der Opfer und der Angreifer auf die gleiche Seite zu stellen. Wir Aktivisten aus Russland sehen und fühlen diesen Hass und die Ablehnung von Seiten der ukrainischen und auch von westlichen Kollegen überall, auch in den sozialen Netzwerken. Und ich verstehe meine ukrainischen Kollegen – bei all dem, was ihnen der russische Staat Schreckliches antut, dass sie das auf uns übertragen.“

Trotzdem sei der Hass unfair, denn Irina habe in der langen Zeit, in der sie für Menschenrechte in Russland kämpft, Freunde verloren, weil sie getötet oder inhaftiert wurden, und fordert nachdrücklich, dass Menschen nicht an ihrer Nationalität, sondern an ihren Taten gemessen werden.

Vorsichtsmaßnahme für Helfende in Russland: nicht auffallen

Die Zivilgesellschaft in Russland habe kaum noch Luft zum Atmen, doch selbst in dieser Situation wollten viele Aktivisten noch helfen. Weil das sehr gefährlich werden kann, sei die wichtigste Vorsichtsmaßnahme, nicht aufzufallen: „Man kann sich nicht mehr an den Menschenrechtsgerichtshof wenden und an nationale Gerichte auch nicht, denn das Rechtssystem ist zerstört. Der Raum für die Zivilgesellschaft wurde sehr stark eingeschränkt: Aktivisten und unabhängige Medien in Belarus haben alle das Land verlassen, in Russland passiert gerade das Gleiche.“

Das russische Parlament hat kürzlich ein Gesetz auf den Weg gebracht, mit dem unliebsame Menschenrechtsaktivisten über die Landesgrenzen hinaus, bis ins Ausland verfolgt werden können. So werden russische Aktivisten im Exil und sogar Mitarbeiter westlicher Organisationen einmal mehr massiv einschüchtert.

Viele Helfer für die Ukraine kennen sich schon seit Jahren, wenn auch nur vom Bildschirm. Fortbildungen und Treffen finden online statt, wegen der Corona-Pandemie und aus Sicherheitsgründen.

Dass sie alle aber trotz widriger Umstände und über Grenzen hinweg derart viel voneinander lernen können, war eine unerwartet positive Erfahrung, sagt die Russin Irina, die hauptberuflich als Historikerin arbeitet: „Die Psychologen und Helfer hungern nach Austausch. Außerdem stärken wir uns gegenseitig. Eine ukrainische Schulpsychologin in Kiew bittet zum Beispiel oft einen Kindertherapeuten in Aserbaidschan per Telefon um Beistand, wenn sie gerade mit ihren Schülern im Luftschutzkeller sitzt, weil ihre Stadt bombardiert wird.“

Seit dem 24. Februar gab es keinen Tag, an dem ich nicht gebetet habe

Olga Perekopajko, ukrainische Schulpsychologin
Irina spricht von Olga Perekopajko, der 38-Jährigen Schulpsychologin aus der ukrainischen Hauptstadt. Perekopajko berichtet von der täglichen Ausnahmesituation. Während der russischen Angriffe hätten die Kinder nicht nur Angst, sondern entwickelten oft starke Hassgefühle. Inzwischen könne sie den Schülern und auch deren Eltern helfen, mit diesen negativen Emotionen besser umzugehen: „Wenn manche Eltern auf Cherson oder Mariupol verweisen, wo es viel schlimmer ist als in Kiew, dann hilft das nicht. Denn ihre Kinder sind in Kiew und leiden hier. Sie sollten den Hass und die Angst zulassen und erklären, dass diese Gefühle in dieser Lage normal sind. Damit werden diese Gefühle legalisiert. Du empfindest Hass? Weil es etwas gibt, das diesen Hass auslöst. Du möchtest, dass Moskau brennt? Du hast ein Recht auf diesen Wunsch. Aber dieser Hass kostet dich viel Energie. Lass uns überlegen, wie man die nutzen kann, nicht um jemandem zu schaden, sondern für das eigene Wohl.“

Sie schlägt dann etwa vor, den ukrainischen Soldaten an der Front zu schreiben oder einen Kuchenbasar zu veranstalten und mit dem Geld Spielzeug für ein Kind zu kaufen, das seinen Vater verloren hat. Seit acht Jahren kümmert sich die Psychologin um Familien der Soldaten, die in der Ostukraine im Einsatz waren, und jetzt in der Schule um die 12- bis 17-Jährigen.

Olga Perekopajkos Arbeitsalltag hat sich grundlegend verändert: „Seit dem 24. Februar gab es keinen Tag, an dem ich nicht gebetet habe. Es sind Gebete für die Toten. Ich habe eine Liste, und jeden Morgen fürchte ich, meine Nachrichten zu lesen, denn meist wird die Liste dann länger, dann kommt ein Freund dazu oder der Vater eines Schülers, oder der Ehemann einer Bekannten. Daran kann man sich nicht gewöhnen.“

Psychische Belastung für ukrainische Lehrkräfte

Von den ehemals 450 Schülern der Schule ist die Hälfte, von den Lehrern jeder dritte geflohen oder hat einen anderen Job, weil die gekürzten Gehälter nicht zum Leben reichen. Diejenigen, die noch in der Hauptstadt ausharren, unterrichten die Kinder sowohl in Präsenzstunden als auch online. Die Schüler im Ausland bekommen zusätzlich samstags und sonntags Unterricht, damit sie den Anschluss an den heimischen Lehrplan nicht verlieren.

Für die Pädagogen bedeutet das eine enorme Belastung, weiß Olga Perekopajko, auch wenn niemand klagt: „Die Lehrerinnen kommen äußerst selten zu mir, wenn es ihnen nicht gut geht. Aber ich sehe das und habe mir eine Strategie zurechtgelegt, sie in ein Gespräch zu verwickeln. Für die Kolleginnen ist es eine große Belastung, sich im Krieg immer zuerst um die Kinder kümmern zu müssen, für sie rund um die Uhr erreichbar zu sein, dementsprechend ausgebrannt fühlen sich viele.“

Auch bei Olga Perekopajko melden sich um 23 Uhr noch Schüler, die dringend mit ihr reden möchten. Dass ihre Kraft dafür reicht, hat sie manchmal ihrem Kollegen aus Aserbaidschan zu verdanken, der sie stützt. Alles per Telefon.

„Ständig Strom sparen zu müssen, damit es für das Handy und den Laptop reicht, ist zusätzlicher Stress. Oder die Treppen in deinem Wohnblock hochzusteigen, vielleicht noch mit kleinen Kindern, weil ohne Strom kein Aufzug geht. Viele haben ihre Männer und andere Verwandte an der Front und dann leisten wir wie so viele noch freiwillige Dienste, bringen zum Beispiel Patienten in den Krankenhäusern Essen.“

Damit die Kinder psychisch stabil bleiben und Stress abbauen, wenden wir verschiedene Techniken am, zum Beispiel wie man schreit, mit den Füßen stampft – eben richtig Krach macht.

Olga Perekopajko, ukrainische Schulpsychologin
Viele Zivilisten fühlen sich ausgelaugt und auch die Kinder erlebten den inzwischen zehnten Kriegsmonat als Dauerbelastung: „Jeder reagiert auf den Stress anders. Dem einen sieht man äußerlich gar nichts an, der nächste kriecht in eine Ecke und verschanzt sich dort. Wieder anderen geht es besser, wenn sie sich bei den Händen halten. Wir geben den Schülern immer Zeit, sich im Keller einzurichten, ihren Platz zu finden.“

Olga Perekopajko schaut auf 16 Berufsjahre zurück, schon acht sind vom Krieg bestimmt, denn bereits seit 2014 kämpfen ukrainische Soldaten im Donbass gegen die russische Besetzung ihres Landes. Ihre Erfahrungen gibt sie an Kolleginnen und Kollegen zu Hause und im Ausland weiter, meist online.

„Damit die Kinder psychisch stabil bleiben und Stress abbauen, wenden wir verschiedene Techniken am, zum Beispiel wie man schreit, mit den Füßen stampft – eben richtig Krach macht. Diese Techniken kennen auch die Pädagogen und alle 30 Minuten geben sie den Kindern Zeit dafür. Auch im Keller, um den Luftalarm zu überstehen, der manchmal fünf Stunden dauern kann.“

Schreien befreit, auch gemeinsames Singen hilft. Die Jungen und Mädchen haben den Sieger-Titel des diesjährigen Eurovision Wettbewerbs einstudiert.

„Stefania“ heißt der Song des ukrainischen Kalusch Orchesters, der immerzu bei ihnen läuft, bei dem sie abschalten können. Der Zusammenhalt unter den Jugendlichen sei jetzt viel fester als vor dem Krieg, den allergrößten Wandel aber gebe es bei ihrer Leistungsbereitschaft, stellt die Schulpsychologin fest: „Die Kinder sagen, wir wollen nicht so dumm sein wie die Russen. Deswegen wollen sie lernen. Das ist eine Motivation, die wir niemals zuvor auch nur annäherungsweise erreichen konnten. Aber wegen des Stresses, den der Krieg für die Jugendlichen bedeutet, können sie sich sehr viel schlechter konzentrieren. Sie vergessen mehr. Was sie gestern noch gut konnten, ist heute weg.“

Auf der Suche nach verschleppten Kindern

Viele ukrainische Kinder sind verschwunden. Fast hilflos müssen die ukrainischen und russischen Menschenrechtsaktivisten die massenhafte Verschleppung der Kinder nach Russland mit ansehen. Olga Perekopajko erklärt das Dilemma: „Wenn die russische Besatzungsmacht Minderjährige verschleppt, dann ist das ein Kriegsverbrechen und auch eine kulturelle Expansion. Denn Russland erkennt die ukrainische Sprache und Kultur dieser Kinder nicht an. Und wenn die Kinder jetzt in russische Familien kommen und sich dort einleben, dann können Juristen später befinden, dass eine Rückkehr in die Ukraine für diese Kinder nicht gut ist, weil es sie vielleicht noch einmal traumatisiert.“

Schätzungen zufolge wurden mehr als 12.000 Minderjährige aus der Ukraine nach Russland verschleppt, bisher konnten nur 119 wieder zurückkehren. Im Internet-Portal "Kinder des Krieges" aktualisiert die ukrainische Regierung die Zahlen der getöteten, verwundeten, vermissten, nach Russland verbrachten und zurückgekehrten Kinder.
Die Russin Irina engagiert sich seit vielen Jahren für Menschenrechte und sie kennt sich in der russischen Konfliktregion Nummer eins, im Kaukasus, bestens aus. Jetzt hat sie Hinweise, dass sich einige ukrainische Jugendliche wohl in der russischen Teilrepublik Tschetschenien befinden, nicht in Familien, sondern zu einer angeblichen Ausbildung: „200 sogenannte schwierige Jugendliche sind aus verschiedenen Bildungseinrichtungen nach Tschetschenien gebracht worden, um sie dort patriotisch zu erziehen. Ramsan Kadyrow hat sich dazu öffentlich geäußert. Da ging es auch um Kinder aus den besetzten Gebieten.“

Kadyrow und seine tschetschenische Spezialeinheit

Kadyrow, der Präsident von Tschetschenien, gilt als Befürworter des brutalen Vorgehens gegen die Ukraine und schickt eigene Spezialeinheiten ins Kriegsgebiet. Es gibt die Sorge, dass Kadyrow nun mit den ukrainischen Jugendlichen die Reihen seiner Einheiten auffüllt.

Das Spektrum der mutmaßlichen Kriegsverbrechen an der ukrainischen Zivilbevölkerung wird immer breiter. Und die Anforderungen an die Helfer werden immer umfangreicher. Und auch wenn sie sich verbünden, austauschen, zusammenarbeiten – sie erreichen längst nicht so viele Opfer, wie sie es sich wünschen. Jede Unterstützung ist deswegen willkommen, wenn sie etwas für die in Not Geratenen bewirkt. Olga Romanowa von der internationalen Hilfsorganisation „Russland hinter Gittern“ engagiert sich bei der Suche nach verschwundenen Ukrainern. Wer die sogenannten Filtrationslager der russischen Okkupanten wegen seiner mutmaßlich proukrainischen Gesinnung nicht passieren konnte, wird festgehalten und oft gefoltert.

Zumeist an unbekannten Orten, auch auf russischem Gebiet, weiß Olga Romanowa, die seit einigen Jahren schon in Berlin lebt: „Vorige Woche haben sich in einer kleinen Stadt in Zentralrussland Einwohner an Ärzte gewendet. Ich nenne den Ort nicht, um niemanden zu gefährden. Die Mediziner wurden aufgefordert, sich um verletzte Ukrainer aus dem Untersuchungsgefängnis zu kümmern. Dort wird gefoltert. Neben dem Gefängnis befindet sich eine Strafkolonie für Frauen und sogar die Häftlinge in der Kolonie berichten, dass sie Schreie aus dem Gefängnis hören.“

Wer sich innerhalb Russlands für die Opfer des Krieges einsetzt, kann das nur im Untergrund tun. Die Gefahr, entdeckt und verhaftet zu werden, ist groß. Mit dem Abzug der Kreml-Truppen aus Cherson vor drei Wochen wurden auch 5000 ukrainische Gefängnisinsassen nach Russland gebracht, wo sie vor ein russisches Gericht gestellt werden sollen. „Sie werden jetzt nach russischem Gesetz verurteilt und wir wissen, dass sie danach in die Armee eingezogen werden sollen, um gegen die Ukraine zu kämpfen.“

Die russischen Behörden bestreiten, dass es diese Häftlinge überhaupt gibt, was allerdings das Schlimmste befürchten lässt: „Formal gibt es sie nicht. In den russischen Behörden wird darüber nachgedacht, sie zu liquidieren. Nach dem Motto: keine Leute, keine Probleme.“

Olga Romanowa macht sich seit 15 Jahren für die Rechte russischer Gefangener stark, seit dem Krieg auch für ukrainische. Ihre neue Arbeitsgruppe nennt sich „Status“, dort läuft die internationale Kooperation reibungslos, auch bei den Treffen, die es inzwischen wieder gibt. Dennoch traut sich Olga Romanowa oft nicht, in Berlin auch die ukrainischen Kolleginnen zu umarmen, eben, weil sie selbst Russin ist.

Es sind Menschen mit gemeinsamen demokratischen Werten, die das Miteinander von Ukrainern, Russen und Belarussen möglich machen. Heute und in auch Zukunft, wenn es vielleicht einen neuen Anfang gibt.