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Russland
Putin, der Ukraine-Krieg und der Sport

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hatte für russische Sportler und Funktionäre Ausschluss und Sanktionen zur Folge. Ein Jahr nach Kriegsbeginn stellt sich die Frage: Wie groß ist denn der Einfluss Russlands heutzutage noch im Sport?

Von Raphael Späth |
Der russische Präsident Wladimir Putin posiert für ein Foto mit den Olympiasiegern Alexey Chervotkin, Mark Kondratyuk, Nikita Katsalapov, Kamila Valieva, Viktoria Sinitsina, Anastasia Mishina, Veronika Stepanova, Denis Spitsov und Aleksandr Galliamov während einer staatlichen Preisverleihung für russische Athleten - Goldmedaillengewinner der Olympischen Winterspiele 2022 in Peking.
Putin weiß, wie er den Sport zu Propaganda-Zwecken nutzen kann (IMAGO / SNA / IMAGO / Vladimir Astapkovich)
Es ist eine bizarre Situation, Ende Januar in Melbourne bei den Australian Open: Der Russe Andrey Rublev spielt unter neutraler Flagge sein Zweitrundenmatch gegen den Finnen Emil Ruusuvuori, unterbricht aber sein Aufschlagsspiel. Der Grund: Hinter dem Schiedsrichter haben Zuschauer eine Ukraine-Flagge aufgehängt. Rublev ist sichtlich irritiert. Aber nicht über die Flagge, das sei okay, sagt er dem Unparteiischen. Sondern darüber, dass er von den Fans beleidigt wird.

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Rublev ist einer der wenigen russischen Sportler, die momentan an internationalen Wettkämpfen teilnehmen dürfen. Ohne sich explizit von Russlands Präsident Wladimir Putin zu distanzieren, fordert Rublev seit Kriegsbeginn: Frieden und zwar sofort. Auch sein Kollege Daniil Medvedev ist einer der wenigen russischen Sportler, die das offen aussprechen.

Russische Sport ist fester Bestandteil der Propaganda-Strategie

In anderen Sportarten sieht das anders aus: Der Sport – in Russland ein fester Bestandteil der Propaganda-Strategie Putins. Immer wieder posiert der russische Machthaber bei öffentlichen Auftritten mit Olympiasiegern und Weltmeistern. Ein Großteil dieser Sportler wurde nach ihrer aktiven Karriere auch als Sportfunktionäre in das System integriert. Sie helfen Putin damit nicht nur international, sondern vor allem auch innenpolitisch, sagt Jürgen Mittag von der Deutschen Sporthochschule.
„Die russische Sportdiplomatie war zu einem guten Teil immer noch nach innen ausgerichtet gewesen. Sicherlich auch nach außen, um die Stärke und Leistungsfähigkeit Russlands zu verkörpern und zu verdeutlichen. Aber noch stärker nach innen, um die Legitimität von Putin für sich selbst, für sein Regime, für die autoritären Strukturen und dessen Leistungsfähigkeit zu erzeugen und eben bei Wahlen und die grundsätzliche Zustimmung zum Regime zu sichern.“

Putin droht mit Abspaltung vom IOC

Für Wladimir Putin wird der Ausschluss russischer Sportler und Sportlerinnen deshalb immer mehr zum Problem. Seit einigen Monaten kokettiert er deshalb mit der Idee, sich vom internationalen Sportsystem und vom Internationalen Olympischen Komitee abzuspalten. Eine Art Gegen-Bewegung soll entstehen, mit Verbündeten wie Belarus. Und mit Sportveranstaltungen als Gegenprodukt zu den Olympischen Spielen.
„Das ist ja nicht ganz neu: Auch früher gab es schon Spartakiaden und andere Dinge. Also schon seit den frühen 20er- und 30er-Jahren hat die Sowjetunion den Sport immer wieder genutzt, um die Leistungsfähigkeit nach innen zu dokumentieren und zu stärken. Das hat auch angesichts der Größe Russlands zu Zeiten der Sowjetunion ganz gut funktioniert, und angesichts der Anzahl der benachbarten Länder und Freunde. Die gleichwohl mittlerweile ja deutlich geschmolzen ist. Und alleine mit Belarus wird man nicht ganz große Dinge in die Wege leiten können. Aber noch immer ist das Land groß genug, um entsprechende Dinge in die Wege zu leiten.“
Denn trotz aller Ausschlüsse: Der Einfluss Russlands im Weltsport ist weiterhin groß. „Das große Problem ist ja auch, dass Russland finanziell einen sehr großen Teil des Budgets übernimmt", sagt der ehemalige Fechter Mark Perelmann im Deutschlandfunk-Sportgespräch.
„Wenn sich Sponsoren aus demokratischen Ländern finden würden, die diesen Fehlbetrag problemlos ersetzen würden, dann könnte man auch andere Gesetze machen. Aber das Problem ist, dass das Geld aus solchen Staaten kommt und dann Themen entstehen, die man normalerweise anders handhaben würde.“
„Die Macht ist sicherlich zurückgegangen, aber sie ist nicht vollständig erodiert“, ergänzt Sportwissenschaftler Jürgen Mittag. „Wenn man sieht, dass die Verurteilung Russlands nie einhellig gewesen ist und auch nie im Sport ganz einhellig gewesen ist. Und das ist sicherlich, so wird allgemein kolportiert, dass ein Anteil von vielleicht 20 bis 30 Ländern oder Ländervertretern Russland aus dem einen oder anderen Grund durchaus unterstützen würden. Sei es, weil Russland entsprechende ökonomische Hilfe gewehrt hat oder dass individuelle Freundschaften, bilaterale Beziehungen dazu beigetragen haben, dass Russland durchaus eine gewisse Stärke in diesem Land entsprechend eingenommen hat.“

Jelena Issinbajewa: Putin-Unterstützerin und IOC-Mitglied

Auch das ist ein Grund, weshalb auch heute noch zwei russische Funktionäre Mitglieder im Internationalen Olympischen Komitee sind. Eine davon ist Jelena Issinbajewa, ehemalige Weltklasse-Stabhochspringerin, die seit mehr als zehn Jahren enge Verbindungen zur Politik pflegt.
2020 war sie Teil einer Kommission, die die Verfassung in Russland reformiert und Wladimir Putins Macht vergrößert hat. Außerdem ist sie Angestellte des russischen Verteidigungsministeriums, hat im Militär den Rang eines Majors. Trotzdem wird sie vom IOC nicht sanktioniert. Die Begründung: Mitglieder des IOC seien keine Vertreter ihrer Nationen, sondern Vertreter des IOC in ihren Heimatländern.
„Sport war immer wieder auch der Brückenbauer in Zeiten, in denen kriegerische Auseinandersetzungen sonst keinerlei anderen Einfluss oder Kommunikationskanäle ermöglicht haben. Und insofern ist es für das IOC und auch die Menschen aus Russland innerhalb des IOC wichtig, die verbliebenen Positionen zu wahren und das auch als sportdiplomatische Bühne zu nutzen.“