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Ukraine-Krieg
Tschetschenische Kämpfer auf beiden Seiten

Sie nennen sich "Smert", Tod: Rund 300 moskautreue Tschetschenen kämpfen in einem Freiwilligen-Bataillon in der Ostukraine. Sie wollen den Donezker Separatisten helfen – und sie kämpfen ihren eigenen Krieg. Denn auch auf der anderen Seite der Front steht eine tschetschenische Einheit.

Von Florian Kellermann |
    Vermummte prorussische Separatisten
    Prorussische Separatisten im Donezker Gebiet (Archivbild) (Maksim Blinov, dpa)
    Der junge schmächtige Mann sitzt an einem der kleinen Bistrotische in einer Hotelbar in Donezk. Vor ihm steht eine Tasse Tee, ab und zu streift er sich nachdenklich durch den schütteren Bart. Fast jeden Tag kommt Apti Bolotchanow hierher, spricht im Raucherzimmer mit verschiedenen Gästen. Wer sie sind, bleibt geheim. Er sei nur ein Donezker, dessen Wohnung zerstört sei, sagt einer von ihnen. Glaubwürdig klingt das nicht. Denn Apti, wie er sich einfach nennen lässt, kommt sicher nicht zum Plauschen hierher. Er ist der Kommandant des tschetschenischen Bataillons "Smert", auf Deutsch "Tod", das aufseiten der Separatisten kämpft.
    "Wir sind ein Freiwilligen-Bataillon mit mehr als 300 Mann. Wir mieten leerstehende Gebäude, in denen wir wohnen, alles abgestimmt mit der Verwaltung der Donezker Volksrepublik. Wir kommen mit allen hier gut aus, auch mit den Kommandeuren der anderen Bataillone."
    Der 35-jährige Apti wählt seine Worte vorsichtig. Denn er ist ein Soldat des Präsidenten der Teilrepublik Tschetschenien, Ramzan Kadyrow. Jenes Kadyrow, der Tschetschenien mit harter Hand im Auftrag des russischen Präsidenten Vladimir Putin regiert.
    Kadyrow aber hat immer bestritten, dass in den Reihen der ukrainischen Separatisten auch Tschetschenen kämpfen. Jedenfalls wisse er nichts davon, erklärte er. Nein, Kadyrow habe sie nicht geschickt, betont Apti. Er selbst sei zwar Major in Kadyrows Moskau-treuer Armee, aber vom Dienst freigestellt.
    Apti legt seinen Revolver auf den Tisch. Obwohl er in Donezk unter Freunden sei, gehe er kein Risiko ein. Vor der Hotel-Bar hat er zwei Kämpfer postiert, ausgerüstet mit Maschinengewehren und Handgranaten.
    Tschetschenische Separatisten auf der anderen Seite
    Warum er überhaupt mit einem Journalisten spricht? Apti will eine Botschaft loswerden - an die Tschetschenen auf der anderen Seite, die für die Ukraine kämpfen.
    "Sie sind unsere Feinde. Sie sollen wissen, dass wir hierhergekommen sind, um sie zu bekämpfen. Sie haben den letzten Tschetschenien-Krieg vor 14 Jahren angezettelt. Wir kennen ihre Namen, wir wissen, wer sie sind. Leider haben sie bisher nicht an vorderster Front gekämpft, aber sie werden für ihre Taten bezahlen."
    Der Hass aufeinander ist groß. Auf der ukrainischen Seite heißt der Kommandant des dortigen tschetschenischen Bataillons Isa Munajew. Er kämpfte in beiden Tschetschenien-Kriegen für die Unabhängigkeit der Teilrepublik - gegen die russische Armee. Einem ukrainischen Journalisten sagte er über die Kadyrow-Anhänger: "Diese Leute haben ihre Heimat verraten, sie sind keine Tschetschenen mehr." Genau das gleiche sagt auch Apti über Isa Munajew.
    Die USA als gemeinsamer Feind
    Führen die Tschetschenen auf beiden Seiten also eine Art Privatkrieg? Nein, sagt Apti. Er und seine Leute wollten den Donezker Separatisten helfen, weil es gegen einen gemeinsamen Feind gehe, gegen die USA. Sie seien an allen Konflikten auf der Welt Schuld, so auch an diesem.
    "Wenn es nötig ist, marschieren wir auch nach Kiew, von mir aus greifen wir sogar Amerika an. Nur 30 von uns können es leicht mit 2.000 Ukrainern aufnehmen. Wir Tschetschenen können kämpfen, weil wir viele Jahre Erfahrung haben mit dem Krieg."
    Dann bekommt Apti einen Anruf: Er solle seine Leute nach Nowoazowsk schicken, ganz in den Süden des Bezirks Donezk. Wer ihm den Auftrag gibt, wer die Bataillone koordiniert, verrät Apti nicht - streng geheim, sagt er. In Nowoasowsk jedenfalls seien Plünderer aufgetaucht. Seine Tschetschenen würden dort rasch für Ordnung sorgen.