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Nachrichtenportal Zaborana
Berichten über ukrainische Tabus und gegen russische Angriffe

Leicht war es für Zaborana von Anfang an nicht auf einem Medienmarkt, den sonst Oligarchen prägen. Das ukrainische Portal setzt auf investigative Recherchen und gesellschaftliche Tabu-Themen. Und gehört damit seit dem Krieg auch zu den Medien, die der Kreml verbieten will.

Von Malte Hennig |
Menschen schwenken auf einer Parade in Warschau die Flagge der Ukraine
Über die Paraden der LGBTQ+-Bewegung, so wie über diese hier in Polen, kann Zaborana aktuell nur aus dem Ausland berichten (IMAGO/ZUMA Wire)
Ein Treffen im Park. Das hat es im Team länger nicht gegeben, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Zaborona. Jetzt haben sich zumindest Valentina Zalevska, Natalya Roslik und Yulia Voloshyna wiedergesehen, in echt in Berlin, nicht in einer Teams-Bildschirm-Kachel. Produktmanagerin Valentina Zalevska lebt und arbeitet inzwischen in Berlin. Finanzdirektorin Natalya Roslik ist aus Estland angereist und Buchhalterin Voloshyna aus Italien. Alle drei haben die Ukraine verlassen, wegen des Krieges.

Der Krieg hat Pläne zunichtegemacht

Eigentlich war die Zusammenkunft und die Reise des Zaborona-Teams anders geplant. Eigentlich sollte es nach London gehen, zur britischen Zeitung „Guardian“. Um in einem Workshop über Finanzierungsmodelle für das ukrainische Online-Medium zu sprechen. „Der Krieg hat die Pläne zunichtegemacht“, sagt Finanzdirektorin Natalya Roslik. „Seit den ersten Tagen, den ersten Wochen und Monaten des Kriegs, haben wir nicht mehr über Studienreisen oder so etwas nachgedacht. Es ging nur darum, in Sicherheit zu sein.“
Zaborona – das heißt Tabu auf Ukrainisch. Der Name kommt von den Themen, über die auf der Seite des Medien-Start-ups geschrieben wird, erklärt Valentina Zalevska. „Inklusion, Rechte der LGBT-Community, Mentale Gesundheit, Geflüchtete, Frauenrechte“, zählt sie unter anderem auf. „Und all die Tabu-Themen über die die Regierung nicht reden möchte. Oder die, über die gar nicht geredet wird in den ukrainischen Medien.”

Benzin für Berichterstattung

Nachrichten, Krieg, Kontext, Geschichten, und Investigativ – diese fünf Themen-Reiter gibt es auf Zaborona.com. Seit Ende Februar bestimmt der Krieg in der Ukraine die meisten Inhalte unter diesen Überschriften. Ein Großteil des 30-köpfigen Teams von Zaborona ist nach wie vor in der Ukraine, weil sie das Land nicht verlassen können oder wollen.
Das Team hat zwei Mini-Vans gekauft, damit ihre Reporterinnen und Reporter weiterhin mobil im Land unterwegs sein können. Falls das überhaupt möglich ist. Benzin für die Autos zu bekommen zum Beispiel, sei nicht einfach, erklärt Valentina Zalevska. Man müsse es kaufen, wo oder bei wem es gerade zu bekommen ist. Und auch anderes versperrt dem Team sozusagen den Weg ihrer Berichterstattung.
„Während dem letzten Trip konnte unser Team nicht weiter, weil das ukrainische Militär in die gleiche Richtung vorgerückt ist. Die Soldaten sagten, ihr könnt schon weiterfahren, aber, wenn wir die Position dort eingenommen haben, könnt ihr nicht mehr raus. Und so erreichen wir die Menschen und ihre Geschichten nicht. Weil sich die Situation geändert hat.”

In Russland blockiert und stolz drauf

Bis Februar hat Zaborona seine Texte auf Ukrainisch und Russisch veröffentlicht. Einen kleinen Teil zusätzlich auf Englisch. Inzwischen werden fast alle Texte auch in Englisch publiziert, aber nicht mehr auf Russisch. Auf der Homepage von Zaborona ist zu lesen, dass niemand aufgrund seiner Sprache diskriminiert werden solle, das Team aber nicht wolle, dass die Ergebnisse ihrer Arbeit in Russisch zu lesen seien – in der Sprache eines Landes, das Zivilisten und Soldaten der Ukraine töte.
Die Inhalte von Zaborona seien in Russland ohnehin blockiert, sagt Valentina Zalevska. Sogar ein offizielles Schreiben der russischen Medienaufsicht habe das Team darüber informiert. Auf dieses Scheiben reagieren Valentina Zalevska und Natalya Roslik mit einem Augenzwinkern: „Wir sind auf der offiziellen Schwarzen Liste der verbotenen Medien. Zusammen mit internationalen und russischen Medien. Es ist eine lange Liste. Wir sind schon auch stolz, auf dieser Liste zu stehen.”

Ziel von Hackerangriffen

Schwerer zu verkraften, als der Bann ihrer Inhalte in Russland, seien Hackerangriffe auf ihre Infrastruktur, die seit Kriegsbeginn deutlich zugenommen haben, erzählen Valentina Zalevska und Natalya Roslik. So sehr, dass die Seite mehrmals offline war und auch die Auffindbarkeit der Seite in Suchmaschinen schlechter geworden ist. Ihre Inhalte zu publizieren, sei aber nun mal der wichtigste Teil ihrer Arbeit sagen beide. Denn ohne Veröffentlichung sei es, als würde es die Arbeit nicht geben.
„Es ist das Einzige, was zählt. Dass wir die Informationen veröffentlichen, die manche nicht veröffentlicht sehen wollen. Die wollen, dass wir gar nicht existieren“, erklärt Zalevska. Doch Zaborona existiert. Und mit der Unterstützung von Stiftungen wie der Open Society Foundation oder BBC Media Action, will das Team seine Inhalte ausbauen. Zum Beispiel Videomaterial international zur Verfügung stellen. Videomaterial von dem, was in der Ukraine zurzeit geschieht.