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Ukraine
Mehr Macht für Regionen und Gemeinden

Noch weiter entfernt als ein Waffenstillstand, der nun wieder verhandelt werden soll, ist eine politische Lösung des Konflikts in der Ostukraine. Die Ukraine macht hier nun einen wichtigen Schritt: Sie will die Verfassung ändern und mehr Macht an die Regionen und in die Gemeinden abgeben. Den Separatisten geht das allerdings nicht weit genug.

Von Florian Kellermann |
    Ukrainische Soldaten reinigen ihre Gewehre.
    Ukrainische Soldaten: Noch lange keine Lösung des Konflikts. (AFP / Anatolii Stepanov)
    Die Dezentralisierung hat zunächst einmal gar nichts mit dem Konflikt im Donezbecken zu tun. Die Selbstverwaltung vor Ort ist europäischer Standard, dem das ukrainische Gesetz weitgehend entspricht, wie der Europarat festgestellt hat. So werde die Ukraine ein demokratischeres Land, sagt Iwan Ljukerja, Experte einer Bürgerinitiative für Reformen:
    "Vor Kurzem habe ich eine Nachricht aus der Karpaten-Regionen gelesen: Ein Dorfvorstand hat Ackerland unter der Hand an Investoren vergeben, gegen Schmiergeld. Da sind die Dorfbewohner ins Rathaus eingedrungen und haben ihn herausgezerrt. Wie sich eine Gemeinde oder eine Stadt entwickelt, wird künftig in viel mehr Bereichen von den Bürgern dort abhängen."
    Das Minsker Friedens-Abkommen sieht die Dezentralisierung vor, weil Russland darauf drängte. Dabei wollte Moskau eigentlich viel mehr erreichen - nämlich die Umwandlung der Ukraine in einen Bundesstaat. Das russische Kalkül: Je größer die Autonomie der Regionen, desto zerrissener wäre die Ukraine. Moskau könnte über die östlichen Regionen, die vermutlich prorussische Vertreter wählen, Einfluss auf die Politik im ganzen Land nehmen.
    Russland konnte sich nicht voll durchsetzen
    Russland konnte sich nicht voll durchsetzen. Dafür ist im Minsker Abkommen aber von einem Sonderstatus für die heutigen Separatisten-Gebiete die Rede. Sie sollen eine eigene Volkspolizei bekommen, die Verantwortlichen werden bei der Ernennung von Richtern und Staatsanwälten mitreden können. Der ukrainische Verfassungsentwurf zur Dezentralisierung sieht das so nicht vor. Er verweist lediglich auf ein bereits beschlossenes gesondertes Gesetz für die Regionen Donezk und Luhansk. Aber schon das geht vielen ukrainischen Abgeordneten zu weit, so Oleh Ljaschko, dem Anführer der nationalistischen "Radikalen Partei":
    "Wir sehen heute im Donezbecken eine Armee von 50.000 Mann, ausgerüstet mit russischen Waffen, ausgebildet von russischen Soldaten. Ihr stellen sich unsere Bürger entgegen. Sie geben ihr Leben an der Front für die Einheit der Ukraine, für ihre Souveränität und Unabhängigkeit. Nicht für irgendeinen Sonderstatus für Terroristen, die uns heute umbringen und morgen dort reguläre Machthaber werden wollen. "
    Dennoch gehen Beobachter davon aus, dass sich im Parlament die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit findet, um die Verfassung zu ändern. Die Separatisten allerdings werden damit nicht zufrieden sein. Sie wollen, dass der Sonderstatus für ihre Gebiete nicht in einem Gesetz geregelt, sondern unmittelbar Punkt für Punkt in der Verfassung verankert wird. Tatsächlich ist im Minsker Abkommen von einer dauerhaften Regelung die Rede.
    Separatisten fordern Verfassungsstatus
    Die Separatisten gehen aber noch weiter, weit über das Minsker Abkommen hinaus: Die Ukraine solle in der neuen Verfassung auch festschreiben, dass sie ein blockfreier Staat bleibt, mit anderen Worten: dass sie auf einen Beitritt zur NATO verzichtet.
    Der Verhandlungsführer der sogenannten Donezker Volksrepublik Denis Puschilin:
    "Diese ukrainische Verfassungsreform erfüllt das Minsker Abkommen nicht, sie erschwert die weiteren Verhandlungen nur. Im Abkommen steht doch, das eine Reform zuerst mit uns konsultiert werden muss. Wir haben unsere Vorschläge unterbreitet, aber keine Antwort erhalten. Wenn wir nicht einbezogen werden, kommen wir einer friedlichen Lösung nicht näher."
    Die Verfassungsänderung sollte den Weg dafür eben, dass die Bezirke Donezk und Luhansk an den nächsten ukrainischen Kommunalwahlen teilnehmen können. Sie finden Ende Oktober statt. Doch dazu wird es sehr wahrscheinlich nicht kommen. Die sogenannte Donezker Volksrepublik hat schon eigene Kommunalwahlen anberaumt - schon eine Woche früher. Eine politische Lösung für das Donezbecken - und nur sie würde dauerhaft Frieden schaffen - bleibt also trotz Dezentralisierung in weiter Ferne.