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Ukrainischer Vorstoß im Süden
Sicherheitsexperte Masala: Cherson möglicherweise gar nicht das Hauptziel

Militärexperte Carlo Masala bezweifelt, dass die Ukraine am 30. August eine Großoffensive im Süden begonnen hat. Mit einem tatsächlichen Vorstoß in der Region Cherson könnte Kiew aber ein wichtiges strategisches Ziel verfolgen, so Masala im Dlf.

Carlo Masala im Gespräch mit Tobias Oelmaier |
Eine von Artilleriebeschuss beschädigte Brücke in der südukrainischen Region Cherson (Archiv-Bild vom 19.07.2022)
Eine von Artilleriebeschuss beschädigte Brücke in der südukrainischen Region Cherson (Archiv-Aufnahme) (Imago / ITAR-TASS / Sergei Bobylev)
Am Dienstag (30. August) meldete das Büro des ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyj schwere Kämpfe in den von Russland besetzten Gebieten bei der Stadt Cherson im Süden des Landes. In der Region sollen demnach mehrere russische Munitionsdepots und fast alle großen Brücken über den Fluss Dnepr zerstört und rund 30 Dörfer und Siedlungen zurückerobert worden sein. Fast zeitgleich hieß es aus dem russische Verteidigungsministerium, die ukrainischen Gegenoffensive in der Südukraine sei gescheitert.

Region Cherson für südliche Ukraine strategisch wichtig

Unabhängig verifizierbar sind die Angaben beider Seiten nicht. Es lasse sich überhaupt nicht einschätzen, was in der Südukraine gerade passiere, betonte Militärexperte Carlo Masala von der Universität der Bundeswehr in München. Beide Seiten betrieben Kriegspropaganda und verbreiteten geschönte Darstellungen der Ereignisse. Es habe zwar offenbar einen vermehrten Beschuss von Cherson gegeben und ukrainische Truppen seien wohl in einige kleine Dörfer eingedrungen. „Wir wissen aber nicht, ob das jetzt die Vorbereitung der Großoffensive ist. Die Großoffensive selbst ist es sicherlich nicht“, sagte der Politikwissenschaftler.
Carlo Masala, Politikwissenschaftler an der Universität der Bundeswehr in Köln
Carlo Masala, Militärexperte und Politikwissenschaftler an der Universität der Bundeswehr in Köln (picture alliance / dpa / Marijan Murat)
Es sei auch denkbar, so Masala, dass Cherson nicht das Hauptziel des ukrainischen Vorstoßes sei, sondern die vierte russische Armee, die nördlich von Cherson stehe: „Die zu teilen und damit sozusagen einen Keil zwischen die russischen Streitkräfte zu treiben.“ Sollte es der Ukraine dann gelingen, die gesamte Region zu erobern und die russischen Truppen wieder auf die östliche Seite des Dnepr zurückzudrängen, wäre dies in mehrfacher Hinsicht ein wichtiger Erfolg.
„Dann ist der Versuch der russischen Föderation, die Landbrücke vom Donbass bis runter zur Krim zu installieren, erstmal gescheitert“, führte Masala aus. Damit würde auch ein russischer Angriff auf die wichtige ukrainische Hafenstadt Odessa und der Versuch die Ukraine komplett vom Zugang zum Meer abzuschneiden, erheblich erschwert oder sogar unmöglich gemacht. Zudem sei der Fluss Dnepr als Frontlinie leichter zu verteidigen. „Damit könnten ukrainische Truppen dann freigesetzt werden, um woanders an diesem Frontverlauf eingesetzt zu werden“, so der Militärexperte.

Chancen für Verhandlung abhängig vom weiteren Kriegsverlauf

Grundsätzlich hält Masala an seiner Einschätzung fest, dass in der Ukraine weiter ein Stellungs- und Abnutzungskrieg geführt wird, der auch noch lange so weitergehen wird, sofern „die Zufuhr von Material und Personal gesichert“ sei. Die Kämpfe in der Region Cherson seien die erste und einzige Dynamik seit Wochen an dem 1.200 Kilometer langen Frontverlauf. „An dem Rest bewegt sich relativ wenig“, so Masala.

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Chancen für Verhandlungen, die zu einer Beendigung der Kampfhandlungen führen könnten, werden sich nach Einschätzung des Politikwissenschaftler erst dann ergeben, wenn die Russische Föderation den Eindruck gewänne, dass eine Fortführung des Krieges weitere Verluste statt Gewinne mit sich brächte. Allerdings mangle es der Ukraine immer noch an der nötigen Angriffskraft. Auf Seiten der ukrainischen Armee gäbe es immer noch große Lücken bei militärischem Material wie gepanzerten Fahrzeugen, Kampfpanzern, Kampfflugzeugen und Kampfhubschraubern, die „sie eigentlich bräuchten, um Gebiete zurückzuerobern“.